Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 30. Juli 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2048 6. Wahlperiode 31.07.2013 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Regine Lück, Fraktion DIE LINKE Vorbeugender Hochwasserschutz und ANTWORT der Landesregierung In den regionalen Raumentwicklungsprogrammen (RREP) sind zum Teil Vorrang- und Vorbehaltsgebiete Hochwasserschutz ausgewiesen. Die Darstellung erfolgte auf Grundlage des „Generalplans Küsten- und Hochwasserschutz Mecklenburg-Vorpommern“ aus dem Jahre 1995 und gesetzlich festgelegter Überschwemmungsgebiete der Elbe. Mit dem „Regelwerk Küstenschutz Mecklenburg-Vorpommern“ aus 2009 wurde die Weiterentwicklung des Generalplans eingeleitet. Im RREP Mecklenburgische Seenplatte erfolgte keine Festlegung von Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebieten aufgrund fehlender bzw. noch in Bear- beitung befindlicher Fachplanungen (unter Verweis auf den Planungs- stand 2010). 1. Inwieweit hat die Landesregierung darüber Kenntnis, ob und gege- benenfalls welche Siedlungen vom Hochwasser 2002 und/oder 2013 betroffen waren bzw. sind, die nach Inkrafttreten der regionalen Raumordnungspläne der 90er-Jahre bzw. der aktuell geltenden regionalen Raumentwicklungsprogramme entstanden? Nach Kenntnisstand der Landesregierung gibt es solche Siedlungen nicht. Drucksache 6/2048 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Wäre es nach Ansicht der Landesregierung rechtlich möglich, die Neuerrichtung baulicher Anlagen in potenziellen Überflutungs- und Überschwemmungsgebieten gänzlich zu unterbinden und wie wird das begründet? Es bedarf grundsätzlich einer einzelfallbezogenen baurechtlichen Bewertung. Im Bau- genehmigungsverfahren prüft die untere Bauaufsichtsbehörde, ob ein Vorhaben mit den Bestimmungen des Bauplanungsrechts, Bauordnungsrechts und sonstigen öffentlich-recht- lichen Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, vereinbar ist. Je nach Lage des Vorhabens sind dabei auch die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) zum Hochwasserschutz zu prüfen. Gemäß § 78 Absatz 1 Nummer 2 WHG ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 Baugesetzbuch untersagt. Dies gilt gemäß § 78 Absatz 6 WHG auch für vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete. 3. Ist angesichts der jüngsten Hochwasserereignisse eine Überprüfung und gegebenenfalls Fortschreibung der Regionalen Raumentwick- lungsprogramme in Bezug auf den vorbeugenden Hochwasserschutz vorzunehmen und wie wird das begründet? 4. Sollte bei der Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms (LEP) eine Erweiterung der Kriterien zur Festlegung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten zum Hochwasserschutz erfolgen und wie wird das begründet? Die Fragen 3 und 4 werden zusammenhängend beantwortet. Nach abgeschlossener Zusammenfassung und Auswertung werden die fachlichen Erkennt- nisse aus dem Hochwasserereignis 2013 bei der weiteren Erarbeitung des neuen LEP berück- sichtigt, welches wiederum die Grundlage für die Fortschreibung der Regionalen Raum- entwicklungsprogramme bildet. 5. Inwieweit wird eine Überprüfung der im Landeswassergesetz fest- gelegten Überschwemmungsgebiete der Elbe angesichts des aktuellen Hochwassers für notwendig erachtet und wie wird das begründet? Das aktuelle Hochwasserereignis an der Elbe macht keine gesonderte Überprüfung erforderlich, da im Rahmen der Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM-RL) innerhalb von Risikogebieten nach § 73 Absatz 1 WHG bereits Über- schwemmungsgebiete für ein statistisches Ereignis mit einem Wiederkehrintervall von mindestens 100 Jahren durch Rechtsverordnung festzusetzen oder mindestens vorläufig zu sichern sind. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2048 3 Im Zuge der weiteren Umsetzung der HWRM-RL wird dieser gesetzliche Auftrag umgesetzt, darunter fällt auch der Teil des Risikogebietes an der Elbe, der in Mecklenburg-Vorpommern liegt. Bis zum Abschluss des Rechtssetzungsverfahrens werden die Gebiete öffentlich bekannt gemacht und somit vorläufig gesichert (siehe § 76 Absatz 3 WHG). Bis zu diesem Zeitpunkt gilt gemäß § 136 des Landeswassergesetzes das Hochwasserschutzgebiet gemäß Beschluss des Rates des Bezirkes Schwerin vom 02.12.1987 fort. 6. Inwieweit wurden über das Regelwerk Küstenschutz 2009 hinaus Fachplanungen eingeleitet bzw. durchgeführt und welchen Inhalts? Das Übersichtsheft zum Regelwerk „Küstenschutz Mecklenburg-Vorpommern“ wird seit 2011 mit Themenheften untersetzt und fortgeschrieben. Folgende Themenhefte des Regel- werks sind erschienen: - Geodätische Bezugssysteme Küste Mecklenburg-Vorpommern, - Hydrodynamische Eingangsparameter für den Entwurf, die Bemessung und die Sicher- heitsüberprüfung von Küstenschutzanlagen in Mecklenburg-Vorpommern, - Bemessungshochwasserstand und Referenzhochwasserstand, - Marine Aufspülsande, - Uferlängswerke - Geotextilwälle, - Geplante Küstenschutzmaßnahmen. Besondere Bedeutung haben die Festlegungen im Regelwerk „Hydrodynamische Eingangsparameter für den Entwurf, die Bemessung und die Sicherheitsüberprüfung von Küstenschutzanlagen in