Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 27. März 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2795 6. Wahlperiode 28.03.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Jürgen Suhr, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Internetnutzung im Strafvollzug und ANTWORT der Landesregierung Telekommunikationsformen wie E-Mail, E-Learning, Internet und Intranet sind aus unserer Lebenswelt nicht mehr wegzudenken, für Strafgefangene jedoch bislang nahezu unzugänglich. Das ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht ganz unproblematisch, soll doch die Freiheitsstrafe lediglich die körperliche Bewegungsfreiheit und nicht auch andere Grundrechte einschränken. Nach dem neuen Strafvollzugsgesetz kann der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde den Gefangenen gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, nach dem derzeitigen Stand der technischen Entwicklung sei dabei insbesondere an E-Mail, E-Learning, Internet und Intranet zu denken. 1. Hat das Justizministerium bereits gemäß § 36 Satz 1 StVollzG andere Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes zugelassen? a) Wenn ja, welche und seit wann? b) Wenn nicht, warum nicht und wann plant das Justizministerium die Zulassung welcher anderer Formen der Telekommunikation? Ja. Drucksache 6/2795 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Zu a) Die eliS-Lernplattform in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bützow und ab dem 01.04.2014 in der JVA Stralsund. „elis“ steht für e-learning im Strafvollzug und ist eine Lern- und Kommunikationsplattform, die speziell für das Lehren und Lernen im Strafvollzug konzipiert wurde. Die elis-Lernplattform ist seit 2004 im deutschen Strafvollzug etabliert. Sie wird derzeit von den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen sowie der Republik Österreich finanziert und genutzt. Sie bietet eine umfassende Mediathek mit rund 200 verschiedenen Lernprogrammen für die schulische und berufliche Bildung sowie für Medien-, Sozial- und Alltagskompetenzen. Auf die Zielgruppe abgestimmte digitale Lernmedien stehen allen Strafgefangenen zur Verfügung, die im Rahmen von Bildungsangeboten an Maßnahmen in eigens eingerichteten Computerräumen teilnehmen. In der JVA Waldeck wurde die Möglichkeit der beschränkten Internetnutzung, insbesondere für Bildungsangebote im Rahmen eines zeitlich begrenzten Projekts im geschlossenen Vollzug in der Vergangenheit bereits realisiert. Die Gefangenen konnten über das dafür eingerichtete Lernkabinett mit Internetzugang über die UNI Bremen aus- und fortgebildet werden. Zu b) Zukünftig ist geplant, durch ein sogenanntes Multimediasystem auf dem Haftraum die Möglichkeit einzurichten, andere Formen der Telekommunikation, wie zum Beispiel streng eingeschränkten Internetzugang zuzulassen, damit sich die Strafgefangenen beispielsweise über das Geschehen in der Welt informieren können, Kontakt zu Angehörigen halten oder sich im Wege des e-learnings [siehe Antwort zu Frage 1a)] fortzubilden. Dieses Vorhaben erfordert eine Breitbandverkabelung bis in den Haftraum, die aktuell in den Justizvollzugsanstalten nicht vorhanden ist. Im Zuge der umfangreichen Baumaßnahmen in den einzelnen Justizvollzugseinrichtungen wird diese technische Voraussetzung bis zum Jahr 2018 realisiert werden können. Eine generelle Zulassung anderer Formen der Telekommunikation wird jedoch nur dann in Betracht kommen, wenn die damit verbundenen abstrakten Gefahren für die Sicherheit der Anstalt tatsächlich einschätzbar und beherrschbar sind. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2795 3 2. Können Strafgefangene in Mecklenburg-Vorpommern derzeit Bildungsangebote aus dem Hochschulbereich wie ein Studium an der Fernuniversität Hagen wahrnehmen? a) Wenn ja, wie viele Strafgefangene haben in den vergangenen fünf Jahren welche Bildungsangebote aus dem Hochschulbereich wahrgenommen? b) Wenn nicht, aus welchen Gründen werden entsprechende Bildungsangebote nach Einschätzung der Landesregierung nicht wahrgenommen? Ja. Zu a) Über die Zahl der Strafgefangenen, die Bildungsangebote aus dem Hochschulbereich wahrnehmen, werden statistische Erhebungen nicht geführt. Die Abfrage bei den Justizvollzugsanstalten hat jedoch ergeben, dass in den vergangenen fünf Jahren das Interesse für die Nutzung eines Bildungsangebots aus dem Hochschulbereich von fünf Gefangenen bekannt geworden ist. Dabei legt ein Gefangener der JVA Waldeck aktuell das für ein Hochschulstudium erforderliche Abitur ab, was durch eine Verlegung in Abweichung vom Vollstreckungsplan in ein anderes Bundesland realisiert wird. Bei einem weiteren Gefangenen wurden mit Unterstützung der Anstalt