Der Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 12. März 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2706 6. Wahlperiode 12.03.2014 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Silke Gajek, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesundheits- und Sozialberatung für Prostituierte und ANTWORT der Landesregierung Mit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 ist eine Gesundheitsuntersuchung von Prostituierten durch das Gesundheits- amt nicht mehr verpflichtend. Ein Bedarf an anonymer medizinischer und sozialer Beratung besteht jedoch weiterhin. Diesem Bedarf wird in unserem Bundesland in den Kreisen und kreisfreien Städten sehr unter- schiedlich intensiv entgegengekommen. 1. Wie ist die medizinische Versorgung für Prostituierte in Mecklenburg- Vorpommern grundsätzlich geregelt? Grundsätzlich können sich sowohl weibliche als auch männliche Prostituierte in Mecklenburg-Vorpommern, wie in jedem anderen deutschen Bundesland auch, von niedergelassenen Medizinerinnen und Medizinern beziehungsweise bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch ambulant und stationär in Krankenhäusern behandeln lassen. Nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 sind alle Bürgerinnen und Bürger ab dem 1. Januar 2009 zum Abschluss einer Krankenversicherung verpflichtet. Weibliche und männliche Prostituierte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, unterliegen gemäß Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 grundsätzlich der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht. Bei hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätig- keit sind weibliche und männliche Prostituierte in der Regel der privaten Krankenversiche- rung zuzuordnen und damit auch verpflichtet, eine private Krankenversicherung abzu- schließen. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen dürfen diese Anträge nicht ablehnen. Drucksache 6/2706 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Durch das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung, das seit dem 1. August 2013 in Kraft ist, wurde der Zugang zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung für einen befristeten Zeitraum erleichtert, sodass auch für weibliche und männliche Prostituierte mit gültigem Aufenthaltsstatus, die entweder hauptberuflich selbstständig erwerbstätig oder abhängig beschäftigt sind, ein Krankenversicherungsschutz möglich ist. Ergänzt werden diese Regelungen durch die EU-Richtlinie zur Patientenmobilität vom 9. März 2011, die Personen aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vereinfachte Auslandsbehandlungen ermöglicht. Darüber hinaus verpflichtet § 19 Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit § 19 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Land Mecklenburg-Vorpommern die Gesund- heitsämter, bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten und Tuberkulose Beratung und Untersuchung anzubieten oder diese in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Einrichtungen sicherzustellen. 2. Ist eine gesundheitliche und soziale Betreuung von Prostituierten in den Gesundheitsämtern in Mecklenburg-Vorpommern vorgesehen? a) Wenn ja, wie ist die Betreuung geregelt? b) Wenn nicht, weshalb nicht? Zu 2, 2 a) und 2 b) Die Fragen 2, 2 a) und 2 b) werden zusammenhängend beantwortet. Angebote gemäß § 19 Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit § 19 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Mecklenburg-Vorpommern können im Einzelfall auch die Beratung und ambulante Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt des Gesundheitsamtes umfassen, soweit dies zur Verhinderung der Weiterverbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten oder Tuberkulose erforderlich ist. Durch § 17 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst Mecklenburg- Vorpommern werden die Gesundheitsämter darüber hinaus verpflichtet, unter anderem Personen, die aufgrund sozialer Umstände der besonderen Fürsorge bedürfen, Gesundheits- hilfe zu leisten. Diese Gesundheitshilfe besteht in Beratung und Betreuung sowie Behand- lung, wenn