Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 26. Februar 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2678 6. Wahlperiode 27.02.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten David Petereit, Fraktion der NPD Elektronische Fußfessel und ANTWORT der Landesregierung Laut Schweriner Volkszeitung soll ein 44 Jahre alter Mann trotz einer elektronischen Fußfessel versucht haben, eine junge Frau zu vergewaltigen. Dafür müsse sich der Mann ab dem 23. Januar vor dem Landgericht Rostock verantworten. Der Angeklagte muss im Fall einer Verurteilung mit anschließender Sicherungsverwahrung rechnen (SVZ vom 15.01.2014). Der Vorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft hatte im August 2011 deutliche Kritik an der Überwachung von entlassenen Straftätern, bei denen weiterhin die Gefahr schwerer Straf- taten angenommen wird, mittels elektronischer Fußfessel geübt: Niemand könne sehen, was der Täter gerade tue. Auch fehle es an Personal für die Überwachung. Die Justiz spiele auf diese Weise „Russisch Roulette mit der Bevölkerung.“ Mecklenburg-Vorpommern trat am 29. August 2011 zusammen mit Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg dem „Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“ bei. 1. In wie vielen Fällen haben Gerichte in Mecklenburg-Vorpommern seit dem Beitritt des Landes zum „Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“ für entlassene Straftäter das Tragen einer elektronischen Fußfessel ange- ordnet (bitte einzeln aufführen mit Gericht, Datum der Anordnung, den Arten der Straftaten, die für die Anordnung maßgeblich waren und den verhängten Auflagen)? Gerichte des Landes Mecklenburg-Vorpommern haben im genannten Zeitraum in sechs Fällen das Tragen einer elektronischen Fußfessel angeordnet. Den Probanden wurden in allen Fällen durch Beschlüsse des Landgerichts Rostock strafbewährte Weisungen nach § 68 b, Absatz 1, Nummern 1 bis 12 Strafgesetzbuch erteilt. Drucksache 6/2678 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Die Weisungen nach Nummern 1 bis 12 haben folgenden Inhalt: 1. Gebot zum Wohn- und Aufenthaltsort 2. Verbot zu einem bestimmten Aufenthaltsort 3. Kontaktverbot zu bestimmten Personen 4. Verbot des Ausübens bestimmter Tätigkeiten 5. Besitzverbot zu bestimmten Gegenständen 6. Verbot des Besitzes und Führens von Kraftfahrzeugen 7. Gebot des Einhaltens bestimmter Meldezeiten beim Bewährungshelfer beziehungsweise der Führungsaufsichtsstelle 8. Gebot des Anzeigens eines Wohnungs- oder Arbeitsplatzwechsels 9. Gebot der Anzeige von Arbeitslosigkeit 10. Abstinenzgebot 11. Vorstellungsgebot bei einer Forensischen Ambulanz 12. Gebot des Tragens einer elektronischen Fußfessel Fall 1 Entscheidungsdatum: 21.10.2011 Mehrfache Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung Weisungen nach Nummern 1, 2, 3, 5, 7, 8, 9, 11 und 12 Fall 2 Entscheidungsdatum: 25.10.2011 Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern und versuchter schwerer sexueller Missbrauch von Kindern Weisung nach Nummern 3, 4, 7, 10, 11 und 12 Fall 3 Entscheidungsdatum: 17.02.2012 Mehrfache Sexuelle Nötigung Weisungen nach Nummern 1, 2, 3, 7, 8, 11 und 12 Fall 4 Entscheidungsdatum: 28.06.2012 Mehrfache Vergewaltigung teils in Tateinheit mit gefährlicher und vorsätzlicher Körper- verletzung Weisungen nach Nummern 1, 2, 3, 7, 8, 10, 11 und 12 Fall 5 Entscheidungsdatum: 30.11.2012 Mehrfache Geiselnahme, in einem Fall davon tateinheitlich mit schwerer Vergewaltigung, erpresserischem Menschenraub und schwerem Raub sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung sowie schwerer Vergewaltigung und Diebstahl Weisungen nach Nummern 1, 2, 3, 7, 8, 9, 11 und 12 Fall 6 Entscheidungsdatum: 30.04.2013 Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer Vergewaltigung und besonders schwerem sexuellen Missbrauch sowie versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Weisungen nach Nummern 1, 2, 3, 7, 8, 10, 11 und 12 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2678 3 2. In wie vielen Fällen verstießen in Mecklenburg-Vorpommern und/oder in anderen Bundesländern entlassene und mit elektronischen Fußfesseln versehene Straftäter