ein BWL-Fernstudium begonnen und Teilprüfungen ohne Nutzung eines PCs abgelegt. Aufgrund seiner Entlassung im Jahr 2010 konnte der Abschluss des Studiums innerhalb der Haftzeit nicht realisiert werden. Bei dem dritten Gefangenen wurden die erforderlichen Absprachen geführt und notwendige Unterlagen durch die Anstalt eingeholt, der Gefangene zeigte sich dann im Haftverlauf nicht ausreichend motiviert und konnte bislang noch keine Nachweise für den Fortgang des Studiums erbringen. Bei einem vierten Gefangenen werden aktuell im Rahmen der Vollzugsplanung die Möglichkeiten der Aufnahme eines Fernstudiums geprüft. Ein weiterer Strafgefangener im offenen Vollzug der JVA Stralsund nutzt ein Bildungsangebot an der Fernuniversität Hagen (Studiengang Wirtschaftsrechtswissenschaften). Zu b) Dass aktuell nicht noch mehr Strafgefangene die Angebote wahrnehmen, liegt nach Einschätzung der Landesregierung daran, dass es nur wenige Gefangene gibt, welche die Zugangsvoraussetzungen, das Interesse und die andauernde Motivation zum Beispiel für ein Fernstudium mitbringen. Drucksache 6/2795 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 3. Welche konkreten Gefahren für die Sicherheit der einzelnen Justizvollzugsanstalten können nach Ansicht des Justizministeriums durch die Zulassung anderer Formen der Telekommunikation, hier insbesondere der Internetnutzung, entstehen? Die Gefahren der uneingeschränkten Internetnutzung durch Gefangene entsprechen den allgemeinen Gefahren, die der unbeschränkte Zugriff auf Informationen mit sich bringt (hier insbesondere Cybercrime, kriminelle Netzwerke etc.). Da es im Strafvollzug in Mecklenburg-Vorpommern aktuell keine technischen Möglichkeiten gibt, den Insassen einen eingeschränkten Zugang zum Internet zu ermöglichen, ist die Missbrauchsgefahr zu hoch. Der unkontrollierte Zugriff von Gefangenen auf das Internet würde den Austausch von Nachrichten und die Beschaffung von Informationen auf eine Weise ermöglichen, die mit den Sicherheitsbedürfnissen einer Justizvollzugsanstalt nicht zu vereinbaren sind. Diesem kann nach hiesiger Auffassung auch nicht mit einem vertretbaren Kontrollaufwand begegnet werden. 4. Wie gedenkt das Justizministerium die Grundrechtsausübung der Strafgefangenen in Gestalt der Nutzung anderer Formen der Telekommunikation , hier insbesondere des Internet und die Sicherheit der Justizvollzugsanstalten, miteinander in Einklang zu bringen? Eine Verletzung der Grundrechtsausübung aus Artikel 5 Grundgesetz wird nicht gesehen, da die Gefangenen Radio- und Fernsehgeräte in den Justizvollzugseinrichtungen betreiben können. Zudem besteht die Möglichkeit, Zeitungen und Zeitschriften zu abonnieren. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Wie bewertet das Justizministerium die Erfahrungen der Länder Bayern, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen mit der Zulassung anderer Formen der Telekommunikation, hier insbesondere der Internetnutzung? Die Erfahrungen anderer Bundesländer mit der Zulassung anderer Formen der Telekommunikation - außerhalb der elis-Lernplattform - sind hier nicht bekannt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2795 5 6. Wie wirkt sich nach Meinung des Justizministeriums der Mangel an Kenntnissen über andere Formen der Telekommunikation wie E-Mail, E-Learning, Internet und Intranet auf die Fähigkeit der Strafgefangenen aus, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren? Üblicherweise werden in Deutschland Computerkenntnisse bereits in den Grundschulen und später auch auf den weiterführenden Schulen im Fach Informatik gelehrt. Ein genereller Mangel an Kenntnissen kann also allein aufgrund einer Inhaftierung nicht entstehen. Allenfalls bei Gefangenen, die seit mindestens 15 Jahren inhaftiert sind, wäre ein solcher Mangel nachvollziehbar. Bei Gefangenen des offenen Vollzuges besteht die Gefahr der Einschränkung dieser Fähigkeit im Umgang mit anderen Formen der Telekommunikation ohnehin nicht, da diese Gefangenen während ihrer vorübergehenden Abwesenheit aus dem Vollzug (Ausgänge und Langzeitausgänge ) andere Formen der Telekommunikation unbegrenzt für sich nutzen können. In den beiden Klassen der Berufsreife und der Mittleren Reife in der Jugendanstalt Neustrelitz werden wöchentlich zwei Stunden Informatik angeboten. 7. Was unternimmt das Justizministerium, um die den Strafgefangenen aus dieser Unkenntnis möglicherweise entstehenden Nachteile abzumildern ? Es werden bereits in einzelnen Justizvollzugseinrichtungen im Rahmen von Projekten fortlaufend zeitlich begrenzte Computerkurse (zum Beispiel Erwerb des „Europäischen Computerführerscheins“ oder Sprach-/Alphabetisierungskurse) als Freizeitmaßnahme angeboten.