Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 1. Juli 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1990 6. Wahlperiode 02.07.2013 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Meldepflichtige Magen-/Darm-Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Das vom Robert-Koch-Institut herausgegebene infektionsepidemiologische Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2011 verzeichnet bei einer Reihe von Magen-/Darm-Erkrankungen überdurchschnittlich hohe Inzidenzen (Erkrankungen je 100.000 Einwohner) in MecklenburgVorpommern . 1. Wie hoch war die Zahl meldepflichtiger Magen-/Darm-Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2010, 2011 und 2012 (bitte jeweils Zahlen pro Krankheit und die jeweilige Inzidenz (Erkrankungen/ 100.000 Einwohner) angeben)? a) An welcher Stelle lagen die Inzidenzen der jeweiligen Krankheiten im bundesweiten Ländervergleich? b) Wie verhielten sich die Inzidenzen der jeweiligen Krankheiten im Vergleich zum Bundesdurchschnitt? c) Welche Altersgruppen waren jeweils besonders betroffen? Drucksache 6/1990 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Magen-Darm-Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern 2010 bis 2012 2010 2011 2012 Absolut Inzidenz Absolut Inzidenz Absolut Inzidenz Campylobacter 2.023 123,18 2.603 159,23 1.945 118,98 E.-coli-Enteritis 296 18,02 594 36,34 683 41,78 EHEC 7 0,43 172 10,52 26 1,59 Norovirus 5.554 338,18 4.888 299,01 4.288 262,31 Rotavirus 2.242 136,51 3.185 194,83 1.534 93,84 Salmonellose 717 43,66 838 51,26 574 35,11 Shigellose 7 0,43 2 0,12 2 0,12 Yersiniose 71 4,32 66 4,04 41 2,51 Inzidenz: Anzahl der Erkrankungen/100.000 Einwohner EHEC: Enterohämorrhagische Escherichia coli Zu a) Rangfolgen der höchsten Inzidenzen im bundesweiten Ländervergleich 2010 bis 2012 In folgender Tabelle ist dargestellt, an welcher Stelle Mecklenburg-Vorpommern in der Rangfolge der höchsten Inzidenzen im bundesweiten Ländervergleich liegt. In der Klammer sind die Länder benannt, die in der Rangfolge der höchsten Inzidenzen noch vor Mecklenburg -Vorpommern liegen. 2010 2011 (EHEC-Ausbruch) 2012 Campylobacter 3 (ST, SL) 1 2 (SN,SL) E. coli-Enteritis 3 (SN, TH) 1 1 (SA, SN) EHEC 15 3 (HH,SH) 10 Noroviren 3 (SN, TH) 3 (ST, SL) 4 (SA,SN,TH) Rotaviren 2(TH) 2 (SN) 3 (TH,SA) Salmonellose 4( SN, TH, SL) 3(ST, TH) 4 (TH,SA,SN) Shigellose 14 16 16 Yersiniose 6 8 10 (TH,SN,SA) SL: Saarland SN: Sachsen ST: Sachsen-Anhalt TH: Thüringen HH: Hamburg SH: Schleswig-Holstein Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1990 3 Zu b) Vergleich der Inzidenzen der Magen-Darm-Erkrankungen im Bundesdurchschnitt 2010 2011 2012 D M-V D M-V D M-V Campylobacter 80,42 123,18 87,13 159,23 76,85 118,98 E.-coli-Enteritis 7,15 18,02 10,14 36,34 8,63 41,78 EHEC 1,12 0,43 6 10,52 1,87 1,59 Norovirus 172,1 338,18 142,04 299,01 138,45 262,31 Rotavirus 66,12 136,51 66,53 194,83 48,02 93,84 Salmonellose 30,96 43,66 29,96 51,26 25,48 35,11 Shigellose 0,89 0,43 0,83 0,12 0,65 0,12 Yersiniose 4,12 4,32 4,15 4,04 3,31 2,51 D: Bundesrepublik Deutschland Zu c) Inzidenzen der Magen-Darm-Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern nach Altersgruppen Campylobacter E.coli EHEC Norovirus Alter 2010 2011 2012 2010 2011 2012 2010 2011 2012 2010 2011 2012 00-14 186,4 257,1 196,2 104,1 211 267,1 1,6 23,8 9,52 246,4 256,7 270 15-19 191,5 208,3 169,3 5,63 13,62 15,57 0 5,84 0 66,93 62,57 59,63 20-24 189,6 271,6 176 4,58 15,09 16,09 0 11,06 1,01 83,65 81,03 75,12 25-29 169,4 220,4 