in Mecklenburg-Vorpommern seit dem Beitritt des Landes Mecklenburg-Vorpommern zum o. g. Staats- vertrag gegen die verhängten Auflagen (bitte nach Art des Verstoßes/der Verstöße und der erfolgten Sanktion aufführen)? Folgende Weisungsverstöße sind erfasst worden: In zwei Fällen luden die Probanden die Batterien ihrer elektronischen Fußfesseln nicht rechtzeitig, sodass es jeweils zu kurzen Ausfallzeiten während der Überwachung kam. In einem Fall wurde der Proband durch die Führungsaufsichtsstelle angehört, in einem weiteren Fall schriftlich ermahnt. In sechs Fällen waren Verstöße gegen das Abstinenzgebot zu verzeichnen. Die Führungs- aufsichtsstelle hat jeweils Strafantrag gestellt. Ein Proband befindet sich aufgrund dieser und anderer Delikte in Untersuchungshaft; eine entsprechende Verurteilung ist noch nicht rechtskräftig. In einem Fall verstieß ein Proband gegen das Verbot des Umgangs mit bestimmten Gegen- ständen. Die Führungsaufsichtsstelle hat Strafantrag gestellt; eine entsprechende Verurteilung ist noch nicht rechtskräftig. Der Proband befindet sich in Untersuchungshaft. In vier Fällen wurde gegen das Verbot der Kontaktaufnahme mit bestimmten Personen verstoßen. Die Führungsaufsichtsstelle hat jeweils Strafantrag gestellt. Ein Proband ist vom Gericht verurteilt worden, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In einem weiteren Fall wurde der Proband wegen zweier dieser Weisungsverstöße rechtskräftig zu einer Freiheits- strafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In einem weiteren Fall wurde Strafantrag gestellt; eine Entschließung der Staatsanwaltschaft liegt noch nicht vor. In einem Fall wurde gegen eine Vorstellungsweisung verstoßen; es erfolgte eine Ermahnung durch die Führungsaufsichtsstelle. Ein Proband steht in Verdacht, die elektronische Fußfessel nicht ständig in betriebsbereitem Zustand mit sich geführt zu haben. Die Führungsaufsichtsstelle hat Strafantrag gestellt; eine Entschließung der Staatsanwaltschaft liegt noch nicht vor. In anderen Bundesländern entlassene und mit elektronischen Fußfesseln versehene Straftäter wurden bislang nicht in die Führungsaufsicht nach Mecklenburg-Vorpommern übernommen. Insoweit liegen der Führungsaufsichtsstelle keine Erkenntnisse zu möglichen Weisungs- verstößen vor. Im Übrigen sind der Landesregierung Weisungsverstöße bezüglich in anderen Bundesländern entlassenen und mit elektronischen Fußfesseln versehenen Personen nicht bekannt. Drucksache 6/2678 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 3. In wie vielen Fällen verstießen in anderen Bundesländern entlassene, in Mecklenburg-Vorpommern aufhältige und mit elektronischen Fuß- fesseln versehene Straftäter seit dem Beitritt des Landes Mecklenburg- Vorpommern zum o. g. Staatsvertrag gegen die verhängten Auflagen (bitte nach Art des Verstoßes/der Verstöße und der erfolgten Sanktion aufführen)? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. In wie vielen Fällen sind seit dem Beitritt des Landes Mecklenburg- Vorpommern zum o. g. Staatsvertrag in Mecklenburg-Vorpommern entlassene und mit elektronischen Fußfesseln versehene Straftäter erneut straffällig geworden (bitte mit der Skizzierung des jeweiligen Vorfalls und dem daraus folgenden Urteil darstellen)? Insgesamt vier der mit elektronischer Fußfessel versehenen Probanden wurden bislang wegen neuer Straftaten verurteilt: Ein Proband wurde wegen zweier Weisungsverstöße (Kontaktaufnahme zu Kindern) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ein Proband wurde wegen Betruges, Diebstals geringwertiger Sachen sowie Freiheits- beraubung (zum Nachteil seiner Lebensgefährtin), diese in Tateinheit mit Nötigung, Bedrohung und Beleidigung, rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zwei Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Verurteilten befinden sich zurzeit in Untersuchungshaft. Tatvorwürfe im ersten Fall sind Körperverletzung und sechs Weisungsverstöße; im zweiten ist der Tatvorwurf versuchte Vergewaltigung. 