Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2195 6. Wahlperiode 10.10.2013 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt und Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder und Kinderschutzmaßnahmen und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie viele Kinder waren in den Jahren 2005 bis 2013 direkt oder indirekt von häuslicher Gewalt betroffen (bitte nach Alter des Kindes sowie Art der Gewaltdelikte unterscheiden)? Während der Laufzeit des Modellprojektes „Kinder- und Jugendberatung in Fällen häuslicher Gewalt“ in den Interventionsstellen Rostock und Schwerin in der Zeit von Mai 2005 bis Dezember 2007 wurden 917 Fälle häuslicher Gewalt bekannt, in denen Kinder mit im Haushalt lebten. Insgesamt handelte es sich um 1.588 mitbetroffene Kinder und Jugendliche. Eine Kinder- und Jugendberatung kam in 178 der 917 Fälle mit Kindern zustande. In den beratenden Familien lebten insgesamt 347 Kinder und Jugendliche. Insgesamt wurden 225 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 0 und 17 Jahren beraten. Nicht erhoben wurde, ob die Kinder und Jugendlichen direkt oder indirekt von häuslicher Gewalt betroffen gewesen sind. Seit Mai 2008 gibt es an allen fünf Interventionsstellen eine Kinder- und Jugendberatung. Ab Mai 2008 bis Dezember 2012 waren 8.248 Kinder und Jugendliche Mitbetroffene von Gewalt. Nicht erhoben wurde, ob die Kinder und Jugendlichen direkt oder indirekt von häuslicher Gewalt betroffenen gewesen sind. Insgesamt wurden 2.035 Kinder- und Jugendliche im Alter zwischen 0 und 17 Jahren in den Familien beraten. Drucksache 6/2195 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Welche Projekte zur Entwicklung und Erprobung von Programmen für Kinder, die durch häusliche Gewalt traumatisiert sind, wurden seit 2005 von der Landesregierung unterstützt? Die Landesregierung hat seit 2005 folgende Programme im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe unterstützt, die mittelbar und unmittelbar auf Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, ausgerichtet sind: Förderprojekte zur Gewaltprävention beziehungsweise zum Kinder- und Jugendschutz Jahre 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Aktivitäten der Geschäftsstelle/Deutscher Kinderschutzbund Landesverband M-V x x x x Kinder- und Jugendtelefon/Deutscher Kinderschutzbund/HGW x x x x x x x x x Kinder- und Jugendtelefon/Deutscher Kinderschutzbund/SN x x x x x x x x x Elterntelefon/Deutscher Kinderschutzbund/HGW x x Kinderschutzhotline M-V x x x x x x Bündnis Kinderschutz einschl. Praxisbegleitsystem M-V x x x Förderung der Familienhebammen in M-V x x x x Förderung von Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen in M-V x x x x x Förderung von Schwangerschaftsberatungsstellen in M-V x x x Modellprojekt Prof. Fallsteuerung im JA x x x FuN® in M-V - landesweites Projekt Familie und Nachbarschaft; Familienbildungsprogramm in Kitas in Kooperation mit anderen sozialen Diensten x x x Koordination Pränataldiagnostik - interprofessionelle Qualitätszirkel x x Familienbotschaft M-V - www.familienbotschaft-mv.de x x x Landesprojekt Eltern stark machen in M-V - Vernetzung und Implementierung von Elternkursen in M-V x x x "Neue Wege für Männer und Väter in M-V" - Ein Modellprojekt zu Geschlechter- und Väterrollen in M-V x Familienpateninitiative x x x Projekt "babybedenkzeit" x x x Projekt "Ziggy zeigt Zähne" - Präventionsprojekt gegen sexuelle Gewalt x x Familienratgeber M-V x Stärkung und Förderung von Elternkompetenzen x x x Kinder in der Pubertät - Grenzen finden, Grenzen setzen x x x 100 Tipps für junge Väter - Projekt zur praktischen Unterstützung junger Väter in M-V x Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2195 3 3. Inwiefern konnte der Erfahrungsaustausch zwischen den Mitarbeite- rinnen und Mitarbeitern der Unterstützungseinrichtungen und Jugendämter intensiviert werden? Am 14. und 15. März 2013 fanden in Schwerin und Greifswald Fachtage zum Sorge- und Umgangsrecht in Fällen häuslicher Gewalt statt. Familienrichterinnen und Familienrichter sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter waren Zielgruppe der beiden Fachtage und wurden entsprechend vom Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales eingeladen. Darüber hinaus hat auf der Sitzung der Arbeitsgruppe „Amtsvormünder“ am 19. Juni 2013 in Güstrow die Beraterin der Kinder- und Jugendberatung der Interventionsstelle Rostock teilgenommen und zum Thema Umgangs- und Sorgerecht bei häuslicher Gewalt referiert. 