131,6 1,96 15,6 15,6 1,96 8,78 0 79,32 81,29 77,37 30-39 128,6 145,8 121,6 5,03 12,95 16,33 0 10,14 0,56 69,38 68 66,76 40-49 120,8 157,4 110,3 1,83 12,25 8,43 0 9,57 0,38 72,52 60,31 57,92 50-59 96,04 117,7 96,95 3,17 8,31 7,96 0 5,54 0 103,6 83,25 77,83 60-69 87,36 110,1 84,18 8,09 15,65 14,57 0 10,79 0,54 152,9 110,7 99,57 70+ 73,3 107,3 84,8 19,72 17,53 13,24 0,74 8,95 1,43 482,6 335,7 322,4 Rotavirus Salmonellose Shigellose Yersiniose Alter 2010 2011 2012 2010 2011 2012 2010 2011 2012 2010 2011 2012 00-04 716 915,6 363,9 122,8 201,5 94,68 1,07 0,53 0 23,49 19,57 10,05 15-19 41,3 54,5 27,25 63,82 48,66 36,98 0 0 0 5,63 1,95 7,79 20-24 46,72 75,44 37,22 37,56 59,34 31,18 0 0 0 9,16 8,05 3,02 25-29 36,22 93,61 39,98 29,37 26,33 33,15 0 0 0 1,96 4,88 3,9 30-39 61,5 77,7 46,17 30,19 22,52 25,34 1,68 0 0 1,12 2,82 0 40-49 38,44 52,08 25,28 26,36 21,83 19,15 0 0,38 0,77 1,1 1,53 0 50-59 45,73 61,29 36,36 31,31 27,01 26,32 0 0 0 0,7 0,35 0,69 60-69 53,39 75,01 52,34 30,74 36,15 33,46 0 0 0 1,62 0 2,16 70+ 129,1 237,2 144,2 40,93 37,21 27,91 0,74 0 0 0,74 1,79 1,79 Wie aus den Tabellen ersichtlich, sind vorrangig die Säuglinge und Kleinkinder von MagenDarm -Erkrankungen betroffen. Ältere Personen sind besonders empfänglich für Noro- und Rotaviren. Drucksache 6/1990 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 2. Bei welchen der angeführten Erkrankungen erfolgt die Infektion am häufigsten durch a) die Übertragung von Erregern von Mensch zu Mensch (z. B. Tröpfchen-, Schmierinfektionen); b) die Aufnahme kontaminierter Lebensmittel; c) sonstige Übertragungswege? Zu a) Alle in der Tabelle aufgeführten Magen-Darm-Erkrankungen können bei unzureichender Händehygiene von Mensch zu Mensch durch sogenannte Schmierinfektionen übertragen werden, allerdings werden Noro- und Rotaviren so am häufigsten übertragen. Neben diesem fäkal-oralen Übertragungsweg kommt bei massivem Erbrechen auch eine aerogene Übertragung von Noroviren durch Tröpfchen in Frage. Zu b) Campylobacter, E.coli, EHEC, Salmonellen, Shigellen und Yersinien werden am häufigsten durch kontaminierte Lebensmittel übertragen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wird durch unzureichende Händehygiene begünstigt. Zu c) Yersinien können auch durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren auf den Menschen übertragen werden. Fäkal verunreinigtes Badewasser wird ebenfalls als möglicher Übertragungsweg von gastrointestinalen Infektionen diskutiert. 3. Wie viele Häufungen meldepflichtiger gastrointestinaler Erkrankungen mit unklarer Genese traten in den Jahren 2010, 2011 und 2012 in Familien, Kindertagesstätten, Schulen, Arbeitsstätten sowie Altenund Pflegeheimen auf (bitte jeweils Anzahl der Häufungen und Anzahl der Erkrankungen angeben)? In der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Drucksache 6/1472 (Frage 3) werden für die Jahre 2010 bis 2012 insgesamt zwei Erkrankungen angeführt, die auf Mängel der Schulverpflegung zurückzuführen waren: deuten Häufungen gastrointestinaler Erkrankungen mit unklarer Genese (insbesondere bei den Erregern Salmonellose und Campylobacter) in Kitas und Schulen aus Sicht der Landesregierung darauf hin, dass eine höhere Dunkelziffer kita- und schulverpflegungsbedingter Erkrankungen besteht? Im Jahr 2010 traten in Kindertagesstätten 219 Häufungen mit 1667 meldepflichtigen gastrointestinalen Erkrankungen auf. In Alten- und Pflegeheimen konnten 49 Häufungen mit 836 Erkrankungen registriert werden. Aus Schulen wurden 19 Häufungen mit 108 Erkrankungen gemeldet. Lediglich 7 Häufungen mit 22 Erkrankungen traten in Familien auf. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1990 5 Ab 2011 ist die gesetzliche Verpflichtung zur Erfassung dieser Daten entfallen. Für die Jahre 2011 und 2012 können deshalb aufgrund der neuen Erfassungssysteme keine detaillierten Aussagen zur Gesamtzahl der betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen in Mecklenburg Vorpommern getroffen werden. Zusammenfassend kann jedoch eingeschätzt werden, dass die meisten gastrointestinalen Häufungen in Kindertagesstätten, Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und Rehakliniken auftreten. Ein unmittelbarer Rückschluss aus den vorstehend dargelegten Erkenntnissen über die zuvor dargelegten Annahmen hinaus, insbesondere auch auf mögliche Dunkelziffern, lässt sich nach Einschätzung der Landesregierung nicht rechtfertigen. Prioritäres Ziel der Lebensmittelüberwachung in Mecklenburg-Vorpommern ist es, durch einen hohen Standard in der Lebensmittelsicherheit das Risiko lebensmittelbedingter Erkrankungsfälle zu minimieren. Dies gilt insbesondere für die sensiblen Bereiche der Kindertages-, Schul- und Altenheimverpflegung. Dazu erfolgt eine enge Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsämtern und den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern, um Ursachen für dennoch auftretende gastrointestinale Erkrankungsfälle abzuklären. 4. Wie erklärt sich die Landesregierung, dass die Erkrankungsraten zum Teil deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen? a) Welche Gründe sind für signifikante demographische Auffällig- keiten bei den Erkrankungen maßgeblich? b) Bestehen aus Sicht der Landesregierung in Mecklenburg- Vorpommern besondere Bedingungen bzw. Voraussetzungen, die eine Ausbreitung entsprechender Erkrankungen begünstigen? c) Besteht aus Sicht der Landesregierung ein Zusammenhang zwischen den in der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Drucksache 6/1472 angeführten Zahlen der Beanstandungen bei Lebensmittel- und Hygienekontrollen im Bereich der Kita- und Schulverpflegung und der Rate gastrointestinaler Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern? Als vermutliche Ursachen für über dem Bundesdurchschnitt liegende Inzidenzen bei MagenDarm -Erkrankungen können die bessere Meldedisziplin der neuen Bundesländer und umfangreichere Umgebungsuntersuchungen durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst genannt werden. Beim EHEC-Ausbruch 2011, bei dem hauptsächlich die nördlichen Bundesländer stark betroffen waren, wurden durch ein erhöhtes diagnostisches Aufkommen im Rahmen der Differentialdiagnostik zusätzlich weitere andere Erreger ermittelt. Außer bei E. coli-Enteritis ist bei allen anderen gastrointestinalen Infektionen im Jahr 2012 ein rückläufiger Trend erkennbar. Drucksache 6/1990 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Zu a) Wie aus der Antwort zu Frage 1 ersichtlich, gehören Säuglinge und Kleinkinder sowie ältere Menschen zu den Personengruppen, die für gastrointestinale Erkrankungen am empfänglichsten sind. Diese Anfälligkeit kann auch bei anderen Infektionskrankheiten festgestellt werden. Zum einen kann bei Säuglingen die eigene Immunität noch nicht voll ausgeprägt sein, zum anderen herrscht in Gemeinschaftseinrichtungen ein höheres Risiko der Infektionsübertragung von Mensch zu Mensch. Im höheren Lebensalter nehmen Infektionskrankheiten und andere Erkrankungen zu. Als Ursache