Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 5. Februar 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2606 6. Wahlperiode 05.02.2014 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unwirksame Umwandlungen von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die Umwandlungen nach §§ 23 ff. Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG), auf welche sich die Kleine Anfrage bezieht, liegen mittlerweile über 20 Jahre zurück. Die Landwirt- schaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) mussten nämlich bis zum 31.12.1991 umge- wandelt sein, um nicht kraft Gesetzes aufgelöst zu werden. Das besondere Problem der fehlgeschlagenen Umwandlungen wurde nach dem Bekannt- werden der Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Rechtsprobleme der Restrukturierung landwirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern nach 1989“ im Jahre 2002 umfänglich im Landtag erörtert. Der Landesregierung liegen auch heute keine anderen Erkenntnisse vor, als diejenigen, welche dem Landtag durch Minister Dr. Backhaus damals mitgeteilt wurden. Es wird daher auf die Ausschussprotokolle der Ausschusssitzung des Agrarausschusses vom 23.01.2003 und 30.10.2003 (dort jeweils TOP 2) sowie die Ausschussdrucksachen 4/4 und 4/5 verwiesen. Des Weiteren hat die Landesregierung bereits mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Landtagsabgeordneten Martin Brick, Fraktion der CDU, auf Landtagsdrucksache 3/2631 vom 22.01.2002 zum Thema Stellung genommen. Drucksache 6/2606 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Nach der politischen Wende 1989/1990 galt es, die ostdeutsche Land- wirtschaft neu zu ordnen, die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossen- schaften (LPG) an marktwirtschaftliche Verhältnisse anzupassen und deshalb diese Betriebe in Rechtsformen des gesamtdeutschen Gesell- schaftsrechts zu überführen. Dabei musste eine Zuordnung des LPG-Ver- mögens, also des einst in vielen Fällen zwangsweise von Einzelbauern in die Genossenschaft überführten Vermögens, zurück an die einzelnen Mitglieder erfolgen. Gesetzliche Grundlage bildete dafür das noch von der DDR-Volkskammer 1990 erlassene und später 1991 modifizierte Landwirtschaftsanpassungsgesetz. Ziel war es, in Anpassung an die Marktwirtschaft das Privateigentum an Grund und Boden und die auf ihm beruhende Bewirtschaftung in der Land- und Forstwirtschaft im vollen Umfang wiederherzustellen und zu gewährleisten. Dabei ging es auch um die Chancengleichheit verschiedener Eigentums- und Wirtschaftsformen (§ 2 LwAnpG). Beim Prozess der Auflösung der LPG kam es bekanntermaßen zu Fehlern. Dieser Prozess wurde nun im Land Brandenburg durch die Tätigkeit der Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“ aufgearbeitet. Mit einem Rechtsgutachten hat Prof. Dr. Bayer von der Friedrich-Schiller- Universität Jena - Richter am Thüringer Oberlandesgericht a. D. und Mitglied des Thüringer Verfassungsgerichtshofes - die Rechtmäßigkeit der LPG-Umwandlungen in den Neuen Bundesländern untersucht und dabei festgestellt, dass in Mecklenburg-Vorpommern die Quote der unwirksam erfolgten Umwandlungen mit 15,1 Prozent am höchsten war. 1. Ist die Landesregierung im Besitz einer Liste von Landwirtschafts- unternehmen, bei denen der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Bayer Fehler bei der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung im Zuge des eingangs erwähnten Umwandlungsprozesses festgestellt hat und wenn ja, seit wann verfügt die Landesregierung über eine derartige Auf- listung? a) Wenn die Landesregierung über eine derartige Auflistung verfügt, welche Aktivitäten hat sie bis heute unternommen, um die Rechts- verstöße und die damit eventuell verbundene Benachteiligung einstiger Genossenschaftsbauern der LPG zu korrigieren? b) Hat die Landesregierung bei jenen Unternehmen, bei denen Prof. Dr. Bayer eine fehlerhafte Umwandlung feststellte, eine eigene Prüfung beauftragt und wenn nicht, warum nicht? c) Warum kommt die Landesregierung laut Medienberichten (Artikel in der Schweriner Volkszeitung vom 23.12.2013) zu der Auffassung, die Wiederherstellung von Recht bei der Umwand- lung von LPG in privatwirtschaftlich agierende Betriebe, denen zum großen Teil BVVG-Flächen und damit öffentliche Flächen übertragen wurden, wäre eine Frage zivilrechtlicher Auseinander- setzungen und keine Frage, in der die Landesregierung tätig werden müsse? Die Fragen 1, a), b) und c) werden zusammenhängend beantwortet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2606 3 Die Deutsche Forschungsgemeinschaft wurde im Jahr 