Mecklenburg-Vorpommern“, die seit Herbst 2012 angewandt werden. Wichtige Inhalte sind: - Festlegung eines einheitlichen Schutzziels auf statistischer Grundlage (in Abstimmung mit Schleswig Holstein), - funktionelle und konstruktive Bemessung von Küstenschutzbauwerken auf Grundlage von statistischen Auswertungen bisher beobachteter Sturmflutereignisse (bisher Dimensionie- rung aufgrund eines für Bemessungsaufgaben festgelegten Einzelereignisses) - die Grund- lage für die statistische Auswertung sind über lange Zeiträume in der Natur gemessene hydrodynamische Parameter, - Berücksichtigung möglicher Folgen des Klimawandels und der unterschiedlichen Lebens- dauer von Küstenschutzbauwerken, - Einführung eines den aktuellen Anforderungen angepassten Verfahrens zur Sicherheits- überprüfung bestehender Bauwerke, - Ermittlung von örtlichen Bemessungswasserständen auf Grundlage aktueller Zeitreihen. Durch das gewählte Verfahren ist unter anderem eine transparente Priorisierung von Maßnahmen und - wie in der Deutschen Anpassungsstrategie empfohlen - eine regelmäßige Überprüfung der Eingangsdaten sichergestellt. Drucksache 6/2048 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Neben dem Regelwerk wurden küstenabschnittbezogene Küstenschutzkonzeptionen erarbeitet. In ihnen werden, basierend auf der Analyse der naturräumlichen Gegebenheiten und der küstenschutztechnischen Situation, die mittelfristig erforderlichen Küstenschutz- maßnahmen dargestellt. Küstenschutzkonzeptionen wurden bisher für das Fischland, die Insel Hiddensee und Klein Zicker erstellt. 7. Gibt es Handlungsbedarf für weitere Fachplanungen, und wenn ja, zu welchen Themen? Es bedarf insbesondere einer übergreifenden, detaillierten Fachplanung für die Hochwasser- schutzbauwerke an den inneren Küstengewässern (Bodden-, Haffküsten). Inhalte sollen vor allem sein: - Ermittlung und Bewertung der hydrodynamischen Belastungen auf statistischer Grundlage (zum Beispiel Seegang), - eingehende funktionelle und konstruktive Sicherheitsüberprüfung von Hochwasserschutz- bauwerken (Ist/Soll-Zustand von Dimensionierung, Kehrwiderstand von Belastungen sowie Standsicherheitsüberprüfung). Vor dem Hintergrund alternder Küstenschutzbauwerke ist eine detaillierte Handlungs- anleitung zur konstruktiven Sicherheitsüberprüfung auch für die Bauwerke an der Außenküste zu entwickeln. Daneben ist die Erarbeitung weiterer Küstenschutzkonzeptionen vorgesehen. Für Usedom und Südost-Rügen sind diese bereits in Vorbereitung. 8. Ist die Errichtung von Küstenschutz- und Deichverbänden absehbar und was spricht dafür oder dagegen, die Aufgaben weiterhin bei den jetzt Verpflichteten, dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz und Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt, zu belassen? Nein, die Landesregierung arbeitet gegenwärtig an der Novelle des Landeswassergesetzes, diese soll noch in dieser Legislaturperiode dem Landtag vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Neuorganisation der Zuständigkeiten im Küsten- und Hochwasserschutz vorgesehen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2048 5 9. Inwieweit hat sich bisher die unterschiedliche Zuständigkeit für den Küsten- und Hochwasserschutz und die Deiche I. Ordnung (Schutz von im Zusammenhang bebauten Gebieten) und II. Ordnung (Schutz landwirtschaftlicher Flächen) bewährt? a) Ist in jedem Fall eine Abgrenzung zwischen Deichen I. und II. Ordnung und damit der Zuständigkeit möglich? b) Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit? Die bisherige Aufteilung der Zuständigkeiten beim Küsten- und Hochwasserschutz nach der Bedeutung der Anlagen hat sich grundsätzlich bewährt. Allerdings führt die ungleiche Herangehensweise bei der Bestimmung der Anlagenbedeutung - für die Hochwasserschutz- anlagen ist sie durch die Anlage 2 zum Landeswassergesetz definiert, für die Küstenschutz- anlagen ist der Schutzzweck „Schutz im Zusammenhang bebauter Gebiete“ maßgeblich - zu einer Ungleichbehandlung. Es ist vorgesehen, diese mit der Novellierung des Landeswasser- gesetzes zu beseitigen. Zu a) Ja. Zu b) Die Landesregierung schätzt die Zusammenarbeit als gut ein. 10. Was sollte aus Sicht der Landesregierung grundsätzlich an der Zuständigkeit bei Hochwasserereignissen und dem vorbeugenden Hochwasserschutz geändert werden und gibt es dafür schon konkrete Überlegungen bzw. Aktivitäten? Die bisherige Aufgabenteilung bei der operativen Abwehr von Hochwasserereignissen hat sich bewährt. Beabsichtigt ist aber, zusammen mit der Novelle zum Landeswassergesetz auch die diesen Handlungsbereich regelnden Rechtsvorschriften eindeutiger zu fassen. Der vorbeugende Hochwasserschutz wird durch die europäische Hochwasserrisikomanage- mentrichtlinie vollständig abgedeckt. Die Umsetzungsarbeiten erfolgen im vorgegebenen Zeitrahmen. Sie erfordern unter anderem auch die Koordinierung der Zuständigkeiten für die verschiedenen Handlungsebenen (zum Beispiel Flächenvorsorge, Bauvorsorge, Verhaltens- vorsorge, Risikovorsorge, technischer Hochwasserschutz). Nach Ansicht der Landesregierung gibt es keinen Änderungsbedarf bei der Organisation zur Umsetzung der Hochwasserrisiko- managementrichtlinie.