Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 20. Januar 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/213 6. Wahlperiode 23.01.2012 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Prof. Dr. Fritz Tack, Fraktion DIE LINKE Entwicklung der Biberpopulation und aufgetretene Schäden und ANTWORT der Landesregierung Bezugnehmend auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Schwebs „Biber in Mecklenburg-Vorpommern“ auf Drucksache 5/4017 frage ich die Landesregierung: 1. Wie groß ist die aktuelle Biberpopulation im Land? a) Wo befinden sich die Schwerpunkte der Population im Land? b) Wie hat sich die Biberpopulation in den letzten 10 Jahren ent- wickelt und ist angesichts der beschränkten Biberreviere eine weitere Vergrößerung der Population zu erwarten? Die Fragen 1, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Aus den Ergebnissen der landesweiten Biber-Revierkartierung, die im dreijährigen Turnus durchgeführt wird, wurde der Gesamtbestand an Bibern für Mecklenburg-Vorpommern hochgerechnet (siehe Tabelle). Die Größe der aktuellen Biberpopulation wird auf 1500 Individuen geschätzt. Tabelle: Geschätzte Gesamtbestände des Bibers in Mecklenburg-Vorpommern Jahr Geschätzter Bestand M-V 2002 350 Individuen 2005 720 Individuen 2008 1200 Individuen 2011 1500 Individuen Drucksache 6/213 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Gegenwärtig ist etwa die Hälfte der potentiellen Lebensräume des Landes MecklenburgVorpommern durch den Biber besiedelt, mit einem weiteren Anstieg der Population ist daher grundsätzlich zu rechnen. In den mittlerweile flächenhaft besiedelten Regionen (zum Beispiel Mittleres Warnowtal) stagniert dagegen die Population beziehungsweise die Populationsdichte ist leicht rückläufig, da die Habitatkapazität erreicht ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 der Kleinen Anfrage auf Landtagsdrucksache 5/4017 vom 16.12.2010 verwiesen. 2. Gibt es Schäden, die durch die Biberpopulation in den letzten Jahren verursacht wurden und wie hat sich die Schadenshöhe im Bereich der Forst- und Landwirtschaft sowie der Wasserwirtschaft entwickelt? a) Welche Schadensarten werden durch Biber hauptsächlich ver- ursacht? b) Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Schadenshöhe und der Größe der vorhandenen Population insgesamt bzw. an einem Standort? c) Gibt es territoriale Schadensschwerpunkte? Die Fragen 2, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Bislang sind der Landesregierung im Rahmen von Antragsverfahren auf Ausnahmegenehmigung zu § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz jährlich maximal zehn Einzelfälle zur Kenntnis gelangt. Dabei wurden folgende Konfliktbereiche benannt: - Überstau von (extensiv genutztem) Grünland, - kleinflächige Vernässungen von Äckern, - Vernässung beziehungsweise Überstau von Waldstandorten, - Fraßschäden an Forstkulturen, - staubedingte Vernässung von Infrastruktur (Straßen-/Bahndamm, (Torf-)Dämme an Gewässern). Das Ausmaß der auftretenden Konflikte wird von den konkreten Standort- und Rahmenbedingungen bestimmt, eine Beziehung zur Gesamtgröße oder lokalen Dichte der Biberpopulation kann nicht festgestellt werden. Naturräumlich bedingt kommt es im Bereich des Mittleren Warnowtales zu einer Häufung von Konflikten. Darüber hinaus lassen sich aufgrund der wenigen Einzelfälle pro Jahr keine territorialen Schwerpunkte ausmachen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/213 3 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Schadwirkungen der Biber im Zusammenhang mit dem Sommerhochwasser 2011? a) Welche Schäden traten auf und wie wurden diese Schäden ermittelt? b) Welche Schlussfolgerungen werden daraus für einzelne Regionen oder Gewässer abgeleitet? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die darauf schließen lassen, dass die Aktivitäten der Biber wesentlichen Einfluss auf die Folgen des Sommerhochwassers 2011 gehabt hätten. Zu a) Im Rahmen von Antragsverfahren auf Ausnahmegenehmigung zu § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz wurden zwei Konfliktfälle bekannt, die mit den Starkniederschlägen im Sommer 2011 in Verbindung stehen. In einem Fall kam es zu einer zeitweisen Bewirtschaftungseinschränkung einer gewässernahen Grünlandfläche. In einem zweiten Fall kam es zur Unterspülung eines bereits sanierungsbedürftigen Gewässerdammes durch eine eingefallene Bauanlage sowie zur Flutung der angrenzenden Polderfläche. In beiden Fällen waren Aktivitäten des Bibers nur eine von mehreren Ursachen. Die jeweiligen Schadenshöhen sind nicht bekannt. Zu b) Es ist beabsichtigt, die möglicherweise gefährdeten Bereiche von Dämmen und Deichen landesweit zu identifizieren, um dort im Rahmen von Gewässerschauen Bibersachverständige einzubinden. So kann das Konfliktpotential rechtzeitig erkannt und gemindert werden. 