Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 26. September 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2194 6. Wahlperiode 26.09.2013 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder und ANTWORT der Landesregierung Der erste Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder in Mecklenburg-Vorpommern wurde im Jahr 2001 veröffentlicht . Im Jahr 2005 erfolgte die erste Fortschreibung. Darin wurden weiterführende Ziele und Vorhaben für einen besseren Schutz von Frauen und Kindern als Opfer von häuslicher Gewalt formuliert. 1. Wann soll der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder zum zweiten Mal fortgeschrieben werden? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird unter Federführung der Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales an einem Konzept für den Dritten Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegenüber Frauen und Kindern gearbeitet. Es ist geplant, dass der Dritte Landesaktionsplan zum Ende des 4. Quartals 2015 veröffentlicht wird. Drucksache 6/2194 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Wer wird an der Fortschreibung mitwirken? Sobald das Konzept für den Dritten Landesaktionsplan vorliegt, ist beabsichtigt, den Landesrat zur Umsetzung des Landesaktionsplans zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder einzuberufen, um das Konzept vorzustellen. Mitglieder des Landesrates sind Vertreterinnen und Vertreter des Justizministeriums, des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, des Ministeriums für Inneres und Sport, des Ministeriums für Arbeit Gleichstellung und Soziales, die Koordinierungsstelle CORA, die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenhäuser, die Interventionsstellen mit angegliederter Kinder- und Jugendberatung, die Beratungsstellen für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt und die Täterberatung , die ZORA Fachberatungsstelle für Menschenhandel und Zwangsverheiratung, die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. 3. Wie oft tagten der Landesrat sowie die Arbeitsgruppen zur Umsetzung des Landesaktionsplanes seit Januar 2002? 4. Wann tagte der Landesrat zuletzt? Die Fragen 3 und 4 werden zusammenhängend beantwortet. Der Landesrat zur Umsetzung des Landesaktionsplans tagte zwei bis drei Mal jährlich; zuletzt im Februar 2008. Die Arbeitsgruppen zur Umsetzung des Landesaktionsplanes tagten in der Regel wie folgt: Der Arbeitsgruppe Gewalt und Gesundheit sowie die Arbeitsgruppe Täterarbeit tagten je nach Arbeitsauftrag zwei bis vier Mal jährlich. Die Arbeitsgruppe Gewalt gegen Frauen im Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung tagte vier bis fünf Mal im Jahr. 2007 endete die Arbeit der Arbeitsgruppe Gewalt gegen Frauen. Stattdessen wurde die Arbeitsgruppe Stalking eingerichtet, die sich mehrheitlich aus den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Gewalt gegen Frauen zusammengesetzt hat. Die Arbeitsgruppe tagte zwei bis vier Mal im Jahr. Nachdem die Arbeitsgruppe Stalking ihre Arbeit in 2012 beendet hatte, wurde eine neue Arbeitsgruppe zum Thema „Opferschutz“ eingerichtet. An dieser Arbeitsgruppe arbeiten mehrheitlich die Mitglieder der Arbeitsgruppe Stalking mit. Die neue Arbeitsgruppe hat in 2013 bisher zwei Mal getagt. Aus der Arbeit des Landesrates zur Umsetzung des Landesaktionsplanes ging auch der Interdisziplinäre Erfahrungsaustausch hervor, der zwei Mal jährlich zusammen kommt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2194 3 5. Wie und durch welche Maßnahmen konnte der Landesrat zur Umset- zung des Landesaktionsplanes den Prozess der Implementierung von neuen Handlungsstrategien in unterschiedlichen Institutionen begleiten und unterstützen? Der Landesrat zur Umsetzung des Landesaktionsplanes konnte neue Handlungsstrategien durch die interministerielle und interdisziplinäre Zusammensetzung der Arbeitsgruppen bewirken. Der Landesrat fungierte dabei als Motor und Schnittstelle zwischen den Ressorts. Durch den fachlichen Austausch von unterschiedlichen Institutionen und den damit verbundenen unterschiedlichen Blickwinkeln auf das Thema Gewalt gegen Frauen wurden zwei Landesaktionspläne durch den Landesrat ausgearbeitet und weiterentwickelt. Schwerpunkt des Landesrates zur Umsetzung des Landesaktionsplanes war die erstmalige Entwicklung von Statistiken zu häuslicher Gewalt und Stalking in den betreffenden Ressorts, (Ministerium für Inneres und Sport und Justizministerium), um über eine empirische Datengrundlage für die Weiterentwicklung der Interventionen und Maßnahmen zu verfügen. Die Statistiken werden regelmäßig geführt. Ein Austausch findet im landesweiten interdisziplinären Erfahrungsaustausch statt. Die