Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 2. August 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2077 6. Wahlperiode 05.08.2013 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Jürgen Suhr, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Überprüfung von Tötungsdelikten mit möglichem rechtsextremen Hintergrund und ANTWORT der Landesregierung Die Dokumentation „152 Schicksale - Sie starben, weil sie anders waren“ von „Zeit“ und „Tagesspiegel“ legt nahe, dass Polizei und Justiz bei einer Reihe von Tötungsdelikten mögliche rechtsextreme Hintergründe nicht oder nur unzureichend wahrgenommen haben. Bisher haben lediglich drei Bundesländer auf die Diskrepanz zwischen der offiziellen Statistik und den von „Zeit“ und „Tagesspiegel“ dokumentierten Tötungsdelikten mit rechtsextremem Hintergrund reagiert. In Sachsen beauftragte der Innenminister den Kriminalpolizeilichen Meldedienst, die strittigen Fälle noch einmal unter die Lupe zu nehmen. In Sachsen-Anhalt führten Innen- und Justizministerium eine gemeinsame Überprüfung durch. In beiden Ländern musste die Zahl der offiziell anerkannten Todesopfer rechter Gewalt nach oben korrigiert werden. In Brandenburg hat eine unabhängige Untersuchung von mehr als 30 Altfällen gestartet. Partner bei der Durchsicht und möglichen Neubewertung der Opferlisten ist das MosesMendelssohn -Zentrum der Universität Potsdam. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liegen noch nicht vor. Während der Beratung des Themas im hiesigen Landtag sagte der Minister für Inneres und Sport sinngemäß, die strittigen Fälle aus Mecklenburg-Vorpommern seien bereits mehrfach überprüft worden. Drucksache 6/2077 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Welche Fälle aus Mecklenburg-Vorpommern wurden bereits mehr- fach überprüft (bitte gegebenenfalls anonymisieren)? Die von Journalisten mit Stand vom 16.09.2010 aktualisierte Dokumentation „152 Schicksale - Sie starben, weil sie anders waren“ wurde nach entsprechenden Ergänzungen zu verschiedenen Zeiten bereits mehrfach in den Medien veröffentlicht. Sie enthält folgende acht mehrfach überprüfte Tötungsdelikte aus Mecklenburg-Vorpommern: 1. 15.03.1992, Saal, zum Nachteil von Dragomir C. 2. 11.07.1996, Wolgast, zum Nachteil von Boris M. 3. 22.04.1997, Sassnitz, zum Nachteil von Horst G. 4. 24.06.2000, Greifswald, zum Nachteil von Klaus-Dieter G. 5. 09.07.2000, Wismar, zum Nachteil von Jürgen S. 6. 24.07.2000, Ahlbeck, zum Nachteil von Norbert P. 7. 25.11.2000, Greifswald, zum Nachteil von Eckhardt R. 8. 22.04.2001, bei Jarmen, zum Nachteil von Mohammed B. Die Sachverhalte 1., 6. und 7. wurden bei den Überprüfungen regelmäßig der Politisch motivierten Kriminalität - rechts zugeordnet. 2. Aus welchem Anlass wurden diese Fälle überprüft? Die unter Antwort zu Frage 1 genannten Tötungsdelikte wurden dreimal einer umfassenden Prüfung aus den folgenden Anlässen unterzogen: 1. Überprüfung: Juli 2003 nach Presseveröffentlichungen im „Tagesspiegel“ und der „Frankfurter Rundschau vom 06.03.2003, 2. Überprüfung: April 2009 nach Presseveröffentlichungen in der „Süddeutschen Zeitung vom 13.12.2008, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE an die Bundesregierung, Bundestags-Drucksache: 16/12005 vom 17.02.2009, 3. Überprüfung: Juli 2012 retrograde Prüfung aller ungeklärten Tötungsdelikte ohne Tatverdächtige einschließlich Versuchshandlungen von 1990 bis 2011 unter Einbeziehung der Opferliste (Die sogenannte Opferliste enthält auch die unter der Antwort zu Frage 1 dargestellten Tötungsdelikte.