es anderweitig zu keiner Behandlung kommt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2706 3 3. In wie vielen Gesundheitsämtern im Land gibt es für Prostituierte das Angebot, sich kostenlos gynäkologisch untersuchen und/oder medizi- nisch beraten zu lassen (bitte differenziert nach Standort und Angebot darstellen)? Medizinische Beratung wird bei Bedarf durch alle Gesundheitsämter kostenlos angeboten. Soweit im Zusammenhang mit der Untersuchung auf sexuell übertragbare Krankheiten gemäß § 19 Infektionsschutzgesetz erforderlich, gewährleisten alle Gesundheitsämter bei Bedarf in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Einrichtungen die erforderlichen gynäkolo- gischen Untersuchungen. Die Kosten für diese Maßnahmen des Gesundheitsamtes sind von den Trägern der Krankenversicherung zu tragen, wenn die betreffende Person versichert ist, im Übrigen aus öffentlichen Mitteln, falls die Person nicht krankenversichert ist. Bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten können diese Angebote auch anonym in Anspruch genommen werden, soweit hierdurch die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen gegenüber Trägern der Krankenversicherung nicht gefährdet wird. Zu beachten ist, dass in den ländlichen Regionen oft kein Bedarf an Behandlung und Beratung besteht beziehungsweise nicht in Anspruch genommen wird, da sich weibliche und männliche Prostituierte ungern öffentlich zu erkennen geben und daher die Anonymität von größeren Städten bevorzugen. Daher stellt sich die Situation in den einzelnen Gesundheits- ämtern in Mecklenburg-Vorpommern differenziert dar. In den Gesundheitsämtern aller Landkreise und kreisfreien Städte besteht die Möglichkeit der unentgeltlichen HIV-Testung. Die meisten Gesundheitsämter bieten auch eine unentgeltliche Syphilistestung an. Die Testungen auf sexuell übertragbare Krankheiten werden im Zusammenhang mit Beratungen angeboten. Bei Bedarf zur gynäkologischen Untersuchung werden Prostituierte an die niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte überwiesen. Auf Grund der Konzentration von weiblichen und männlichen Prostituierten in großen Städten gibt es am Gesundheitsamt der Hansestadt Rostock eine spezielle Sprechstunde für diese Klientel. Neben Beratung und Testung kann man sich hier auch einer Primäruntersuchung unterziehen. Darüber hinaus werden Tätigkeiten aufsuchender Beratung in Szenelokalen, Modellwohnungen und Bordellen durch eine Sozialarbeiterin und eine ärztliche Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes durchgeführt. 4. Bieten die Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung bzw. Sprechstunden für Prostitu- ierte an? a) Wenn ja, wie gestaltet sich die Inanspruchnahme (bitte aufge- schlüsselt nach Standorten darstellen)? b) Wenn nicht, weshalb nicht? Zu 4, 4 a) und 4 b) Die Fragen 4, 4 a) und 4 b) werden zusammenhängend beantwortet. Drucksache 6/2706 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Hinsichtlich der Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen und Sprechstunden durch die Gesundheitsämter wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Welche Beratungsstellen im Land bieten kostenlose Gesundheitsunter- suchungen und gesundheitliche Beratung für Prostituierte an? Neben den Gesundheitsämtern bieten das Centrum für sexuelle Gesundheit in Rostock, Chamäleon e.V. in Stralsund und die AIDS-Hilfe Westmecklenburg in Wismar und Schwerin gesundheitliche Beratung und Testung auf HIV an. 6. Bieten die Gesundheitsämter soziale Beratung für Prostituierte sowie aufsuchende Arbeit an? Falls ja, mit welchen Partnerinnen und Partnern erfolgt gegebenenfalls eine Zusammenarbeit? Eine soziale Betreuung speziell für weibliche und männliche Prostituierte ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Allerdings sind die Gesundheitsämter nach § 17 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet, Personen, die aufgrund sozialer Umstände der besonderen Fürsorge bedürfen, Gesundheitshilfe zu leisten, falls der Bedarf besteht. Die Hansestadt Rostock führt neben der Sprechstunde für Prostituierte auch aufsuchende Beratung in Szenelokalen, Modellwohnungen und Bordellen durch eine Sozialarbeiterin und eine ärztliche Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes durch. Eine gute Zusammenarbeit gibt es mit „ZORA“, der Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsverheiratung . 7. Wie haben sich nach Kenntnis der Landesregierung seit dem Jahr 2000 die Infektionsraten der bekannten sexuell übertragbaren Krank- heiten entwickelt? Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung der Fallzahl und Inzidenz von Syphilis, HIV und Hepatitis B in Mecklenburg-Vorpommern für den Zeitraum von 2001 bis 2013. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2706 5 Melde- kategorie 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Syphilis 8 17 18 43 40 48 50 31 34 30 35 50 30 (Inzidenz) 0,45 0,97 1,04 2,50 2,34 2,83 2,98 1,86 2,06 1,83 2,14 3,06 1,84 HIV 15 29 18 31 28 29 30 38 30 24 25 27 41 (Inzidenz) 0,85 1,66 1,04 1,80 1,64 1,71 1,79 2,28 1,82 1,46 1,53 1,65 2,51 Melde- kategorie 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Hepatitis B 24 17 17 21 20 17 12 18 11 17 7 15 7 (Inzidenz) 1,36 0,97 0,98 1,22 1,17 1,00 0,71 1,08 0,67 1,04 0,43 0,92 0,43 Quelle: RKI, SurvStat Für die aufgeführten sexuell übertragbaren Infektionskrankheiten liegen erst seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001 Meldedaten für Mecklenburg-Vorpommern vor. Nach einem auch bundesweit sichtbaren Anstieg 2012 hatte sich die Zahl der Syphilis-Fälle im Folgejahr stark reduziert. Möglicherweise wurde dieser positive Trend durch die verstärkte Aufmerksamkeit der Gesundheitsämter und die damit einhergehenden Aufklärungs- kampagnen zu sexuell übertragbaren Infektionen hervorgerufen. Der 2013 zu verzeichnende Anstieg bei den HIV- Infektionen ist möglicherweise auf eine größere Anzahl von testwilligen Personen zurückzuführen, wodurch zunehmend mehr länger bestehende Infektionen detektiert wurden und es sich demzufolge nicht nur um Neuinfektio- nen handelt. Zu beachten ist außerdem, dass diese Infektion im Prostituierten-Milieu eine untergeordnete Rolle spielt. Die im Jahr 1995 bundesweit eingeführte Impfung für Säuglinge und Kinder gegen Hepatitis B führte zu rasch abnehmenden Fallzahlen dieser Virusinfektion in der deutschen Bevölkerung. Seit drei Jahren liegt die Inzidenz in Mecklenburg-Vorpommern bei unter 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner. Laut Angaben der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut gehören Prostituierte zu der Gruppe der Indikationen, die die Impfung auf Kosten der Krankenkassen erhalten sollen. Während davon auszugehen ist, dass einheimische, angestellte Prostituierte dieses Angebot in der Regel annehmen, ist dies bei ausländischen Zwangsprostituierten eher unwahrscheinlich. Drucksache 6/2706 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 8. Erachtet die Landesregierung das derzeitige Angebot für ausreichend? Falls nicht, welche konkreten Schritte gedenkt die Landesregierung kurz- und mittelfristig zur Verbesserung des Angebots zu unter- nehmen? Das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern hält das derzeitige Angebot für ausreichend und entwickelt dieses Angebot fort. So führt das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern am 9. April 2014 in der Sportschule Güstrow den Fachtag „Prostitution in MecklenburgVorpommern “ gemeinsam mit dem Gesundheitsamt Rostock sowie der Landesfachstelle für sexuelle Gesundheit und Familienplanung - inteam - durch. Dieser Fachtag soll ein Lagebild zum Thema „Prostitution in Mecklenburg-Vorpommern“ aus medizinischer, sozialer und juristischer Perspektive vermitteln. Adressaten sind in erster Linie die Gesundheitsämter, Jugend-, Ordnungs- und Gewerbeämter der Landkreise und kreisfreien Städte sowie kommunale Gleichstellungsbeauftragte, Polizeibehörden, Arbeitsagenturen und gemeinnützige Vereine, die in diesem Bereich agieren. Ziel der Veranstaltung ist es, das Vorgehen der einzelnen Institutionen besser aufeinander abzustimmen und sich über Best- practice-Ansätze in der gesundheitlichen Betreuung Prostituierter zu verständigen.