Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 27. Januar 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/240 6. Wahlperiode 30.01.2012 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vereinbarkeit von Amt und Mandat auf Kreistagsebene vor dem Hintergrund des Urteils des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg und eigenen landesgesetzlichen Regelungen und ANTWORT der Landesregierung Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat mit Beschluss vom 26.08.2011 die Verfassungsbeschwerde eines hauptamtlichen Bürgermeisters zurückgewiesen (VerfGBbg, Beschluss vom 26.08.2011 - VfGBbg 6/11). Es bestätigte demnach seine Entscheidung vom 17. September 1998, dass die Regelung im brandenburgischen Kommunalwahlgesetz (BbgKWahlG, § 12 Abs. 2 S. 1) verfassungsgemäß ist, wonach hauptamtliche Bürgermeister nicht zugleich Mitglied des Kreistags sein können. Die Interessenkollisionen, denen die betroffenen Personen bei der Ausübung von Amt und Mandat unterliegen könnten, seien noch immer groß genug, um in das von der brandenburgischen Landesverfassung verbürgte passive Wahlrecht und die Wahlrechtsgleichheit einzugreifen. Auch Artikel 71 Abs. 3 der Verfassung des Landes MecklenburgVorpommern erlaubt die Einschränkung der Wählbarkeit im Rahmen des Art. 137 GG. Diese verfassungsrechtliche Erlaubnis ist - anders als in Brandenburg - in § 25 Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern nicht ausgeschöpft worden. In der Fachliteratur zum Landesrecht wird auf diese Problematik schon seit längerem hingewiesen (vgl. u. a. Sauthoff: Unvereinbarkeit von Amt und Mandat. In: Manssen, Sauthoff, Glaser (Hrsg.): Schwerpunktfragen der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Deutscher Kommunal-Verlag, Vieselbach 1996, S. 25 ff.). Drucksache 6/240 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 In Mecklenburg-Vorpommern sind momentan 42 hauptamtliche Bürgermeisterinnen / Bürgermeister gleichzeitig Mitglied in einem der sechs Kreistage des Landes. Die §§ 25, 105 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern fordern bereits, dass Mitglieder der Gemeindevertretungen und der Kreistage nicht gleichzeitig Bedienstete der kommunalen Verwaltung auf Kreisebene sein sollen. § 53 Abs. 1 Nr. 5 des KommunalwahlG Mecklenburg-Vorpommern von 2003 bzw. § 65 Abs. 1 Nr. 6 des Landes- und KommunalwahlG M-V von 2010 sehen ausdrücklich vor, dass Kreistagsmitglieder, die zu Bürgermeisterinnen /Bürgermeister ernannt werden, ihren Sitz im Kreistag verlieren. Eine ausdrückliche Regelung zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat auf Kreisebene ist in der Kommunalverfassung MecklenburgVorpommerns nicht vorhanden. 1. Zu welcher rechtlichen Einschätzung kommt die Landesregierung zu der dargestellten Problematik vor dem Hintergrund der vorgenannten Urteilsbegründung des Landesverfassungsgerichtes Brandenburg? Inwiefern ist die Urteilsbegründung auf die Rechtslage in Mecklenburg -Vorpommern übertragbar? Die dargestellte Problematik der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlich angeordneten Unvereinbarkeit eines Amtes als hauptamtlicher Bürgermeister beziehungsweise hauptamtlichen Bürgermeisterin mit einem Kreistagsmandat stellt sich in Mecklenburg-Vorpommern nicht, weil es eine dahingehende gesetzliche Bestimmung nicht gibt. Aus dem gleichen Grund ist die Urteilsbegründung des Landesverfassungsgerichts Brandenburg auf die hiesige Rechtslage auch nicht übertragbar. 2. Kann die Landesregierung die Begründung des Urteils nachvollziehen und stimmt sie der Urteilsbegründung zu? Die Argumentation des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg erscheint auf der Grundlage der dort bestehenden gesetzlichen Bestimmungen plausibel. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/240 3 3. Ist die Landesregierung der Meinung, dass eine Unvereinbarkeits- regelung, in diesem Fall die Unvereinbarkeit der Ausübung des hauptamtlichem Bürgermeisteramtes und eines Kreistagsmandats durch eine Person, rechtlich zulässig und darüber hinaus auch geboten wäre? An der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Unvereinbarkeitsregelung wie der in Brandenburg haben nach Einschätzung der Landesregierung zu keiner Zeit ernstliche Zweifel bestanden. Die Landesregierung hält eine dahingehende Regelung daher auch für zulässig und für rechtspolitisch vertretbar, aber nicht für geboten. Die relativ hohe Zahl hauptamtlicher Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den Kreistagen dokumentiert den Wählerwillen, prominenten und besonders ihrer Gemeinde verpflichteten Persönlichkeiten mit einem Kreistagsmandat Einfluss auf kreisliche Belange zu eröffnen. Auch kann der durch diese Personen den Kreistagen zugeführte kommunalrechtliche Sachverstand als Stärkung des willensbildenden Organs „Kreistag“ gewertet werden. Diese Aspekte sind mit den vom Verfassungsgericht Brandenburg dargelegten möglichen Interessenkollisionen abzuwägen. Nach Einschätzung der Landesregierung ergibt diese Abwägung bisher nicht die Notwendigkeit einer Unvereinbarkeit. Auch hat die Mitwirkung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den Kreistagen nach Auffassung der Landesregierung die rechtsaufsichtliche Aufgabenwahrnehmung der Landrätinnen und Landräte nicht beeinträchtigt. 4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus der Begründung des Landesverfassungsgerichts Brandenburg im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen zur Trennung von Amt und Mandat auf Kreisebene in der Kommunalverfassung und im Kommunalwahlgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern? Da dem Urteil keine grundlegend neuen Erkenntnisse zu entnehmen sind, ergeben sich daraus für die Landesregierung auch keine Schlussfolgerungen. Drucksache 6/240 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Wie begründet die Landesregierung den Widerspruch, dass nach den derzeit geltenden Regelungen zwar eine Unvereinbarkeit vorliegt, wenn ein Kreistagsmitglied neu in ein hauptamtliches Bürgermeisteramt gewählt wird, nicht aber, wenn umgekehrt eine hauptamtliche Bürgermeisterin/ein hauptamtlicher Bürgermeister in einen Kreistag gewählt wird? Die derzeit geltenden Regelungen sind nicht widersprüchlich. Die in § 65 Absatz 1 Nummer 6 des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern (Landes- und Kommunalwahlgesetz - LKWG M-V) gewählte Formulierung „in dem Wahlgebiet, in dem es einen Sitz innehat“, ist so auszulegen, dass ein Mitglied der Gemeindevertretung mit seiner Ernennung zur hauptamtlichen Bürgermeisterin beziehungsweise zum hauptamtlichen Bürgermeister, ein Kreistagsmitglied dagegen nur mit seiner Ernennung zur Landrätin beziehungsweise zum Landrat sein Mandat verliert. 6. Plant die Landesregierung eine ausdrückliche und eindeutige Regelung zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat auf Kreisebene in die Kommunalverfassung aufzunehmen, um damit eine Klarstellung und Vereinheitlichung der Gesetzeslage in der Kommunalverfassung und im Kommunalwahlgesetz zu erreichen? a) Wenn ja, was ist geplant und wann ist es geplant? b) Hält die Landesregierung es für geboten, in eine solche Regelung auch weitere hauptamtliche Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter und Wahlbeamte der den Kreisen angehörenden Städte, Gemeinden und Ämtern mit einzubeziehen? c) Wenn keine generelle Regelung vorgesehen ist, wie steht die Landesregierung dem Vorschlag gegenüber, als Mindestlösung die Übernahme von herausgehobenen Funktionsämtern durch den vorgenannten Personenkreis gesetzlich auszuschließen; das beträfe vor allem Kreistagspräsidentinnen/Kreistagspräsidenten, Fraktionsvorsitzende und Ausschussvorsitzende? Frage 6a), b) und c) werden zusammenhängend beantwortet. Eine Regelung zur Unvereinbarkeit von Amt und Kreistagsmandat ist aus den vorgenannten Erläuterungen weder für hauptamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister noch bezüglich des unter b) genannten Personenkreises vorgesehen. Hinsichtlich des unter c) aufgeführten Vorschlags bestünden zudem verfassungsrechtliche Bedenken, weil damit ein Zwei-Klassen-Mandat eingeführt würde, das mit dem Demokratieprinzip kaum vereinbar sein dürfte.