5. In wie vielen Fällen sind seit dem Beitritt des Landes Mecklenburg- Vorpommern zum o. g. Staatsvertrag in anderen Bundesländern ent- lassene, in Mecklenburg-Vorpommern aufhältige und mit elektro- nischen Fußfesseln versehene Straftäter erneut straffällig geworden (bitte mit der Skizzierung des jeweiligen Vorfalls und dem daraus folgenden Urteil darstellen)? Der Landesregierung sind keine derartigen Fälle bekannt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2678 5 6. Welche Kosten sind dem Land Mecklenburg-Vorpommern bislang im Gefolge des Beitritts zum „Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“ entstanden (bitte jahrweise darstellen)? Dem Land Mecklenburg-Vorpommern sind seit dem Beitritt zum „Staatsvertrag über die Einrichtung einer gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder“ folgende Kosten entstanden: Haushaltsjahr Titel 09 0905 511.02 Geschäftsbedarf und Kommu- nikation sowie Geräte, Ausstattungs- und Ausrüstungs- gegenstände, sonstige Gebrauchsgegenstände für die elektronische Aufenthaltsüberwachung Titel 09 0901 632.10 Kostenanteil an dem System zur elektronischen Aufenthalts- überwachung einschließlich Wartung und Pflege 2011 8.653,06 Euro 19.955,07 Euro 2012 40.064,45 Euro 43.190,63 Euro 2013 54.594,68 Euro 48.321,00 Euro Gesamt 103.312,19 Euro 111.466,70 Euro Höhe der Gesamtkosten: 214.778,89 Euro 7. Inwieweit stehen in Mecklenburg-Vorpommern ausreichend Polizei- beamte zur Verfügung, um die Einhaltung für entlassene und mit Fuß- fesseln versehene Straftäter zu kontrollieren (bitte mit Zahlenmaterial untermauern)? a) Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz dabei konkret geregelt? b) Wer kontrolliert darüber hinaus die Einhaltung der Auflagen? In Mecklenburg-Vorpommern stehen ausreichend Polizeivollzugskräfte zur Verfügung, um die polizeilichen Angaben im Zusammenhang mit der elektronischen Überwachung von Personen mit Führungsaufsicht wahrzunehmen. Zu 7 a) und 7 b) Die Fragen 7 a) und 7 b) werden zusammenhängend beantwortet. Die Zuständigkeiten und die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz im Zusammenhang mit der Überwachung von Personen mit angeordneter Führungsaufsicht sind in der Verwaltungs- vorschrift betreffend das Überwachungskonzept für besonders rückfallgefährdete Sexual- und Gewaltstraftäter in Mecklenburg-Vorpommern - „Für optimierte Kontrolle und Sicherheit - FoKuS“ (Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums und des Ministeriums für Inneres und Sport vom 25. Juli 2012 - III 320/4260 - 13 SH, II 440a - 200.31.16) geregelt. Drucksache 6/2678 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Die Verwaltungsvorschrift ist im Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern 2010, Nummer 13, Seite 138, veröffentlicht. Die Einhaltung erteilter Weisungen wird kontrolliert durch die Führungsaufsichtsstelle, die Forensische Ambulanz, die Bewährungshilfe, die Polizei, die Staatsanwaltschaft und durch das zuständige Strafvollstreckungsgericht. 8. Wie schätzt die Landesregierung die Wirksamkeit des Instruments elektronische Fußfessel ein? Die elektronische Aufenthaltsüberwachung ist in geeigneten Fällen eine zweckmäßige Ergänzung der Maßnahmen der Führungsaufsicht. Der wesentliche Zweck der Maßregel, durch die Möglichkeit ständiger Überwachung spezialpräventiv die Eigenkontrolle des Betroffenen zu stärken sowie es den zuständigen Behörden im Falle einer akuten und erheblichen Gefährdungslage für Dritte zu ermöglichen, rechtzeitig einzuschreiten sowie im Falle einer Straftat im Nachgang schnell aufklären zu können, wird durch die elektronische Aufenthaltsüberwachung erleichtert. Entsprechende Erfolge waren bereits zu verzeichnen. 9. Wie positioniert sich die Landesregierung zu der vom Vorsitzenden der Deutschen Polizei-Gewerkschaft vertretenen Auffassung, der zufolge niemand sehen könne, was der mit einer elektronischen Fuß- fessel versehene entlassene Straftäter gerade tue? Nach der gesetzlichen Regelung soll die elektronische Aufenthaltsüberwachung nicht die permanente Echtzeitbeobachtung ermöglichen. Vielmehr soll sie die Überwachung bestimmter Auflagen ermöglichen und darüber hinaus eine spezialpräventive Wirkung entfalten, da dem Überwachten nach begangenen Straftaten im Nachhinein die Anwesenheit an einem bestimmten Ort nachgewiesen werden kann.