Die Finanzministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 16. Januar 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/222 6. Wahlperiode 17.01.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jeannine Rösler, Fraktion DIE LINKE Gender Budgeting im Haushaltsaufstellungsverfahren und ANTWORT der Landesregierung 1. Inwieweit wird Gender Budgeting als Teilstrategie des Gender Mainstreaming bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2012/2013 berücksichtigt? Der Entwurf des Doppelhaushalts 2012/2013 wird nicht äußerlich sichtbar unter der Prämisse „Gender Budgeting“ aufgestellt. Geschlechterspezifische Aspekte fließen in die veranschlagten Ansätze ein, soweit die vom Land wahrgenommenen Aufgaben dies erfordern. 2. Wie bewertet die Landesregierung grundsätzlich eine Haushaltsaufstellung und Haushaltsführung unter dem Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit ? Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit sind erstrebenswerte Ziele. Allerdings ist der Landeshaushalt zur Durchsetzung dieser Ziele ungeeignet. Ein Haushalt hat in erster Linie Ermächtigungsfunktion und wirkt nur im Innenverhältnis, das heißt Dritte haben keinen Anspruch darauf, dass der Haushalt wie veranschlagt auch durchgeführt wird. Die Durchführung des Haushalts wie auch die Umsetzung genderpolitischer Ziele obliegt den einzelnen Fachressorts nach den dort vorliegenden Erkenntnissen. Um den Landeshaushalt entsprechend dem Ziel des Gender Budgeting auszugestalten, müssten in letzter Konsequenz sämtliche Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsplan daraufhin untersucht werden, auf welche Bevölkerungsteile sie entfallen. Drucksache 6/222 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Das würde einen enormen Evaluationsaufwand nach sich ziehen, da entsprechendes Ausgangsmaterial fehlt. Statistiken müssten neu geschaffen beziehungsweise vorhandene erweitert werden. Allein dies würde - einschließlich des laufenden Pflegeaufwands - zu einem erheblichen Mehraufwand führen. Das Personal des Landes müsste entgegen der Prämisse des Landespersonalkonzepts für Zwecke des Gender Budgeting aufgestockt werden. Bei umfassender Anwendung des Gender Budgeting müsste ein großer Teil der bisherigen Titel zweifach ausgewiesen werden. Entgegen den jahrelangen Bemühungen der Haushaltsmodernisierung , Titel möglichst zusammenzufassen und den Haushalt dadurch lesbarer zu gestalten, würde dieser nunmehr aufgebläht und an Transparenz nicht gewinnen, sondern eher verlieren. Darüber hinaus ist eine geschlechterspezifische Zuordnung vielfach gar nicht möglich: Bei den Einnahmen - namentlich Steuereinnahmen - müsste untersucht werden, welche Bevölkerungsteile welchen Steueranteil leisten. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil ein erheblicher Anteil der Einnahmen des Landes Mecklenburg-Vorpommerns über den Länderfinanzausgleich erfolgt. Diese Mittel sind einer Gender-Analyse nicht zugänglich. Aber auch die originären Steuereinnahmen des Landes lassen sich - soweit eine Erhebung mit dem Steuergeheimnis überhaupt vereinbar ist - nicht geschlechtermäßig trennen, zum Beispiel bei Unternehmenssteuern oder zusammen veranlagten Ehegatten. Bei den Ausgaben müssten grundsätzlich alle Ausgaben geteilt ausgewiesen werden. Daneben müsste der Stellenplan getrennt ausgewiesen werden. Bei bestimmten Ausgabearten wie zum Beispiel Investitionsausgaben und Sachausgaben des Landes oder Zuweisungen an die Kommunen ist eine geschlechterspezifische Zuordnung schlechterdings nicht möglich. Aber auch bei Ausgaben im Rahmen politischer Programme - zum Beispiel Fördermittelvergabe , Bildungsausgaben, Gesundheitsausgaben - ist die geschlechterspezifische Zuordnung nicht darstellbar. Abgesehen von wenigen speziell an Geschlechtern ausgerichteten Programmen ist nicht planbar wer später Empfänger von Leistungen sein wird. Mittel - insbesondere auch Fördermittel - sind grundsätzlich entsprechend dem jeweiligen (Förder-) Zweck auszureichen. Hier darf aus Rechtsgründen das Geschlecht keine Rolle spielen, denn der Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Grundgesetz) lässt - gemessen an den Tatbestandsvoraussetzungen - die Geschlechtszugehörigkeit des Empfängers in der Regel als „sachfremde Erwägung“ erscheinen. Im Ergebnis wäre eine geschlechterspezifische Darstellung auf Ebene des Haushaltsplans kaum steuerungsrelevant. Es würde mit großem Aufwand ein zusätzliches Datenvolumen geschaffen werden, das die Haushaltsdarstellung und Planung erheblich beeinträchtigte, ohne nennenswert verwertbare Ergebnisse zu liefern. Geschlechterspezifische Betrachtungen sind sinnvoll auf der Fachebene, namentlich bei der Gestaltung von Regelungen (Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien). Hier kann in geeigneten Fachgebieten die Verteilung auf die Geschlechter betrachtet und bei Bedarf justiert werden. Dies hat dann auch - im Gegensatz zu einer Darstellung im Haushalt - eine bindende Außenwirkung. Die Erkenntnisse auf der Fachebene bilden anschließend die Grundlage für die Haushaltsansätze. Insoweit fließt ein realistisch unterlegter Teil „gegenderter“ Ausgaben in den Haushalt ein. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/222 3 3. Plant die Landesregierung, Pilotprojekte zur Einführung von Gender Budgeting zu entwickeln und durchzuführen? Wenn ja, in welchen Bereichen, ab wann und in welchem zeitlichen Rahmen sollen diese Projekte durchgeführt werden? Nein. 4. Wie bewertet die Landesregierung Pilotprojekte zur Einführung von Gender Budgeting in anderen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt, Berlin oder Bremen? Der Landesregierung liegen keine detaillierten Erkenntnisse über die Pilotprojekte anderer Länder vor. Deutlich wird einerseits, dass dieses ein sehr aufwendiges und komplexes Verfahren ist, das auf einer Genderwirkungsanalyse basiert und Genderkompetenz bei allen Beteiligten voraussetzt. Andererseits wird die Fachbezogenheit sichtbar. Soweit aus dem Haushaltsplan des Landes Sachsen-Anhalt ersichtlich, gibt es dort nur vereinzelte Titel, aus denen Elemente wie Chancengleichheit oder Geschlechtergerechtigkeit erkennbar sind. Zu den Ländern Berlin und Bremen ist anzumerken, dass diese als Stadtstaaten auch kommunale Aufgaben wahrnehmen, die sich tendenziell eher für eine Gender-Betrachtung eignen als Landesaufgaben. 5. Sieht die Landesregierung vor, Gender Budgeting als grundlegendes Instrument bei der Aufstellung des Landeshaushaltes einzuführen? Nein.