Datenübermittlung der Polizei an die Interventionsstellen wurde in MecklenburgVorpommern durch ein im Oktober 2001 novelliertes Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG M-V) und einen Erlass des Innenministeriums ermöglicht. Die Platzverweisung im Gefahrenabwehrrecht (§ 52 SOG M-V) wurde um die Wegweisung und das Betretungs- und Aufenthaltsverbot erweitert (§ 52 Absatz 2 SOG M-V). Mit diesen verbesserten polizeilichen Befugnissen wurde die pro-aktive Kontaktaufnahme durch die Interventionsstellen erst möglich. Diesem Entwicklungsprozess ging eine intensive Auseinandersetzung mit den praktischen Erfordernissen aus Sicht der Polizei und den Frauenunterstützungseinrichtungen sowie mit den österreichischen Erfahrungen mit deren Gewaltschutzgesetz voraus. Durch den Erlass der Parlamentarischen Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung vom 5. Februar 2002 wurden nach einer vorangegangenen Modellphase des Interventionsprojektes CORA landesweit fünf Interventionsstellen eingerichtet und anerkannt. Die pro-aktiv arbeitenden Einrichtungen sind seither an der Gefahrenabwehr beteiligt und werden ausschließlich durch das Land gefördert. Flankierend zum am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetz (GewSchG) wurde mit den fünf Interventionsstellen ein Bindeglied in der staatlichen Interventionskette zwischen polizeirechtlichen Möglichkeiten sowie zivil- und strafrechtlichem Schutz in Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet. Um die Belange von Kindern als Mitbetroffene und Zeugen häuslicher Gewalt zu berücksichtigen , wurde 2005 eine speziell auf die pro-aktive Arbeit ausgerichtete „Kinder- und Jugendberatung“ entwickelt. Nach einer dreijährigen Modellphase wurde im Mai 2008 allen fünf Interventionsstellen eine Kinder- und Jugendberatung angeschlossen. Das Land fördert seitdem je eine Vollzeitstelle zur Erfüllung dieser Aufgabe. Drucksache 6/2194 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Im Zusammenhang mit dem in 2007 in Kraft getretenen Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 des Strafgesetzbuches) sind in Mecklenburg-Vorpommern in allen Staatsanwaltschaften Sonderdezernate für den Bereich häusliche Gewalt und Stalking eingerichtet worden. Durch diese organisatorische Maßnahme hat sich die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften mit den Interventionsstellen und der Polizei nachhaltig verbessert. Darüber hinaus wird im sogenannten „Stalking-Erlass“ des Ministeriums für Inneres und Sport vom 12. November 2009 der polizeiliche Umgang mit Stalking-Fällen geregelt. Mit Beginn des Jahres 2010 wurde die Beratung von Betroffenen von Stalking den Interventionsstellen übertragen. Die Arbeitsgruppe Gewalt gegen Frauen im Landesrat zur Kriminalitätsvorbeugung beendete 2007 ihre Arbeit an dem Leitfaden „Empfehlungen für die ARGE zum Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen in M-V“. Der Leitfaden wurde den kommunalen Spitzenverbänden in Mecklenburg-Vorpommern sowie der Bundesanstalt für Arbeit und der Regionaldirektion Nord zugeleitet. Darüber hinaus wurde der Leitfaden zur flächendeckenden Verbreitung an die Landesarbeitsgemeinschaften der Beratungs- und Hilfeeinrichtungen und die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten verteilt, um die Arbeitsagenturen zu informieren und die Situationen der gewaltbetroffenen Frauen vor Ort zu verbessern. In der Arbeitsgruppe Stalking wurde 2009 eine Informationsbroschüre für Betroffene entwickelt und veröffentlicht. 2010 wurde als Arbeitsgrundlage für verschiedene Professionen eine Informationsbroschüre „Stalking“ zum Umgang mit dem Phänomen Stalking in Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet und veröffentlicht sowie 2010 ein landesweiter Fachtag zum Thema Stalking durchgeführt. Der Landesrat zur Umsetzung des Landesaktionsplans hatte sich die Entwicklung eines Konzeptes zur Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution zum Ziel gesetzt. Im Mai 2009 nahm die ZORA Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution ihre Arbeit auf. Seit 2012 wurden die Aufgaben von ZORA um das Thema Zwangsverheiratung erweitert. Darüber hinaus wurden an den Gerichten Zeugenzimmer eingerichtet, die besonders für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt von Bedeutung sind. Auch wurde eine Kind- beziehungsweise betroffenengerechte Vernehmungspraxis mit Videoaufnahmetechnik erreicht. Es wurde ein Leitfaden für die Landespolizei zum Umgang mit Fällen häuslicher Gewalt erarbeitet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2194 5 6. Welche Vorhaben sind hinsichtlich der in der ersten Fortschreibung benannten Problemfelder Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen, Migrantinnen