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2077 3 3. Wer ordnete die Überprüfungen an und wer führte die Überprüfungen durch? Die Überprüfungen der Tötungsdelikte wurden durch folgende Behörden angeordnet: 1. Überprüfung: Bundeskriminalamt (BKA), 2. Überprüfung: Bundesministerium des Innern und Bundesministerium für Justiz über das Innenministerium und das Justizministerium MecklenburgVorpommern , 3. Überprüfung: Bundeskriminalamt auf Vorschlag der Arbeitsgruppe Fallanalyse des Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus . Die 1. und 2. Überprüfung wurde durch das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern (LKA M-V), im Fall der 2. Überprüfung in Abstimmung mit dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern (JM M-V) durchgeführt. Die 3. Überprüfung erfolgte durch die Kriminalpolizeiinspektionen der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern. 4. In welcher Form wurden die Fälle überprüft und aus welchem Grund wählte die Landesregierung diese und nicht eine andere Form der Überprüfung? Die 1. Überprüfung erfolgte aufgrund der Anforderung des BKA von der in MecklenburgVorpommern zuständigen Fachdienststelle, dem LKA M-V. Dabei wurden Urteile ausgewertet . Die 2. Überprüfung erfolgte aufgrund der Vorgaben der in der Antwort zu Frage 3 genannten Bundes- und Landesministerien sowie des BKA. Dabei wurden die Justizakten einschließlich der ergangenen Urteile ausgewertet. Die 3. Überprüfung erfolgte aufgrund der Vorgaben des BKA durch eine Auswertung der polizeilichen Akten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 b) verwiesen. Drucksache 6/2077 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Anhand welcher Kriterien wurden die Fälle überprüft? a) Wurden bei den Überprüfungen die Kriterien des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Staatsschutzsachen (KPMD-S) bzw. des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) zugrunde gelegt oder die Gründe der in den einzelnen Fällen ergangenen Urteile? b) Wurden die aus der Zeit vor dem 1. Januar 2001 stammenden Fälle jemals anhand der ab diesem Zeitpunkt geltenden Kriterien des KPMD-PMK auf einen rechtsextremen Hintergrund überprüft? Zu 5) und a) Alle Sachverhalte wurden entsprechend der Kriterien des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Staatsschutzsachen (KPMD-S) beziehungsweise der Kriterien des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) und der in den Einzelfällen ergangenen Urteile überprüft. Zu b) Ja. 6. Welche Dokumente bzw. Akten wurden bei den Überprüfungen zugrunde gelegt? Siehe Antwort zu Frage 4. 7. Wurden im Rahmen der Überprüfungen Befragungen von Hinterbliebenen , Nebenklagevertretern, Polizisten, Staatsanwälten etc. durchgeführt? a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b) Wenn nicht, warum nicht? Nein. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2077 5 Zu a) Entfällt. Zu b) Die Überprüfungen fanden anhand der vorliegenden Aktenlage bei den Polizei- und Justizbehörden statt. In diesen Akten ist umfassend und präzise der jeweilige Erkenntnisstand zu den Fällen niedergeschrieben. 8. Zu welchen Ergebnissen führten die Überprüfungen im Einzelnen? Aufgrund der Überprüfungen wurden die in der Antwort zu Frage 1 unter 1., 6. und 7. genannten Sachverhalte der Politisch motivierten Kriminalität - rechts zugeordnet. 9. Hat die Landesregierung jemals die in Mecklenburg-Vorpommern seit der Wiedervereinigung begangenen Tötungsdelikte anhand der Kriterien des KPMD-PMK auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund überprüft? a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b) Wenn nicht, warum nicht? Die Fragen 9), a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Bei allen Ermittlungen im Zusammenhang mit Tötungsdelikten wird eine intensive und umfassende Untersuchung hinsichtlich der Motivlage für die Tatbegehung vorgenommen. Dies schließt die Prüfung auf die Indikatoren der Politisch Motivierten Kriminalität mit ein. Eine anlassbezogene retrograde Überprüfung der in Mecklenburg-Vorpommern seit der Wiedervereinigung begangenen Tötungsdelikte anhand der Kriterien des KPMD-PMK auf einen möglichen rechtextremen Hintergrund fand bislang entsprechend der Antwort zu Frage 2 statt.