2002 um die Übersendung der Namen derjenigen Betriebe gebeten, bei denen es nach Auffassung der Wissenschaftler zu einer fehl- geschlagenen Umwandlung gekommen ist. Nach Erhalt dieser Liste informierte das damalige Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei die Landwirtschaftsunter- nehmen, welche als Nachfolgebetriebe der in der Liste der Deutschen Forschungsgemein- schaft genannten Betriebe bekannt und nicht bereits durch Liquidation untergegangen waren. Die Namen und Adressen der angeschriebenen Betriebe wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht archiviert. Den Betroffenen wurden die oben beschriebenen Konsequenzen dargestellt, falls die von den Wissenschaftlern vorgenommene Einschätzung zutreffend ist und nahegelegt, sich diesbezüglich mit ihren Rechtsberatern zu verständigen. Bis heute gibt es keinen einzigen Fall in Mecklenburg-Vorpommern, in welchem nach Kenntnis der Landes- regierung entsprechende gerichtliche Feststellungen stattgefunden haben. Zu weiteren Einzel- heiten wird auf die in der Vorbemerkung aufgeführten Ausschussprotokolle und -drucksachen verwiesen. Die Landesregierung hat damals keine Prüfung beauftragt. Die Umwandlung der ehemaligen LPG ist zivilrechtlicher Natur. Die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Umwandlung obliegt nicht der Landesregierung. Die Behörden und Einrichtungen des Bundes und des Landes werden auch nicht deshalb für die Überprüfung zuständig, weil die LPG-Nachfolge- unternehmen auch Rechtsbeziehungen zur öffentlichen Hand unterhalten, wie zum Beispiel der Erwerb und die Pachtung von BVVG-Flächen oder die Teilnahme an Fördermaßnahmen. 2. Welche Unternehmen, bei denen im Zuge des eingangs erwähnten Umwandlungsprozesses Fehler aufgetreten sind, wurden der Landes- regierung durch Prof. Dr. Bayer benannt? Hat Prof. Dr. Bayer der Landesregierung alle unwirksamen Umwand- lungen von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in Mecklenburg-Vorpommern mitgeteilt oder war die gemeldete Zahl an Unternehmen nur Ergebnis einer stichprobenartigen Prüfung? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Ob die Mitteilung von Prof. Dr. Bayer auf einer vollständigen Erhebung der Daten aller Eintragungsanträge bei den Handelsregister- gerichten beruht, ist der Landesregierung nicht bekannt. 3. Nahm die oberste Landesbehörde gemäß § 70 Abs. 3 LwAnpG ihr Recht zur Prüfung der Geschäftsführung der LPG, einer LPG in Liqui- dation bzw. eines durch Formwechsel entstandenen LPG-Nachfolge- unternehmens bis heute in mehr als in jenen 210 Fällen wahr, die in der Drucksache 2/1517 erwähnt wurden? a) In welchen Fällen waren Mängel in der ordnungsgemäßen Vermö- gensauseinandersetzung die Ursache der Überprüfung? b) In welchen Fällen kam es zur eklatanten Missachtung von Mitglie- derinteressen, die die Einschaltung des Staatsanwaltes erforderlich machte? Die Fragen 3 und a) werden zusammenhängend beantwortet. Drucksache 6/2606 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Auch in der Zeit nach der Kleinen Anfrage aus dem Jahre 1996 fanden in einer nicht quantifizierbaren Anzahl Überprüfungen durch die Landwirtschaftsverwaltung nach § 70 Abs. 3 LwAnpG statt. Eine statistische Erhebung über den Anlass der Überprüfung ist nicht erfolgt. Diese dürften jedoch nach überschlägiger Schätzung weit überwiegend auf Beschwer- den ehemaliger Mitglieder der LPG wegen aus deren Sicht nicht ordnungsgemäßer Vermö- gensauseinandersetzungen nach §§ 44 ff. LwAnpG zurückzuführen sein. Der Landesregierung ist kein Fall bekannt, in welchem Dritte die Überprüfung wegen einer fehlerhaften Umwand- lung nach §§ 23 ff. LwAnpG beantragt hätten. Zu b) Solche Fälle sind der Landesregierung nicht bekannt und für die Landesregierung auch nicht ermittelbar. 4. Beabsichtigt die Landesregierung, die zuständigen Registergerichte um Prüfung zu bitten, in welchen Fällen „Scheinrechtsnachfolger“ aus ehemaligen LPG entstanden sind? Nein, die Landesregierung beabsichtigt dies nicht. 