Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 22. August 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2103 6. Wahlperiode 22.08.2013 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Karen Stramm, Fraktion DIE LINKE Betreuung und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie hat sich die Zahl der Menschen entwickelt, für die in den letzten 20 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern eine Betreuung bestellt wurde? Über die Zahl der Menschen, für die eine Betreuung bestellt wurde, liegen keine statistischen Angaben vor. Die bei den Amtsgerichten geführte Statistik weist nur die am Jahresende vorhandenen Betreuungsverfahren aus. In der folgenden Übersicht wird der seit 1995 jeweils am Jahres- ende vorhandene Bestand an Betreuungsverfahren dargestellt. Zahlen für den Zeitraum vor 1995 liegen nicht vor. Bestand an Betreuungsverfahren per: 31.12.1995 12.806 31.12.1996 14.565 31.12.1997 16.018 31.12.1998 18.334 31.12.1999 20.484 31.12.2000 22.104 31.12.2001 24.253 31.12.2002 25.934 31.12.2003 27.619 31.12.2004 29.466 31.12.2005 31.347 Drucksache 6/2103 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 31.12.2006 32.414 31.12.2007 32.999 31.12.2008 32.362 31.12.2009 33.099 31.12.2010 34.068 31.12.2011 34.557 31.12.2012 35.219 2. Gibt es Aussagen über die Entwicklung des Alters der Betreuten, der Entwicklung des Ausmaßes und der zeitlichen Dauer der Betreuungen pro Fall? Angaben über das Alter der Betreuten, das Ausmaß und die zeitliche Dauer der Betreuungen werden nicht statistisch erfasst. 3. Wie hat sich die Zahl der Betreuer in den letzten 20 Jahren entwickelt? Über die Zahl der Betreuer und der Berufsbetreuer liegen der Landesregierung keine Angaben vor. Die Zahl der Betreuer und Berufsbetreuer ist insbesondere nicht gleichzusetzen mit der Anzahl der Betreuungsverfahren. Es können sowohl in einem Betreuungsverfahren mehrere Betreuer als auch ein Betreuer in mehreren Betreuungsverfahren bestellt werden. 4. Gibt es Aussagen zur Entwicklung der Relation zwischen den verschiedenen Betreuungsmöglichkeiten, also der Betreuung durch Angehörige oder andere Nahestehende, durch Betreuungsvereine und durch Berufsbetreuer? Bei den Amtsgerichten werden statistische Sondererhebungen in Betreuungssachen geführt. In dieser manuell als Strichliste geführten Erhebung werden unter anderem auch Angaben erhoben, durch wen die erstbestellten Betreuungen im jeweiligen Berichtszeitraum über- nommen worden sind. Die mit dieser Erhebung ermittelten Daten werden in folgender Über- sicht ausgewiesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2103 3 Bei Verfahren über Erstbestellung Betreuung durch: 2003 2004 2005 2006 2007 1. Familienangehörige 4.003 3.879 3.777 3.319 3.335 2. sonstige ehrenamtliche Betreuer 409 387 305 333 309 3. Rechtsanwälte als Berufsbetreuer 47 25 27 56 60 4. sonstige Berufsbetreuer (freiberuflich) 1.120 1.331 1.149 1.145 1.116 5. Vereinsbetreuer 682 606 540 486 538 6. Behördenbetreuer 5 12 9 5 9 7. Verein 1 74 11 3 8. Behörde 4 2 6 1 0 Summe der Betreuerbestellungen (Erstbestellungen; Nummern 1 bis 8) 6.271 6.316 5.813 5.356 5.370 davon ehrenamtlich tätig (Nummern 1 bis 2) 4.412 4.266 4.082 3.652 3.644 in % 70,36 67,54 70,22 68,19 67,86 sonstige Betreuer (Nummern 3 bis 8) 1.859 2.050 1.731 1.704 1.726 in % 29,64 32,46 29,78 31,81 32,14 davon berufliche Betreuer (Nummern 3 bis 4) 1.167 1.356 1.176 1.201 1.176 in % 18,61 21,47 20,23 22,42 21,90 davon Vereinsbetreuer (Nummer 5) 682 606 540 486 538 in % 10,88 9,59 9,29 9,07 10,02 davon Sonstige (Nummern 6 bis 8) 10 88 15 17 12 in % 0,16 1,39 0,26 0,32 0,22 Bei Verfahren über Erstbestellung Betreuung durch: 2008 2009 2010 2011 2012 1. Familienangehörige 3.337 3.607 3.511 3.425 3.126 2. sonstige ehrenamtliche Betreuer 257 410 401 350 348 3. Rechtsanwälte als Berufsbetreuer 108 116 171 227 182 4. sonstige Berufsbetreuer (freiberuflich) 1.315 1.271 1.382 1.421 1.534 5. Vereinsbetreuer 663 627 692 613 616 6. Behördenbetreuer 6 4 5 46 2 7. Verein 6 5 3 3 2 8. Behörde 0 1 18 10 0 Summe der Betreuerbestellungen (Erstbestellungen; Nrn. 1 bis 8) 5.692 6.041 6.183 6.095 5.810 davon ehrenamtlich tätig (Nummern 1 bis 2) 3.594 4.017 3.912 3.775 3.474 in % 63,14 66,50 63,27 61,94 59,79 sonstige Betreuer (Nummern 3 bis 8) 2.098 2.024 2.271 2.320 2.336 in % 36,86 33,50 36,73 38,06 40,21 davon berufliche Betreuer (Nummern 3 bis 4) 1.423 1.387 1.553 1.648 1.716 in % 25,00 22,96 25,12 27,04 29,54 davon Vereinsbetreuer (Nummer 5) 663 627 692 613 616 in % 11,65 10,38 11,19 10,06 10,60 davon Sonstige (Nummern 6 bis 8) 12 10 26 59 4 in % 0,21 0,17 0,42 0,97 0,07 Drucksache 6/2103 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Wie hat sich die Zahl der Berufsbetreuer in den letzten 20 Jahren entwickelt? Siehe Antwort zu Frage 3. 