und Kinder sowie die gesundheitliche Versorgung der Opfer geplant? Der Landesregierung ist bekannt, dass Frauen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen stärker von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffen sind als nicht beeinträchtigte oder behinderte Frauen und dass dieser Betroffenenkreis das Beratungs- und Hilfenetz kaum in Anspruch nimmt. Es wird gegenwärtig nach Möglichkeiten gesucht, ein erstes barrierefreies Frauenhaus in Mecklenburg-Vorpommern einzurichten. Der Auftrag der Fachberatungsstelle ZORA wurde 2012 um das Thema „Zwangsverheiratung “ erweitert. An Zora wenden sich neben den Betroffenen auch Familienangehörige. Die Familienangehörigenberatung bildet einen Schwerpunkt der Arbeit von ZORA. Alle neun Frauenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern nehmen Migrantinnen und ihre Kinder unabhängig davon auf, wer die Kosten der Unterbringung übernimmt. Damit Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt unabhängig von einer Strafanzeige ihre Verletzungen gerichtsfest und kostenlos dokumentieren lassen können, wurden im November 2010 in den Instituten für Rechtsmedizin an den Universitäten Greifswald und Rostock im Wege eines Modellversuchs Opferambulanzen eingerichtet. Zwischenzeitlich sind die beiden Opferambulanzen fester Bestandteil des Beratungs- und Hilfenetzes. 7. Welche Maßnahmen zur Sensibilisierung und fachlichen Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen im Hinblick auf die Gewalt als eine der häufigsten Ursachen für körperliche, psychosomatische und psychische Probleme haben seit 2005 stattgefunden ? In der Arbeitsgruppe Gewalt und Gesundheit wurde ein Leitfaden für das Gesundheitswesen zum Umgang mit Fällen von häuslicher Gewalt erarbeitet. Zusätzlich wurden begleitende Informationsmaterialien zur Bekanntmachung des Leitfadens und Informationsmaterial für Patientinnen und Patienten erstellt. Ab 2005 erfolgten eine umfangreiche Bekanntmachung des Leitfadens für das Gesundheitswesen mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit (Information in den Ärzteblättern, eine Serie über die Dokumentation von Verletzungen im Ärzteblatt, Versand des Flyers zum Leitfaden über die kassenärztliche Vereinigung), die Erstellung von Öffentlichkeitsmaterialien für die Patientinnen und Patienten (Notfallkärtchen) und Fortbildungsmöglichkeiten für das medizinische Personal (Vorlesungsreihe in der Ausbildung von Medizinern und Medizinerinnen an der Universität Greifswald, Seminar auf dem Hausärztetag Mecklenburg-Vorpommern zur gesundheitlichen Versorgung gewaltbetroffener Frauen). Drucksache 6/2194 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeitsgruppe lag auf der Vorbereitung und Durchführung von Fachtagungen zur Sensibilisierung der Ärzteschaft. Es wurden ein Grundkonzept für eine Tagesveranstaltung erstellt und Möglichkeiten diskutiert, wie möglichst viele Mediziner und Medizinerinnen im Land mit der Veranstaltung erreicht werden könnten. An dieser Stelle ist anzumerken, dass sowohl die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern als auch die Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern in der Arbeitsgruppe mitwirken. Bei der Aktualisierung des Leitfadens „Gewalt gegen Kinder - Ein Leitfaden für Ärzte und Institutionen in Mecklenburg-Vorpommern“ ergab sich eine enge Kooperation mit der Techniker Krankenkasse. Ab 2007 führte die Techniker Krankenkasse zu dem Leitfaden Veranstaltungen durch. In 2008 und 2009 fanden in Kooperation mit der Parlamentarischen Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung, den beiden Ärztekammern und der Techniker Krankenkasse eine Fachtagung für die Ärzteschaft zum Thema „Gewalt in der Familie - Früh erkennen- richtig handeln“ sowie eine Fachtagung zum Thema „Gewalt gegen Frauen – Zwischen Schweigepflicht und Strafanzeige“ statt. Es ist geplant, im kommenden Jahr eine Fachtagung für die Ärzteschaft zum Thema „Gerichtsfeste Befunddokumentationen“ durchzuführen. 8. Inwiefern konnten Angebote der Gesundheitsversorgung traumatisierter Frauen sowie Kinder mit Gewalterfahrung weiterentwickelt werden? Im März 2013 haben die ersten beiden Trauma-Ambulanzen in Greifswald und Stralsund ihre Arbeit aufgenommen. Traumatisierte Gewaltopfer haben hier die Möglichkeit, schnellere psychotherapeutische Hilfe zu erhalten. Weitere Trauma-Ambulanzen sind in Rostock, Schwerin und Neubrandenburg geplant. 9. Wie oft und mit welchen Ergebnissen tagte bislang der von der Landesregierung einberufene Arbeitskreis Gewalt und Gesundheit? Siehe Antworten zu Frage 3 und Frage 5. 10. Wann tagte der Arbeitskreis zuletzt? Der Arbeitskreis tagte zuletzt im Mai 2011.