5. Wenn LPG-Nachfolgebetriebe beim Erwerb von BVVG-Flächen auf Grundlage von § 2 Abs. 3 Satz 1 FlErwV die ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung nach § 44 ff. LwAnpG nachweisen mussten, auf welche Weise erfolgte dies? Wie wurde die ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung nach § 44 ff. LwAnpG in Fällen, in denen die LPG-Nachfolgebetriebe über- prüft wurden, durch die Betriebe nachgewiesen? Im Rahmen des Antragsverfahrens auf begünstigten Flächenerwerb nach Ausgleichsleistungs- gesetz (AusglLeistG) waren die damaligen Ämter für Landwirtschaft verpflichtet, bei land- wirtschaftlichen Betrieben in der Rechtsform juristischer Personen die ordnungsgemäße Durchführung der Vermögensauseinandersetzung nach §§ 44 ff. LwAnpG festzustellen (§ 3 Abs. 2 S. 2 AusglLeistG). In Mecklenburg-Vorpommern wurde diese Feststellung darauf gestützt, dass sich die Ämter für Landwirtschaft zunächst ein von einem Wirtschaftsprüfer erstelltes Gutachten vorlegen lassen. Diese Praxis entsprach derjenigen, die bereits im Rahmen der Förderung für die Ausgleichs- zulage für benachteiligte Gebiete ausgeübt wurde (Pkt. 4.5 der Richtlinie für die Ausgleichs- zulage für benachteiligte Gebiete vom 1. August 2000, GVOBl. Nr. 38 vom 21. August 2000, S. 1128). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2606 5 Durch den Wirtschaftsprüfer war im Wesentlichen zu begutachten, ob bei der Berechnung des Eigenkapitals der LPG durch Bilanzierung nach DM-Bilanzgesetz (DMBilG) der „wahre Wert“ des Unternehmens richtig zugrunde gelegt wurde (§ 44 Abs. 6 LwAnpG; BGHBeschlüsse vom 08.05. und 23.08.1998, AgrarR 1999, S. 54 ff.; 249 ff.) und ob das so ermittelte Eigenkapital entsprechend § 44 LwAnpG korrekt personifiziert worden ist. 6. In welchen Fällen konnte der begünstigte Flächenerwerb nach § 3 Ausgleichsleistungsgesetz durch Landwirtschaftsbetriebe erst erfolgen, nachdem die zuständige Landwirtschaftsbehörde das Unter- nehmen verpflichtet hatte, die Vermögensauseinandersetzung nach § 44 ff. LwAnpG korrekt zu führen? Die bereits genannten Landesbehörden gaben in den Erwerbsfällen nach § 3 Abs. 2 S. 2 AusglLeistG nur die Stellungnahmen zur ordnungsgemäßen Vermögensauseinandersetzung ab. Über die Anträge auf begünstigten Flächenerwerb entschied dann die BVVG selbst. Die Frage, in welchen konkreten Fällen der begünstigte Flächenerwerb erfolgte, nachdem die ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung bescheinigt wurde, kann daher nur von dieser beantwortet werden. 7. Sieht die Landesregierung mit Blick auf die fehlerhaften Umwand- lungen von LPG in Mecklenburg-Vorpommern die unter § 2 Land- wirtschaftsanpassungsgesetz geforderte Chancengleichheit verschie- dener Eigentums- und Wirtschaftsformen gewahrt? Wie bewertet die Landesregierung die Feststellung von Prof. Dr. Bayer (in „Die Umwandlung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im Land Brandenburg“, Gutachten im Auftrag der Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokra- tischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“ des Landtages Brandenburg ), dass die Missachtung der gesetzlichen Vorgaben bei der Um- wandlung der LPG letztendlich zu einer Marktverzerrung zugunsten der agrarindustriell geprägten LPG-Nachfolgeunternehmen zu Lasten kleinbäuerlicher Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe in der branden- burgischen Landwirtschaft führte, vor dem Hintergrund ähnlicher Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern? Die Landesregierung vermag zwischen den behaupteten fehlgeschlagenen Umwandlungen und dem Prinzip der Chancengleichheit nach § 2 LwAnpG keinen Zusammenhang zu erkennen. Die Freiheit des einzelnen LPG-Mitgliedes, sich als Wiedereinrichter selbstständig zu machen, wurde auch in Fällen von Umwandlungen, die nach der Rechtsprechung unter schwerwiegenden formalen Mängeln litt, nicht eingeschränkt. Die Zahlen aufgrund der letzten Agrarstrukturerhebung im Jahr 2010 zeigen deutlich, dass neben den 776 juristischen Personen, die zumeist Rechtsnachfolger der LPG sind, 3949 andere Landwirtschaftsbetriebe entstanden, die von natürlichen Personen oder Personen- gesellschaften geführt werden. Drucksache 6/2606 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Sollte Herr Prof. Dr. Bayer die zitierte „Marktverzerrung“ zu Lasten kleinbäuerlicher Hauptund Nebenerwerbsbetriebe tatsächlich auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben der §§ 23 ff. LwAnpG zur Umwandlung bezogen haben, wäre dies kaum zu verstehen. Ob die ehemaligen LPG 1991 bei der Umwandlung Fehler machten oder nicht, hatte nichts damit zu tun, in welchem Umfang sich deren Mitglieder für die Wiedereinrichtung landwirtschaftlicher Betriebe entschieden. Dies hing vielmehr im Regelfall davon ab, ob und in welchem Umfang in dem Betrieb Genossenschaftsmitglieder vorhanden waren, die das Risiko einer eigenen unternehmerischen Selbstständigkeit der bloßen Mitgliedschaft in einem von der Geschäfts- führung geleiteten „Kollektiv“-Betrieb vorzogen. Dabei spielte vor allen Dingen eine große Rolle, ob man der damaligen LPG-Führung zutraute, das landwirtschaftliche Unternehmen unter den neuen Bedingungen erfolgreich weiterzuführen.