Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 23. Juli 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2060 6. Wahlperiode 24.07.2013 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Jürgen Suhr, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ermittlungen gegen mutmaßliche NS-Verbrecher und ANTWORT der Landesregierung Jahrelang wurden Verfahren gegen das Personal der deutschen Vernich- tungslager nur noch dann geführt, wenn ein Nachweis der konkreten Art der Beteiligung an einer konkret bestimmbaren Tötung - der „konkrete Einzeltatnachweis“ - erbracht werden konnte. Doch dann verurteilte das Landgericht München den „Trawniki“ John Demjanjuk für seinen allgemeinen Dienst im Vernichtungsbetrieb des Lagers Sobibor - und lotete so nach Ansicht der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen die Grenzen der Anforde- rungen an den Nachweis einer individuellen Schuld der Lagermann- schaftsangehörigen in den deutschen Vernichtungslagern neu aus. Die Zentrale Stelle nahm das Urteil zum Anlass, Vorermittlungen gegen 50 ehemalige Wachmänner des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau einzuleiten und sieht sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, dass das schon viel früher hätte geschehen können. So soll die im Demjanuk-Urteil des Landgerichts München zugrunde gelegte Deutung eines Tatbeitrags als Wachmann auf einem nicht näher ermittelten Posten im Vernichtungs- lager als Förderung der Haupttat im Sinne des § 27 StGB auch ohne „konkreten Einzeltatnachweis“ und ohne Nachweis einer für eine bestimmte Tötung kausalen Handlung im Einklang mit der älteren, nie ausdrücklich aufgegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den sogenannten reinen Vernichtungslagern stehen. In der Fragestunde des Landtages am 30. Mai 2013 sagte die Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU), drei der Personen, gegen die die Zentrale Stelle Vorermittlungen eingeleitet habe, seien wohnhaft in Mecklenburg- Vorpommern. Drucksache 6/2060 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Wie viele Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher waren seit der Wiedervereinigung bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten in Mecklenburg-Vorpommern anhängig und wie endeten diese Verfahren jeweils? a) In wie vielen dieser Verfahren wurde Anklage erhoben? b) In wie vielen dieser Verfahren ist ein rechtskräftiges Urteil ergangen (bitte aufschlüsseln nach Freispruch, Einstellung und Verurteilung)? Bei den Staatsanwaltschaften in Mecklenburg-Vorpommern sind seit dem Jahr 1994 gegen 15 Personen Verfahren wegen NS-Verbrechen neu eingeleitet worden. Für die Zeit davor liegt kein Zahlenmaterial vor. Die Verfahren wurden ohne gerichtliche Entscheidung, zum Beispiel im Wege der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft oder durch Tod des Beschuldigten, erledigt. Zu a) und b) In keinem Verfahren. 2. Wie ist der aktuelle Stand in den drei Verfahren, in denen die Zentrale Stelle Vorermittlungen gegen in Mecklenburg-Vorpommern wohn- hafte Personen eingeleitet hat? Der aktuelle Sachstand ist hier nicht bekannt. Eine Abgabe der Verfahren in den hiesigen Zuständigkeitsbereich ist nicht erfolgt. 3. Wie viele Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher sind darüber hinaus bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten in Mecklenburg- Vorpommern anhängig und wie ist der Stand in den einzelnen Verfahren? Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher wegen nationalsozialistischer Gewalttaten sind derzeit nicht anhängig. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2060 3 4. Teilen die Landesregierung bzw. die ihr nachgeordneten Strafverfol- gungsbehörden die Ansicht, dass das Demjanjuk-Urteil des Land- gerichts München im Einklang mit der älteren, nie ausdrücklich aufge- gebenen Rechtsprechung des BGH zu den sogenannten reinen Vernichtungslagern steht? a) Wenn ja, warum wurden in den Fällen der drei in Mecklenburg- Vorpommern wohnhaften mutmaßlichen NS-Verbrecher nicht schon vorher Ermittlungen eingeleitet? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu 4, a) und b) Gerichtliche Entscheidungen werden durch die Landesregierung nicht bewertet. Es ist Aufgabe der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung national- sozialistischer Verbrechen, das gesamte erreichbare Material über NS-Verbrechen zu sammeln und auszuwerten. Ergeben diese Vorermittlungen Hinweise auf verfolgbare Täter, werden die Vorgänge der zuständigen Staatsanwaltschaft zugeleitet. Diese wird erst dann tätig, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten vorliegen. 5. Haben die der Landesregierung nachgeordneten Strafverfolgungs- behörden jemals die im Frankfurter Fritz-Bauer-Institut als Teil der Verfahrensakten der Frankfurter Auschwitz-Prozesse archivierte Kartei der in Auschwitz tätigen SS-Angehörigen auf in Mecklenburg- Vorpommern wohnhafte Personen untersucht? a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b) Wenn nicht, warum nicht und wann ist eine solche Untersuchung beabsichtigt? Zu einer Untersuchung bestand und besteht keine Veranlassung. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Aufnahme von Ermittlungen liegen nicht vor. Vorermittlungen führt die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen (siehe Antwort zu Frage 4).