Der Chef der Staatskanzlei hat namens der Landesregierung die Antwort auf die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 10. März 2014 übermittelt. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2731 6. Wahlperiode 10.03.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE Aktivitäten der Landesregierung im Zusammenhang mit der öffentlichen Klageerhebung gegen den Präsidenten des Landesrechnungshofes und ANTWORT der Landesregierung Nach aktuellen Medienberichten hat die Staatskanzlei Mecklenburg- Vorpommern im Vorfeld der öffentlichen Klageerhebung gegen den Präsidenten des Landesrechnungshofes ein Rechtsgutachten an Prof. Dr. Joecks, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, insbesondere Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, an der Universität Greifswald in Auftrag gegeben, welches im Ergebnis keinerlei Anhaltspunkte für ein disziplinarrecht- liches Einschreiten oder gar für ein strafbares Verhalten des Präsidenten des Landesrechnungshofes erkennen konnte. Dies gelte insbesondere für einen hinreichenden Tatverdacht der Untreue. Das Justizministerium habe hingegen nach Presseveröffentlichungen in Kenntnis des Gutachtens keinerlei Einwände gegen die öffentliche Klage- erhebung durch die Staatsanwaltschaft gehabt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hat u. a. das Joecks-Gutachten weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht überzeugt, weil es zu den entscheidenden Tatsachen von einem unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhalt ausging. Drucksache 6/2731 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Durch wen, wann und aus welchen Gründen wurde das o. g. Gut- achten in Auftrag gegeben? Das Gutachten wurde mit Schreiben vom 20. September 2013 durch den Chef der Staats- kanzlei im Einvernehmen mit der Präsidentin des Landtages in Auftrag gegeben, um zu klären, ob gegen den Präsidenten des Landesrechnungshofes durch die Landesregierung im Einvernehmen mit der Präsidentin des Landtages Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden müssten. 2. Wie viel hat das Gutachten gekostet? Das Gutachten wurde von einem im Landesdienst stehenden Hochschullehrer im Rahmen seines Dienstverhältnisses verfasst; Kosten wurden dafür nicht in Rechnung gestellt. 3. Was sind die wesentlichen Aussagen des Gutachtens? Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass disziplinarische Schritte nicht in Betracht kommen. Weiter heißt es: „Die Staatsanwaltschaft täte gut daran, das Strafverfahren nach § 170 Absatz 2 StPO einzustellen.“. 4. Ging das Gutachten nach aktueller Kenntnis der Landesregierung zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe von einem zutreffenden bzw. vollstän- digen Sachverhalt aus und welche gegebenenfalls neuen Erkenntnisse zum Sachverhalt sind der Landesregierung heute bekannt? 5. Wie bewertet die Landesregierung bzw. die Staatskanzlei das Verhal- ten des Präsidenten des Landesrechnungshofes, insbesondere im Hin- blick auf die Nutzung seines Dienstwagens, seine Lehrtätigkeit an der Universität Rostock und die Kosten für eine Hotelunterkunft, diszipli- narrechtlich? a) Wie bewertet die Landesregierung bzw. die Staatskanzlei das vorgenannte Verhalten strafrechtlich? b) Inwiefern schließt sich die Landesregierung bzw. die Staatskanzlei den Ergebnissen bzw. Feststellungen des Gutachtens an? Die Fragen 4 und 5 werden zusammenhängend beantwortet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2731 3 Es bestand keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des Gutachtens zu zweifeln. Nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens obliegt die Entscheidung über Sachverhalt und rechtlicher Würdigung allein dem zuständigen Gericht. 6. Inwiefern war das Justizministerium bei der Beauftragung des Gut- achters eingebunden und aus welchen Gründen war dies gegebenen- falls nicht der Fall? Das Gutachten diente zur Prüfung der Frage, ob gegen den Präsidenten des Landesrechnungs- hofes durch die Landesregierung im Einvernehmen mit der Präsidentin des Landtages Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden sollten (s. o. Antwort zu Frage 1). Bei dieser Prüfung war das Justizministerium nicht zu beteiligen. 7. Inwiefern, zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Ergebnissen haben Staatskanzlei und Justizministerium die Ergebnisse des Gutachtens gegebenenfalls gemeinsam erörtert? Das Gutachten ist dem Justizministerium am 27. November 2013 in Kopie zur Kenntnis gegeben worden. Eine gemeinsame Erörterung fand nicht statt. 8. Inwiefern und wann war das staatsanwaltschaftliche Ermittlungs- verfahren gegen den Präsidenten des Landesrechnungshofes gegebe- nenfalls Gegenstand von Sitzungen des Kabinetts bzw. des Koali- tionsausschusses? Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen den Präsidenten des Landes- rechnungshofes wurde in den Kabinettssitzungen am 25. Juni 2013, 2. Juli 2013 und 25. Februar 2014 erörtert. Im Koalitionsausschuss wurde das Verfahren nicht angesprochen. Drucksache 6/2731 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 9. Inwiefern ist es nach Auffassung der Landesregierung problematisch, dass die Staatskanzlei kein disziplinar- und strafrechtlich relevantes Verhalten des Präsidenten des Landesrechnungshofes erkennen kann, das Justizministerium gleichwohl den hinreichenden Tatverdacht der Untreue und gegebenenfalls weiterer Straftatbestände bejaht (Antwort bitte begründen)? a) Unter welchen Voraussetzungen kann das Justizministerium als oberste Fachaufsicht der Staatsanwaltschaften gegen staatsanwalt- schaftliche Entscheidungen einschreiten und inwiefern war und ist ein Einschreiten im vorliegenden Fall geboten? b) In welchen Fällen und aus welchen Gründen kam es in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten zehn Jahren zu Inter- ventionen der obersten Fachaufsicht gegenüber der Staatsanwalt- schaft? Nach Einleitung eines Strafverfahrens ist allein die Wertung des zuständigen Gerichts entscheidend. Zu 9 a) Das Weisungsrecht des Justizministeriums gegenüber den Staatsanwaltschaften beruht auf § 147 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) als Ausfluss der Dienstaufsicht und folgt aus der politisch-parlamentarischen Verantwortung der Justizministerin für die Aufgabenerfüllung der Staatsanwaltschaften. Für die Ausübung des Weisungsrechts gelten in Mecklenburg-Vorpommern - wie in einer Vielzahl anderer Bundesländer - in ständiger Übung seit 2002 folgende Leitlinien: 1. „Staatsanwälte nehmen im Staatsgefüge eine Sonderstellung ein. Sie stehen - bildlich gesprochen - zwischen Exekutive und Judikative. 2. Staatsanwälte sind dem Legalitätsprinzip verpflichtet, das heißt dem Verfolgungszwang gegen jeden Verdächtigen ohne Ansehen der Person. Sie sollen dementsprechend frei ermitteln. 3. Die Staatsanwälte unseres Landes sind inhaltlich unabhängig. Ihnen und nicht dem Justizministerium obliegt die Entscheidungshoheit über die Ermittlungen. 4. Staatsanwälte unterliegen einer dreistufigen Aufsicht und Leitung: durch ihren Behördenleiter , durch den Generalstaatsanwalt und durch das Justizministerium. Das Gerichts- verfassungsgesetz schreibt dies so vor. 5. Das Justizministerium ist in diesem abgestuften Weisungssystem mit seinem sogenannten externen Weisungsrecht die letzte Instanz. Vorgeschaltet sind gleichsam als staatsanwalt- schaftliche Selbstkontrolle die internen Aufsichts- und Weisungsrechte des Leitenden Oberstaatsanwalts als Behördenleiter und vor allem die des Generalstaatsanwalts als vorgesetzte Behörde. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2731 5 6. Auf allen drei Stufen ist die unüberschreitbare Grenze für das Aufsichts- und Weisungsrecht das Legalitätsprinzip. Dieses begrenzt das Weisungsrecht kompromisslos. 7. Das Gesetz ermächtigt das Justizministerium zu Weisungen allgemeiner Art und auch zu Weisungen im Einzelfall. 8. In Mecklenburg-Vorpommern erschöpft sich die Ausübung des ministeriellen Weisungsrechts in allgemeinen Weisungen, das heißt in dem Erlass landesweit geltender allgemeiner Regelungen. Diese sollen eine gleichmäßige Strafrechtspflege im Land gewährleisten. 9. Der Justizminister Mecklenburg-Vorpommern macht von seinem Weisungsrecht in anhängigen Ermittlungsverfahren in ständiger Selbstbindung keinen Gebrauch. Aller- dings gibt es eine vorstellbare Ausnahme. Fachaufsicht ist die Kontrolle der Richtigkeit der Dienstausübung - keinesfalls eine politische Kontrolle. Eine Weisung kommt deshalb in Mecklenburg-Vorpommern nur in dem Fall in Betracht, dass der zuständige General- staatsanwalt gegen eine rechtsfehlerhafte staatsanwaltschaftliche Sachbehandlung zu Unrecht nicht einschreitet. 10. Eine Weisung erginge auf jeden Fall nur in schriftlicher Form. Dies dient der Überprüfbarkeit und Transparenz. Adressat wäre stets der Generalstaatsanwalt als die zuständige Stelle im Instanzenzug. Dieser hätte die Weisung des politisch verantwort- lichen Ministers seinerseits zunächst auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Im Falle einer Weitergabe der Weisung an die Staatsanwaltschaft übernähme er dann zugleich die Verantwortung dafür, dass die Weisung ausschließlich an Recht und Gesetz orientiert und nicht von politischen Erwägungen bestimmt ist.“ In dem in Rede stehenden Verfahren hat die Prüfung des Justizministeriums ergeben, dass kein Anlass bestand und besteht, gegen staatsanwaltschaftliche Entscheidungen Maß- nahmen der Fachaufsicht anzuordnen. Zu 9 b) In keinem Fall.