4. Sind wirtschaftlich vertretbare Schutzmaßnahmen bekannt, die die verursachten Schäden verringern oder verhindern können, ohne einen Eingriff in die bestehende Population vornehmen zu müssen? a) Welche Kosten würden durch den Einsatz solcher Schutzmaß- nahmen jährlich entstehen? b) Gibt es zum Ausgleich der Schäden einen entsprechenden Schadensfonds oder ist die Auflage/Einrichtung eines solchen Schadensfonds durch die Landesregierung vorgesehen? c) In welcher Höhe besteht dieser Fonds bzw. würde dieser Fonds einzurichten sein? Die Fragen 4 und a) werden zusammenhängend beantwortet. Drucksache 6/213 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Ja, es gibt geeignete Maßnahmen zur Schadensprävention beziehungsweise -minimierung. Die Höhe der dabei im Einzelfall anfallenden Kosten variiert in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten sehr stark. Maßnahmen zur Verhinderung von Fraßschäden sind beispielsweise vergleichsweise einfach und kostengünstig realisierbar (Verbissschutzmittel, Zäunung), der Einbau von Untergrabschutz an Gewässerdämmen und -deichen hingegen ist mit einem vergleichsweise hohen Aufwand verbunden. Zu b) Ein Fonds zum Ausgleich von durch Biber verursachten Schäden ist nicht vorgesehen, da Biberkonflikten in der Regel sehr gut präventiv zu begegnen ist. Es wird auf die Antwort zur Frage 2 b) auf Landtagsdrucksache 5/4017 vom 16.12.2010 verwiesen. Zu c) Entfällt. 5. Besteht in Mecklenburg-Vorpommern ein sogenanntes Bibermanagement , vergleichbar mit den in anderen Bundesländern? a) Wenn ja, wie ist dieses organisiert? b) Wenn nein, soll ein solches System aufgebaut und in welcher Form soll es gestaltet werden? Die Fragen 5, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 3 der Kleinen Anfrage auf Landtagsdrucksache 5/4017 vom 16.12.2010 verwiesen. Aufbauend auf den positiven Erfahrungen im Naturpark Sternberger Seenland ist darüber hinaus geplant, landesweit ein Netz von geschulten Betreuerinnen und Betreuern aufbeziehungsweise auszubauen, die in Konfliktsituationen vor Ort zeitnah und gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen vorschlagen und zum notwendigen Vorgehen beraten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/213 5 6. Ist derzeit ein Eingriff in die bestehenden Biberpopulationen im Rahmen und hinsichtlich der gesetzlichen Schutzregelungen möglich und wie kann sie erfolgen? a) Ist eine effektive Fortpflanzungssteuerung der Biberpopulation technisch möglich, rechtlich zulässig und zweckmäßig? b) Welche Möglichkeiten der tötungsfreien Biberjagd sind bekannt, rechtlich zulässig und zweckmäßig? c) Welche Kriterien für Eingriffe in die Population der Biber sieht die Landesregierung vor, oder hat sie vor zu entwickeln? Ausnahmegenehmigungen von den Schutzbestimmungen für streng geschützte Arten sowie ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten (Biberburgen und -dämme) können auf der Grundlage von § 45 Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz erteilt werden, sofern die gesetzlich vorgegebenen Ausnahmevoraussetzungen erfüllt sind. Genehmigte Maßnahmen müssen dabei zielführend und verhältnismäßig sein. In der bisherigen Praxis wurden zumeist Dammdränagen oder der Rückbau beziehungsweise Abtrag von Biberdämmen genehmigt. Zu a) Möglichkeiten zur technischen Steuerung der Fortpflanzung innerhalb von Biberpopulationen sind nicht bekannt. In flächenhaft besiedelten Gebieten setzt nachgewiesenermaßen eine intraspezifische Populationsregulation ein (vergleiche Mittleres Warnowtal, Mittelelbe). Zu b) Ein Lebendfang von Bibern ist möglich, erfordert allerdings geeignete Fallen, eine naturschutzrechtliche Genehmigung, besondere Sachkunde der ausführenden Person und Zeit. Der Lebendfang von Bibern wird jedoch als nicht zweckmäßig angesehen, um Landnutzungskonflikte zu lösen, da frei werdende Reviere in der Regel durch Zuwanderung erneut besetzt werden. Zu c) Die Kriterien für Ausnahmen von den Verboten des Artenschutzrechtes sind in § 45 Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz konkret benannt und werden bezogen auf den Einzelfall angewendet . Drucksache 6/213 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 7. Unter welchen Voraussetzungen wäre eine jagdliche Tötung der Biber zur Populationsreduzierung zulässig? a) Welche Jagdmethoden wären unter Berücksichtigung der Lebensgewohnheiten der Biber möglich, zulässig und zweckmäßig? b) Welche Auswirkungen hätten eine Aufhebung des Jagdverbotes und die damit verbundene Einstufung der Biber als jagdbares Wild außerdem? Voraussetzung für eine jagdrechtliche Tötung wäre eine vorherige Aufnahme der Tierart Biber in das Jagdrecht. Ein derartiger Bedarf wird nicht gesehen, zumal Artikel 12 FloraFauna -Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie - Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen) in Verbindung mit § 44 Bundesnaturschutzgesetz dem Erlass von Jagdzeiten entgegensteht. Zur Lösung von lokalen Konfliktfällen bieten die Ausnahmemöglichkeiten des Naturschutzrechts ausreichend Handlungsspielraum. Zu a) Aufgrund der Lebensgewohnheiten des Bibers wären sämtliche übliche Jagdarten und -methoden nicht anwendbar. Als einzig geeignete Jagdmethode käme der selektive Lebendfang in Betracht. Zu b) Es gibt für den Biber kein Jagdverbot, weil er nicht dem Jagdrecht unterliegt. Unterläge der Biber dem Jagdrecht, würden daraus eine ganzjährige Schonzeit und eine Hegeverpflichtung folgen.