6. Warum ist die Tätigkeit des Berufsbetreuers kein Beruf? Zum Betreuer bestellt das Betreuungsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen (§ 1897 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Das Betreuungsrecht knüpft mit dieser Grund- norm für die Tätigkeit des Berufsbetreuers an dessen Eignung an. Die Eignung ist nicht abstrakt zu bestimmen. Sie richtet sich an den unterschiedlichen Erfordernissen des Einzel- falls aus. Die Anforderungen an die zu bestellende Person variieren je nach Aufgabenkreis erheblich. Dabei ist die individuelle Eignung unter Berücksichtigung der Wünsche des Betroffenen und dessen Wohl festzustellen. Neben der formalen Qualifikation sind besondere Fähigkeiten, etwa im Umgang mit Menschen und die zu leistende persönliche Betreuung von Belang. Gesetzliches Leitbild ist die ehrenamtliche Betreuung. Die berufliche Betreuung ist demgegenüber nachrangig. Wer Betreuungen im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Betreuer bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamt- lichen Führung der Betreuung bereit ist (§ 1897 Absatz 6 BGB). Nach diesem Leitbild der ehrenamtlichen Betreuung geht der Bundesgesetzgeber davon aus, dass eine ehrenamtlich tätige Person ohne formelle Qualifikation grundsätzlich in der Lage ist, eine Betreuung zu führen. Das Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern vom 21. April 2005 (Vormünder - und Betreuervergütungsgesetz - VBVG) sieht bei Berufsbetreuern abhängig von der beruflichen Qualifikation unterschiedlich hohe Vergütungen vor. Die Betreuungs- bandbreite und der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung haben den Bundesgesetzgeber veranlasst, sich gegen eine gesetzliche Festlegung von Eignungskriterien und abstrakt-gene- rellen Regelungen zum Berufsbild für Berufsbetreuer zu entscheiden. 7. Gedenkt die Landesregierung, für eine Professionalisierung der Betreuung tätig zu werden (wenn ja, bitte Grundzüge, Maßnahmen und Zeitraum darstellen)? Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Diskussion über Qualitätsanforderungen in der Praxis vornehmlich auch auf der Ebene der Berufsverbände und in interdisziplinären Fachkreisen fortgesetzt werden sollte. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2103 5 Insgesamt dient ein breites Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen der Wahrung eines hohen Qualitätsstandards bei der Ausübung einer beruflichen Betreuung. Dies kommt den Betreuten zugute. Die Landesregierung begrüßt und unterstützt zudem landesweite Veranstaltungen für die im Kontext der rechtlichen Betreuung tätigen Professionen (zum Beispiel Betreuungstag Mecklenburg-Vorpommern, Fachtage für ehrenamtliche Betreuer). Neben der Öffentlichkeits- arbeit und dem geltenden Beratungssystem für ehrenamtliche Betreuungen, insbesondere auch der Querschnittstätigkeit der anerkannten Betreuungsvereine (§ 1908f BGB), sind weiter- gehende Maßnahmen nicht beabsichtigt. 8. Warum gibt es in Mecklenburg-Vorpommern keine überörtliche Betreuungsbehörde, wie beispielsweise in Sachsen? Bislang hat sich kein hinreichender Bedarf für die Einrichtung einer überörtlichen Betreuungsbehörde abgezeichnet. Diesbezügliche Aufgaben, wie etwa die Organisation des jährlich stattfindenden landesweiten Betreuungstages (Fortbildung) oder die Anerkennung der Betreuungsvereine, werden durch den auf freiwilliger Basis eingerichteten Landesarbeitskreis Betreuung sowie von den für das Anerkennungsverfahren zuständigen örtlichen Betreuungs- behörden geleistet. Ferner fördert das Landesamt für Gesundheit und Soziales auf Antrag der anerkannten Betreuungsvereine deren Querschnittsarbeit nach Maßgabe des Haushaltsplanes im Rahmen der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Betreuungsvereinen.