sind altersspezifische Allgemeinerkrankungen, Medikamente und auch Fehlernährung zu nennen. Die Reservekapazität des spezifischen Immunsystems ist im hohen Alter eingeschränkt. Zu b) Nein, in Mecklenburg-Vorpommern bestehen aus Sicht der Landesregierung keine besonderen Bedingungen beziehungsweise Voraussetzungen, die eine Ausbreitung entsprechender Erkrankungen begünstigen. Zu c) Ein Zusammenhang zwischen der Zahl der Beanstandungen und der Häufung der gastrointestinalen Erkrankungsfälle kann seitens der Landesregierung nicht hergeleitet werden. Wie bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage auf LT-Drs. 6/1472 dargestellt, sind für die Lebensmittelüberwachung in Mecklenburg-Vorpommern die Landkreise und die kreisfreien Städte zuständig. Die entsprechenden Aufgaben werden vom jeweiligen Veterinärund Lebensmittelüberwachungsamt (VLA) wahrgenommen. Diese arbeiten eng mit den Gesundheitsämtern zusammen. Die VLÄ in Mecklenburg-Vorpommern kontrollieren sehr sorgfältig und sachkundig. Es werden dabei alle im Rahmen der Kontrollen festgestellten Mängel und Normabweichungen erfasst und dokumentiert und der Lebensmittelunternehmer wird dadurch zu einer besonderen Sorgfalt angehalten. Die Dokumentation eines Mangels ist nicht gleichzusetzen mit einem von Lebensmitteln direkt ausgehenden gesundheitlichen Gefährdungspotenzial für die Verbraucherinnen und Verbraucher. So sind auch Mängel, wie zum Beispiel unvollständige Dokumentation über Temperaturkontrollen, Reinigungsarbeiten und Belehrungen oder Mängel bei der Produktkennzeichnung (zum Beispiel fehlerhafte Etikettierung), abzustellen. Allein aus der Anzahl der Beanstandungen einen Zusammenhang mit der steigenden Zahl von Erkrankungsfällen abzuleiten, wäre daher spekulativ. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1990 7 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um überdurchschnittliche Raten von Magen-/Darm-Erkrankungen zu senken? Welche Maßnahmen haben sich in der Vergangenheit als wirkungsvoll erwiesen? Nicht nur eine korrekte Meldepflicht von Magen-Darm-Erkrankungen nach dem Infektionsschutzgesetz , das durch Änderung am 29. März 2013 nunmehr eine Meldung von bestimmten Infektionskrankheiten innerhalb eines Tages vorsieht, trägt dazu bei, dass Krankheitsausbrüche schnellstmöglich eingedämmt werden. Auch eine enge und intensive Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsbehörden und den für die Überwachung von Lebensmitteln zuständigen Behörden vermindert die Raten von Magen-Darm-Erkrankungen. Näheres ist in dem gemeinsamen Erlass zur Zusammenarbeit bei gastrointestinalen Erkrankungen des Sozialministeriums und des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei vom 4. März 2003 bestimmt. Die Sofortmeldung an das Gesundheitsamt und von dort an das zuständige Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt, der umgehende Abgleich von ermittelten Daten und das gemeinsame Identifizieren von Infektionsquellen lässt eine schnelle Einleitung antiepidemischer Maßnahmen zu. Da bei der Übertragung von gastrointestinalen Erkrankungen Schmierinfektionen eine große Rolle spielen, ist die Händehygiene eine wichtige Maßnahme diese zu verhüten. In Mecklenburg-Vorpommern wurde 2007 und im folgenden Jahr ein Präventionsprojekt zur Thematik des Händewaschens im Kindesalter durchgeführt. Unter dem Thema „Hygienetipps für Kids–Händewaschen na klar!“ wurden Kinder aus 67 Kindertagesstätten über das Wie, Wann und Warum des Händewaschens aufgeklärt.