Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 31.01.2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2604 6. Wahlperiode 03.02.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Stefan Köster, Fraktion der NPD Arbeitsgerichte und Fälle von sittenwidriger Entlohnung und ANTWORT der Landesregierung Das Arbeitsgericht Eberswalde muss sich derzeit mit einem besonders krassen Fall von sittenwidriger Entlohnung befassen. Ein Pizza-Lieferant in Templin soll dreien seiner Mitarbeiter nur 1,79 Euro pro Stunde gezahlt haben. Als Kläger tritt ein Jobcenter auf, das für die Arbeitnehmer ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt zahlte. Die Zuschüsse summierten sich auf 3.500 Euro, womit der Steuerzahler letzten Endes den Pizza-Lieferanten subventionierte. Das Arbeitsgericht Leipzig entschied mit Urteil vom 11.03.2010, dass ein Stundenlohn von sechs Euro brutto für eine Fachverkäuferin im Einzelhandel als sittenwidrig einzustufen ist (Az. 2 Ca 2788/09). Nachstehende Fragen beziehen sich auf die Situation in Mecklenburg-Vorpommern. Drucksache 6/2604 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Wie hat sich seit 2008 bis zum jüngsten statistisch erfassten Zeitpunkt die Zahl der vor den Arbeitsgerichten des Landes MecklenburgVorpommern verhandelten Fälle wegen sittenwidriger Entlohnung (Lohnwucher) entwickelt (bitte jahrweise und gegliedert nach Arbeitsgerichten darstellen)? a) Wie stellten sich die Fälle im Einzelnen dar (bitte jeweils kurz skizzieren und dabei auf jeden Fall die betroffene Branche sowie die Höhe des gezahlten und als sittenwidrig eingestuften BruttoStundenlohns mit angeben)? b) In welchen dieser Fälle traten die Jobcenter als Kläger auf? c) Welche Urteile wurden jeweils gefällt? Der Landesregierung steht kein aufbereitetes Datenmaterial zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage zur Verfügung. Verfahren der in Rede stehenden Art werden nicht gesondert statistisch erfasst. Fälle von sittenwidriger Entlohnung (Lohnwucher) werden in der Verfahrenserhebung für Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht mit unter dem Verfahrensgegenstand „Zahlungsklagen “ statistisch erfasst. Unter den Verfahrensgegenstand „Zahlungsklagen“ fallen alle Zahlungsklagen einschließlich der Feststellung des Bestehens einer Zahlungsverpflichtung, zum Beispiel Arbeitsentgelt, Urlaubsentgelt und -abgeltung, Schadenersatz und Betriebsrenten . Eine weitere Unterscheidung, zum Beispiel nach sittenwidriger Entlohnung, erfolgt nicht. Auch über das Geschäftsstellenautomationsprogramm ist eine gesonderte Ermittlung der Daten nicht möglich. Aus den Auswertungstabellen der Arbeitsgerichtsstatistik ist folgender Geschäftsanfall zu dem Verfahrensgegenstand „Zahlungsklagen“ insgesamt ersichtlich: Jahr Eingänge 2008 2.233 2009 2.284 2010 1.973 2011 2.078 2012 1.872 I. HJ 2013 915 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2604 3 2. Wie stellen sich die Bestände an Fällen zum Ende des letzten Berichtszeitraumes dar (bitte nach Arbeitsgerichten aufführen und die Fälle jeweils kurz skizzieren)? Siehe Antwort zu Frage 1. 3. In wie vielen Fällen wegen sittenwidriger Entlohnung wurde seit 2008 bis zum jüngsten statistisch erfassten Zeitpunkt Berufung zum Landesarbeitsgericht zugelassen (bitte jahrweise mit Angabe des Arbeitsgerichts aufführen)? a) Wie stellten sich die Fälle im Einzelnen dar? b) In welchen dieser Fälle traten die Jobcenter als Kläger auf? c) Welche Urteile wurden jeweils gefällt? Siehe Antwort zu Frage 1. 4. Wie hat sich seit 2008 bis zum jüngsten statistisch erfassten Zeitpunkt die durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten im Hinblick auf Fälle von sittenwidriger Entlohnung entwickelt (bitte jahrweise und nach Arbeitsgerichten gegliedert aufführen)? Siehe Antwort zu Frage 1. 