Die Finanzministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 22. März 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2730 6. Wahlperiode 25.03.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Jürgen Suhr, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Korruption beim ÖPP-Projekt Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldeck und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Zur Definition von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP/PPP - Public Private Partnership) wird auf die Vorbemerkungen zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 6/2708 verwiesen. Danach gab und gibt es auf Landesebene keine ÖPP und es sind derzeit auch keine ÖPP geplant. Die im Einzelplan 12, Anhang 4 zum Wirtschaftsplan des Sondervermögens Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern (BBL M-V) und zuvor seit 1994 im Einzelplan 12, Kapitel 1214 zusammengefassten Hochbaumaßnahmen mit besonderer Finanzierungsform werden alternativ zu diesem Begriff auch als sogenannte Investorenbauten bezeichnet, zu denen im Folgenden auch im Rahmen dieser Kleinen Anfrage Stellung genommen wird. Zwei Immobilienunternehmer aus Hamburg haben in Waldeck Mitte der 90er-Jahre eine Justizvollzugsanstalt (JVA) errichtet. Ihre Investition in die erste in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) errichtete JVA belief sich laut „Welt am Sonntag“ auf 56 Millionen Euro. Für insgesamt 120 Millionen Euro konnten sie das Objekt bis zum Jahr 2026 an das Land Mecklenburg-Vorpommern vermieten. Als Mieter sei das Land umfangreiche Verpflichtungen eingegangen. Auf eigene Kosten habe es Schönheitsreparaturen an Decken, Fenstern, Fußböden und Türen übernommen. Drucksache 6/2730 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Auf schriftliche Nachfrage der „Welt am Sonntag“ teilte das Finanzministerium mit, aus damaliger Sicht seien die Konditionen bei dem ÖPP-Geschäft „nicht ungünstig“ gewesen. Im Übrigen gehe man davon aus, dass damals das für die öffentliche Hand geltende Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit „beachtet und eingehalten“ wurde. Gegenüber dem damaligen Staatssekretär im Schweriner Finanz- ministerium erhebt einer der beiden Immobilienunternehmer nun schwere Vorwürfe. Dieser habe den beiden Immobilienunternehmern den Vorschlag gemacht, die JVA zu bauen. Der ehemalige Staatssekretär habe gesagt, er wolle 250.000 DM haben, wenn der Mietvertrag unterschrieben, und 250.000 DM, wenn der Schlüssel übergeben sei. So sei es auch geschehen. Der ehemalige Staatssekretär bestreitet dies. 1. Warum hat das Land Mecklenburg-Vorpommern die Justizvollzugsanstalt Waldeck nicht selbst errichtet? a) Wurden alternative Formen der Errichtung der JVA in Betracht gezogen? b) Wenn ja, welche und warum wurden diese nicht realisiert? c) Wenn nicht, warum nicht? Zu 1, 1 a), 1 b) und 1 c) Die Fragen 1, 1 a), 1 b) und 1 c) werden zusammenhängend beantwortet. Die besonderen Rahmenbedingungen der Entstehung des Investorenbaus Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldeck stellten sich in den Jahren ab 1992 wie folgt dar: Nach der politischen Wende bestanden zum Teil erhebliche Schwierigkeiten, für den Neu- aufbau einer funktionierenden öffentlichen Verwaltung geeignete Liegenschaften zu requirieren. Dies war Anfang der neunziger Jahre im Land Mecklenburg-Vorpommern auch im Bereich der Justizverwaltung, unter anderem im Hinblick auf eine ausreichende Anzahl an Haftplätzen in angemessenem Zustand, der Fall. Es bestand im Land erheblicher Bedarf an Investitionen in bereits vorhandene Anstalten, aber auch dringender Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten. Diese Situation wurde dadurch verschärft, dass sich die Justizvollzugsanstalt in Rostock- Warnemünde auf dem dortigen Werftgelände befand, das die Treuhandanstalt ohne Kenntnis des Landes privatisiert hatte und der Käufer der Werft auf eine zügige Räumung bestand. Daher bestand äußerst kurzfristiger Bedarf an einer neuen JVA. So entschied sich die Landesregierung mit Kabinettsbeschluss vom 10.11.1992, alle Möglichkeiten zu ergreifen, um einen Gefängnisneubau als Ersatzneubau für die Justizvollzugsanstalt Warnemünde innerhalb von 2 Jahren zu realisieren. Sollten im Landeshaushalt nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen, müsse gegebenenfalls ein Investorenbau realisiert werden. Anschließend durchgeführte erste Prüfungen in der Bauverwaltung kamen dann im Jahre 1993 zu dem Ergebnis, dass die staatliche Bauverwaltung nicht in der Lage sein würde, dieses Projekt in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit in Form einer konventionellen Landesbaumaßnahme zu realisieren. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2730 3 Daher wurde sich dann gemäß benanntem Kabinettsbeschluss dazu entschlossen, bereits vorhandenes privates Know-how auf diesem speziellen Sektor einer JVA-Neubaumaßnahme hinzuzuziehen und einen privaten Investor mit der Errichtung der JVA nach den Bedürfnissen des Landes zu beauftragen und diese anschließend anzumieten. Diese besondere Ausgangslage und die Eckpfeiler dieses Investorenbaumodelles wurden bereits in den Erläuterungen zum Haushaltstitel 1214 518.01 im Einzelplan 12 (Anlage zum Haushaltsgesetz) im Jahre 1994 dargestellt und vom Haushaltsgesetzgeber beschlossen. 2. Wurde das Projekt öffentlich ausgeschrieben? a) Wenn nicht, warum nicht und auf welcher Rechtsgrundlage wurde darauf verzichtet? b) Entspricht dies der heutigen Praxis bei der Vergabe von Bauleistungen mit vergleichbaren Kosten? c) Wäre eine Ausschreibung nach heutiger Rechtslage notwendig? Zu 2, 2 a), 2 b) und 2 c) Die Fragen 2, 2 a), 2 b) und 2 c)werden zusammenhängend beantwortet. Bauaufträge des Landes werden entsprechend den geltenden Vorschriften ausgeschrieben. Anfang der 1990er-Jahre, als dieses Projekt geplant wurde und die ersten Verträge hierzu abgeschlossen wurden (unter anderem der Mietvertrag im Jahre 1994), wurden derartige Vertragsgestaltungen in Deutschland nicht als vergaberechtspflichtig betrachtet. So wurde auch der Investorenbau JVA Waldeck nicht unter dem Aspekt des europäischen Vergaberechts gesehen. Dies entsprach, soweit ersichtlich, auch der damaligen Rechtsprechung deutscher Gerichte. Erst Ende der 1990er Jahre wurde diese Rechtsauffassung durch entsprechende Entscheidungen, vor allem des Europäischen Gerichtshofes, und durch nationale Rechtssetzungen, wie insbesondere das Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26. August 1998, das im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) einen vierten Teil (§§ 97 ff. GWB) über die Vergabe öffentlicher Aufträge einfügte, verändert. Seither wurden auch solche atypischen Mietverträge, die heute teilweise als ÖPP-Modelle im weiteren Sinne bezeichnet werden, vergaberechtlich problematisiert und wären nach heutiger Rechtslage auszuschreiben. 3. Welche Nachteile sind dem Land dadurch entstanden, dass es die Justizvollzugsanstalt Waldeck nicht selbst errichtete, sondern im Rahmen eines ÖPP-Projektes errichten ließ? Die vereinbarten Konditionen bei Abschluss der Darlehensverträge des Investors mit der Bank entsprachen den Konditionen, die das Land am Kapitalmarkt für Kredite mit entsprechenden Laufzeiten zu den betreffenden Zeitpunkten erhalten hätte. Insoweit sind die Maßnahmen unter Beachtung der besonderen Bedingungen, wie in den Antworten zu den Fragen 1 und 5 ausgeführt, aus damaliger Sicht als wirtschaftlich einzuschätzen. Drucksache 6/2730 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Die Tilgung der endfälligen Darlehen sollte durch die von den Investoren abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen weitgehend sichergestellt werden. Am Ende der Laufzeit kann danach das Land eine betriebsfähige Justizvollzugsanstalt zum Zeitwert, mindestens aber in Höhe der Restschuld des Investors bei der Bank, erwerben. Sollten die Erträge aus den Kapitallebensversicherungen und den aktuellen Tilgungsleistungen nicht ausreichen, um die bestehenden Darlehensforderungen der Bank im Jahre 2026 vollständig zu tilgen, wird der Mitte der 1990er Jahre geplante Effekt nicht eintreten. Die zahlenmäßigen Auswirkungen werden erst im Jahre 2026 genau bestimmbar sein. 4. Inwiefern waren die Konditionen bei dem ÖPP-Projekt JVA Waldeck für das Land Mecklenburg-Vorpommern nach Ansicht der Landesregierung „nicht ungünstig“? a) Trifft es zu, dass die Errichtung der JVA 56 Millionen Euro gekostet