4. Welche Maßnahmen zur Sensibilisierung und fachlichen Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der frühkindlichen Bildung, der Schulen und der Kinder- und Jugendarbeit im Hinblick auf die Gewalt als eine der häufigsten Ursachen für körperliche, psychosomatische und psychische Probleme haben seit 2005 stattgefunden ? Im Rahmen der Lehrkräftefortbildung des Instituts für Qualitätsentwicklung MecklenburgVorpommern (IQ M-V) werden Lehrkräfte des Landes zur Gewaltprävention geschult. Dabei stehen Themen wie Mobbing, Krisenmanagement und körperliche Gewalt im Vordergrund. Seit dem 1. September 2010 werden Fachkräfte der Jugendämter und andere im Kinderschutz tätige Akteure durch das „Bündnis Kinderschutz M-V“ fachlich beraten und begleitet. Grundlage hierfür ist eine Kooperationsvereinbarung, die zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten, dem Land sowie der Start gGmbH als Projektträger abgeschlossen wurde. Neben Angeboten der fachlichen Beratung, der Entwicklung gleichwertiger Standards in der Kinderschutzarbeit sowie der Unterstützung interdisziplinärer Fortbildungen werden Leistungen zur fallbezogenen Reflexion und Supervision erbracht. Darin eingeschlossen sind auch grundlegende Fragen zum Umgang mit Kindeswohlgefährdungen und deren Ursachen. Darüber hinaus bietet das Zentrum für Praxis und Theorie der Jugendhilfe e. V. - Schabernack verschiedene Fortbildungen zur Qualifizierung der Fachkräfte im Kinder- und Jugendschutz an. Drucksache 6/2195 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Sind die Aufgaben der Kriminalitätspräventionsräte in den Kom- munen um den Inhalt „Kinder und häusliche Gewalt“ erweitert worden ? Eine Erweiterung der Aufgaben der kommunalen Präventionsräte war nicht notwendig, da die Problematik "Kinder und häusliche Gewalt" von jeher zu den originären Handlungsfeldern in der kommunalen Präventionsarbeit zählt. Die Gewichtung der Handlungsfelder erfolgt eigenständig durch die einzelnen kommunalen Präventionsräte. Der Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung (LfK) im Ministerium für Inneres und Sport hat in der Broschürenreihe „Impulse“ bereits verschiedene Handlungsempfehlungen unter anderem für die kommunale Präventionsarbeit herausgegeben. Zu nennen sind hier die bereits 2003 erschienene Ausgabe "Häusliche Gewalt“ und die 2005 veröffentlichte Ausgabe „Am Rande der Wahrnehmung“, die sich speziell mit dem Thema Kinder und Häusliche Gewalt befasst. Eine Neufassung der letztgenannten Broschüre wurde 2012 unter dem Titel "Kinder als Opfer häuslicher Gewalt" veröffentlicht. 6. Welche Projekte zur Aufklärung von Jungen und Mädchen zur Gewalt gegen Kinder wurden seit 2005 von der Landesregierung unterstützt? Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit besuchen die Beraterinnen der Beratungsstellen für häusliche und sexualisierte Gewalt regelmäßig Schulen und klären zu dem Thema auf. Durch den Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung im Ministerium für Inneres und Sport wurden seit 2005 mehrfach theaterpädagogische Projekte ("Mein Körper gehört mir") sowie Sicherheitsschulungen für Grundschüler gefördert. Im Fokus dieser Projekte standen die Stärkung des Ichs und des Selbstvertrauens der Kinder sowie die Sensibilisierung für Gefahrensituationen und die Vermittlung von Techniken, wie mit diesen Situationen richtig umgegangen werden kann. 7. Wie viele Veranstaltungen wurden durch das Landesjugendamt seit 2005 mit welchen