5. Wie haben sich seit 2008 bis zum jüngsten statistisch erfassten Zeitpunkt die mit Fällen von sittenwidriger Entlohnung befassten Richterarbeitskraftanteile entwickelt (bitte jahrweise und gegliedert nach Arbeitsgerichten angeben)? Siehe Antwort zu Frage 1. Auch der Personaleinsatz erfolgt nicht nach einzelnen Verfahrensgegenständen, sodass keine Angaben dazu gemacht werden können, wie viele Richter-Arbeitskraftanteile für die Bearbeitung von Verfahren über sittenwidrige Entlohnung eingesetzt waren oder sind. Drucksache 6/2604 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 6. Welche Maßnahmen haben die Jobcenter des Landes Mecklenburg- Vorpommern seit 2006 gegen die Zahlung sittenwidriger Löhne ergriffen? Die Höhe der Vergütung in einem Beschäftigungsverhältnis wird zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vereinbart. An diesem Verhandlungsprozess sind die Bundesagentur für Arbeit oder die Jobcenter nicht beteiligt. Die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter dürfen nicht vermitteln, wenn ein Ausbildungs - oder Arbeitsverhältnis begründet werden soll, das gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Daher müssen Stellenangebote unter anderem hinsichtlich des Lohnangebots überprüft werden. Bei Verstößen gegen gesetzliche oder tarifliche Regelungen oder Vorliegen von Sittenwidrigkeit muss der Vermittlungsauftrag abgelehnt werden. Die Jobcenter sind darüber hinaus gehalten, in Fällen gesetzes- oder sittenwidriger Entlohnung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die ergänzend Leistungen zum Lebensunterhalt beziehen, nach §115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) übergegangene Arbeitsentgeltansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen. 7. Inwieweit sind die Arbeitsvermittler der Jobcenter des Landes Mecklenburg-Vorpommern dazu angehalten, bei der Auswahl von Stellen für ihre „Kunden“ darauf zu achten, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt wird (bitte, wenn nötig, nach Jobcentern differenzieren und gegebenenfalls entsprechende Richtlinien etc. kurz skizzieren)? Für die Zahlung eines Mindestlohnes von 8,50 Euro gibt es derzeit keine rechtlichen Grundlagen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2604 5 8. Wie haben sich seit 2006 die von den Jobcentern des Landes Mecklenburg-Vorpommern gezahlten, ergänzenden Leistungen zum Lebensunterhalt für erwerbstätige Leistungsbezieher entwickelt (bitte mit den Summen jahrweise und gegliedert nach Jobcentern aufführen )? Zu den Erwerbstätigen zählen Personen, die eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben, unabhängig von der Dauer der tatsächlich geleisteten oder vertragsmäßig zu leistenden Arbeitszeit. Für die Zuordnung zu den Erwerbstätigen ist es unerheblich, ob aus dieser Tätigkeit der überwiegende Lebensunterhalt bestritten wird oder nicht. Einbezogen sind demnach auch Personen, die „geringfügigen Beschäftigungen“ nachgehen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit liegen die Daten zu den Bedarfsgemeinschaften (BG) mit erwerbstätigen Arbeitslosengeld (ALG) II-Beziehern nur auf Länderebene als Jahreswerte ab 2007 bis 2012 vor. Bedarfsgemeinschaften mit erwerbstätigen Arbeitslosengeld II-Beziehern: Bestand und Zahlungsansprüche auf Leistungen nach Beschäftigungsformen Jahreswerte Mecklenburg-Vorpommern Bedarfsgemeinschaften insgesamt mit mindestens einem erwerbstätigen ALG IIBezieher darunter: mit mindestens einem sozialversicherungs- pflichtigen Beschäftigten Jahr Bestand 2007 148.878 46.074 27.676 2008 139.249 48.999 26.602 2009 132.137 47.029 23.778 2010 128.044 45.898 22.871 2011 121.166 44.362 22.254 2012 115.876 43.158 22.346 Durchschnittliche Höhe an Zahlungsansprüchen auf Leistungen für BG in Euro 2007 752 649 541 2008 751 664 525 2009 772 692 536 2010 763 677 513 2011 730 644 491 2012 741 648 495 Drucksache 6/2604 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Bedarfsgemeinschaften mit erwerbstätigen Arbeitslosengeld II-Beziehern: Bestand und Zahlungsansprüche auf Leistungen nach Beschäftigungsformen Jahreswerte Mecklenburg-Vorpommern Bedarfsgemeinschaften insgesamt mit mindestens einem erwerbstätigen ALG IIBezieher darunter: mit mindestens einem sozialversicherungs- pflichtigen Beschäftigten Jahressumme der Zahlungsansprüche auf Leistungen für BG in Euro 2007 1.342.664.110 359.054.175 179.767.112 2008 1.254.142.869 390.603.011 167.681.283 2009 1.223.840.522 390.765.860 152.984.167 2010 1.173.032.198 373.040.573 140.923.312 2011 1.060.982.721 342.908.896 131.170.447 2012 1.030.975.158 335.515.897 132.736.345 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.