hat? b) Trifft es zu, dass das Land für die JVA Waldeck bis zum Jahr 2026 insgesamt 120 Millionen Euro Miete gezahlt haben wird? c) Welche Leistungen muss das Land laut Mietvertrag erbringen und wie hoch sind die dafür anfallenden Kosten (jährliche Kosten und Gesamtkosten seit Übergabe der JVA) und welche Leistungen in welchem Umfang trägt der Investor (jährliche Kosten und Gesamtkosten seit Übergabe der JVA)? Wie bereits in der Antwort zu Frage 3 ausgeführt, entsprachen die vereinbarten Konditionen bei Abschluss der Darlehensverträge des Investors mit der Bank den Konditionen, die das Land am Kapitalmarkt für Kredite mit entsprechenden Laufzeiten zu den betreffenden Zeitpunkten erhalten hätte. Bei einem „Vergleich“ der Baukosten mit den Mietkosten müssen (unabhängig von der damaligen besonderen Ausgangssituation) auch die Entgelte für diese Kapitalbeschaffung sowie die vom Vermieter zu tragenden Risiken und Lasten berücksichtigt werden. Zu 4 a) Die Errichtung der JVA Waldeck erfolgte zu einem Investitionsvolumen des Investors von etwa 53 Millionen Euro. Hiervon entfallen auf den geschlossenen Vollzug mit 234 Haft- plätzen, eröffnet im Juli 1996, rund 41 Millionen Euro (80 Millionen DM), auf den offenen Vollzug mit 100 Haftplätzen, eröffnet im Juli 1998, rund 7,7 Millionen Euro (15 Millionen DM), und auf die sozialtherapeutische Abteilung mit 50 Haftplätzen, eröffnet im Dezember 2004, rund 4,5 Millionen Euro. Zu 4 b) Bis zum Ende der Festmietzeit 2026 wird das Land, vorbehaltlich etwaiger Mietänderungen aufgrund von Veränderungen des Lebenshaltungskostenindexes, etwa 124 Millionen Euro Mieten gezahlt haben. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2730 5 Zu 4 c) Die vom Land für Bauunterhalt etc. aufgewandten Kosten seit dem Jahr 2000 stellen sich wie folgt dar (exklusive Kleinstreparaturen, die aufgrund Geringfügigkeit vom Nutzer selbst beauftragt werden): Jahr Kosten in Euro 2000 2.996,90 2001 4.030,81 2002 57.744,85 2003 46.917,39 2004 56.535,21 2005 55.810,21 2006 91.784,16 2007 106.059,59 2008 92.595,53 2009 96.953,11 2010 69.424,67 2011 118.791,56 2012 221.535,33 2013 91.081,38 Gemäß den entsprechenden Regelungen des Mietvertrages trägt der Vermieter alle Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung von Dach (Dachstuhl und Dachdeckung) und Fach (jegliches Außenmauerwerk und tragende Mauerwerke). Da der Vermieter die in seiner Zuständigkeit liegenden Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten zwar in Abstimmung mit dem Land, aber selbst und auf eigene Rechnung beauftragt, liegen der Landesregierung zur Höhe der hierfür getätigten Aufwendungen keine Informationen vor. 5. Inwiefern wurde nach Ansicht der Landesregierung bei dem ÖPP- Projekt JVA Waldeck das für die öffentliche Hand geltende Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit „beachtet und eingehalten“? a) Wurde eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit vor Abschluss des Mietvertrages durchgeführt und mit welchem Ergebnis? b) Warum wurde gegebenenfalls auf eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit vor Abschluss eines Mietvertrages verzichtet? Zu 5, 5 a) und 5 b) Die Fragen 5, 5 a) und 5 b) werden zusammenhängend beantwortet. Drucksache 6/2730 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, hatte die Landesbauverwaltung nach entsprechendem Kabinettsbeschluss im Jahre 1992 Vorplanungen für die Errichtung einer JVA in konventioneller Form durchgeführt. Erste Kostenschätzungen sahen für eine Haftanstalt mit 140 Haftplätzen Kosten in Höhe von etwa 80 Millionen DM vor. Der Investor errichtete den geschlossenen Vollzug mit 234 Haftplätzen zu in etwa denselben Kosten. Im Weiteren war der enorme Zeitdruck zu berücksichtigen. Selbst mit den heutigen Ressourcen einer modernen Staatshochbau- und Liegenschaftsverwaltung wäre für einen JVA-Neubau in dieser Dimension vom Planungsbeginn bis Fertigstellung mit einem Realisierungszeitraum von fünf bis sechs Jahren zu rechnen. Tatsächlich benötigte der Investor nur etwas mehr als drei Jahre (Planungsbeginn Frühjahr 1993, Baubeginn Juli 1994, Fertigstellung des geschlossenen Vollzuges Juni 1996). Die vertraglichen Abreden zwischen Land, Investor und finanzierender Bank ermöglichten es dem Investor, sogenannte Kommunalkreditkonditionen zu erhalten, die wiederum positiven Einfluss auf die vom Land zu entrichtende Miete haben. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kann davon ausgegangen werden, dass damals das geltende Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 Landeshaushaltsordnung) beachtet und eingehalten wurde. 6. Plant die Landesregierung eine Verlängerung des Mietvertrages oder einen Kauf der JVA Waldeck nach dem Jahr 2026? a) Wenn ja, zu welchen Konditionen? b) Wenn nicht, welche Alternativen kommen für die Unterbringung der Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten aus der JVA Waldeck in Betracht? Zu 6, 6 a) und 6 b) Die Fragen 6, 6 a) und 6 b) werden zusammenhängend beantwortet: Eine Entscheidung, wie mit der JVA Waldeck nach dem Jahr 2026 verfahren werden soll, ist noch nicht getroffen. Im Vorfeld des Ablaufs der Festmietzeit 2026 wird im Rahmen von § 7 Landeshaushaltsordnung eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unter Einbeziehung aller möglichen Weiternutzungsvarianten (Erwerb, Verlängerung des Mietverhältnisses) durchgeführt werden, sofern ein Landesbedarf zu diesem Zeitpunkt noch gegeben ist (vergleiche § 63 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung). Zu möglichen Konditionen können daher keine Angaben gemacht werden, da Verhandlungen dazu noch nicht geführt worden sind. Die Sicherungsverwahrung wird seit dem 1. Juni 2013 ausschließlich in der JVA Bützow vollzogen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2730 7 7. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, die den Verdacht der Korruption im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren bestätigen? a) Trifft es nach Kenntnis der Landesregierung zu, dass sich der damalige Staatssekretär im Finanzministerium, Wilhelm B., für die Vergabe des Vertrages insgesamt 500.000 DM zahlen ließ? b) Hat die Landesregierung die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens wegen der erhobenen Anschuldigungen zwischenzeitlich überprüft und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Zu 7, 7 a) und 7 b) Die Fragen 7, 7 a) und 7 b) werden zusammenhängend beantwortet. Das Justizministerium hat der Staatsanwaltschaft Schwerin im November 2013 den Vorwurf korruptiven Verhaltens im Zusammenhang mit der Projektierung und Errichtung der JVA Waldeck mit der Bitte um Prüfung des Vorliegens zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten zur Kenntnis gebracht. Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Kabinett hat die Justizministerin beauftragt, die relevanten Rechtsfragen zu prüfen. Im Finanzministerium wurde ein Verfahren der Innenrevision eingeleitet. Die zum Vorgang Justizvollzugsanstalt Waldeck vorhandenen Akten wurden auf die erhobenen Vorwürfe hin geprüft. Anhaltspunkte für persönliche Interessen beziehungsweise Korruption im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen zu diesem Investorenbauprojekt konnten bislang nicht festgestellt werden. 8. Welche Konsequenzen wird die Landesregierung aus den bei der Errichtung der JVA Waldeck offenbar aufgetretenen Unregelmäßigkeiten ziehen? Ob ein Sachverhalt vorliegt, der Konsequenzen erfordert, muss noch ermittelt werden. 9. Welche weiteren Hoch- und Tiefbaumaßnahmen des Landes wurden als Öffentlich-Private-Partnerschaft realisiert? a) Hält es die Landesregierung nun für notwendig, diese auf Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen und wenn nicht, warum nicht? b) Liegen Planungen für zukünftige Baumaßnahmen vor, die als ÖPP realisiert werden sollen und wenn ja, welche? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Drucksache 6/2730 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 8 Als Investorenbauten wurden folgende Landesdienststellen realisiert: Objekt Status Amtsgericht Rostock Ankauf 2003 Finanzamt Wolgast Nutzungsaufgabe nach Ablauf der Grundmietzeit 2009 Justizzentrum Stralsund Ankauf 2009 Grundbuchamt Rostock Ankauf 2010 Generalstaatsanwaltschaft Rostock Ankauf 2012 Amtsgericht Ribnitz-Damgarten Anmietung Landesbesoldungsamt Neustrelitz Anmietung Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg, Dienststelle Bützow Anmietung Amts- und Finanzgericht Greifswald Anmietung Finanzamt Ribnitz-Damgarten Anmietung Polizeizentrum Anklam Anmietung / Ankauf in Vorbereitung Polizeizentrum Schwerin-Krebsförden Anmietung Justizvollzugsanstalt Neustrelitz (Jugendanstalt) Anmietung Zu 9 a) Bei allen finanzwirksamen Maßnahmen werden angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auf Grundlage der geltenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen (§ 7 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung). Dies galt und gilt somit auch für sogenannte Investorenbauten, insbesondere in Vorbereitung vertragsrelevanter Entscheidungen (Mietvertragsende, Verlängerungsoptionen, Ankaufsoptionen, Finanzierungsveränderungen etc.). Zu 9 b) Nein. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2730 9 10. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage, dass ÖPP-Projekte zur Umgehung der Schuldenbremse genutzt werden? a) Wie könnte dies nach Ansicht der Landesregierung in Zukunft verhindert werden? b) Wie können nach Ansicht der Landesregierung ÖPP-Projekte in den Haushaltsplänen in Zukunft transparenter dargestellt werden? Zu 10, 10 a) und 10 b) Die Fragen 10, 10 a) und 10 b) werden zusammenhängend beantwortet werden. Mit Einführung einer Schuldenregelung in Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz sind Bund und Länder verpflichtet worden, ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Mecklenburg-Vorpommern hat die Schuldenbremse als eigene Regelung durch Verfassungsänderung im Jahre 2011 mit Wirkung ab dem Jahr 2020 in der Landesverfassung verankert (Artikel 79a, 65 Absatz 2 Landesverfassung). Letzter Mietbeginn eines Investorenbaus war im Jahre 2002 (Polizeizentrum Schwerin-Krebsförden). Ein Zusammenhang zwischen der Schuldenaufnahme und Investorenbauten besteht daher in Mecklenburg-Vorpommern nicht. Darüber hinaus bezieht sich die Kreditaufnahme im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung auf die Begründung von Finanzschulden, die die direkte Zuführung von Geldmitteln an den öffentlichen Haushalt zum Inhalt haben. Ob und inwieweit in anderen Bundesländern ÖPP-Projekte genutzt werden, um die Vorgaben der verfassungsrechtlich geregelten Schuldenbremse gezielt zu umgehen, entzieht sich der Kenntnis der Landesregierung. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es keine ÖPP-Projekte im herkömmlichen Sinne, mithin - bei Unterstellung einer entsprechenden Absicht der Landesregierung - auch keine Umgehung der Schuldenbremse, die ohnehin erst ab dem Jahr 2020 unmittelbar gilt. Entscheidend bei der Einordnung von öffentlich-privaten Partnerschaften sind das Ziel und die von den Vertragspartnern gewählte vertragliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit. In der von der Landesregierung verstandenen Lesart von ÖPP als eine Art des kooperierenden Zusammenwirkens von öffentlicher Hand mit privaten Partnern, die unter gemeinsamer Verantwortung und unter Nutzung auch privater Ressourcen auf die gemeinsame Erbringung einer öffentlichen Aufgabe gerichtet ist, sind die Folgen von ÖPP keine Schulden im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung. Vielmehr resultieren die von der Exekutive zu bedienenden Verbindlichkeiten ohne zusätzliche Finanzierungsfunktionen aus im Rahmen der staatlichen Aufgabenerfüllung eingegangenen Waren- oder Dienstgeschäften. Diese sind nach den Grundprinzipien der kameralen Haushaltsführung nur und erst dann im Haushaltsplan auszuweisen, wenn sie im Haushaltsjahr voraussichtlich fällig und damit kassenwirksam werden. Entscheidend ist demnach der Zeitpunkt der Fälligkeit der Verbindlichkeit; somit der Zeitpunkt, zu dem das Land in der Lage sein muss, die Verbindlichkeit zu bedienen. Drucksache 6/2730 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 10 Bei längerfristigen Projekten mit wiederkehrenden, künftige Haushaltsjahre belastenden Ausgaben wird das parlamentarische Budgetrecht durch die haushaltsrechtliche Einräumung von Verpflichtungsermächtigungen gesichert. Wenngleich das Land Mecklenburg-Vorpommern keine öffentlich-private Partnerschaften unterhält, im Falle solcher Zusammenarbeiten würde es gleichwohl seine zuvor eingegangenen Verpflichtungen erfüllen, und dies nicht aus eigens dafür aufgenommenen Krediten.