konkreten Themen zur Verbesserung der Kooperation und des Erfahrungsaustausches im überregionalen Raum angeboten ? Eine Darstellung der Veranstaltungen kann rückwirkend nur für den Zeitraum ab 2009 erfolgen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2195 5 Danach wurden folgende Zusammenkünfte zur Verbesserung der Kooperation und des überregionalen Erfahrungsaustausches durch das Landesjugendamt durchgeführt: Veranstaltungen des Landesjugendamtes Jahre 2009 2010 2011 2012 2013 ASD-Leiter Tagungen zu diversen Themen der Hilfen zur Erziehung 1 2 2 1 2 Fachtag Professionelle Fallsteuerung im Jugendamt 1 Heimleitertagung „Partizipation und Beschwerdemanagement “ als gemeinsame Veranstaltung des Landes und des Landesjugendamtes 1 Darüber hinaus bietet die jährlich stattfindende Landeskinderschutzkonferenz seit 2007 ausreichend Raum für den überregionalen Erfahrungsaustausch. Gleiches gilt für den Kinderund Jugendhilfekongress, der seit 2009 alle zwei Jahre stattfindet. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 8. Welche wirksamen Hilfeansätze haben sich in der Praxis bewährt und welcher hieraus abgeleitete niedrigschwellige Hilfekanon wurde für Mecklenburg-Vorpommern entwickelt bzw. dient aktuell als Handlungsgrundlage ? Zusätzlich zu allen übrigen Maßnahmen der Landesregierung steht für die Vermittlung von Hilfs- und Beratungsangeboten der Schulpsychologische Dienst bei den Staatlichen Schulämtern Schwerin, Greifswald, Neubrandenburg und Rostock für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Erziehungsberechtigte zur Verfügung. Um Hilfe zu ermöglichen, informiert die Landespolizei nach jedem Einsatz im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt das Jugendamt, soweit Kinder oder Jugendliche in der Familie leben. In Fällen mit dringendem Handlungsbedarf für das Jugendamt benachrichtigt die Polizei den Bereitschaftsdienst des jeweiligen Jugendamtes. Zudem wird die Situation von Kindern oder Jugendlichen in die Entscheidung über polizeiliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr , wie zum Beispiel Wegweisung, Betretungsverbot für Kindertagesstätte/Schule und Gefährderansprache einbezogen. Handlungsgrundlage ist das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V). Drucksache 6/2195 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 9. Welche Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit wurden eingeführt? Die Techniker Krankenkasse, Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern hat im April 2013 einen aktualisierten Leitfaden für die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern 2013 zum Thema Gewalt gegen Kinder herausgegeben. An dem Leitfaden haben unter anderem das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales, das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, das Ministerium für Inneres und Sport sowie das Justizministerium mitgearbeitet. Seitens des Ministeriums für Inneres und Sport wurde die Öffentlichkeit über die Maßnahmen des LfK informiert. 10. Seit wann wird ein Abgleich zwischen den unterschiedlichen Statistiken der Polizei, Justiz und den Unterstützungseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern vorgenommen und mit welchem Ergebnis ? Seit Anfang 2003 werden im Rahmen des Landesrates zur Umsetzung des Aktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder Statistiken über Häusliche Gewalt von Justiz, Polizei und Unterstützungseinrichtungen für Betroffene von Häuslicher Gewalt und Stalking ausgetauscht und ausgewertet. Zudem findet seit September 2005 unter der Leitung von CORA (Contra Gewalt gegen Frauen und Kinder in Mecklenburg-Vorpommern) zweimal im Jahr ein interdisziplinärer Erfahrungsaustausch statt. Hieran nehmen unter anderen Vertreter des Ministeriums für Inneres und Sport, des Justizministeriums, der Staatsanwaltschaften , der Polizeibehörden, der Interventionsstellen und der Frauenunterstützungseinrichtungen teil. Auch dort werden die jeweiligen Statistiken ausgewertet.