Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 16. Mai 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2897 6. Wahlperiode 19.05.2014 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schülerinnen und Schüler mit schulaversivem Verhalten und ANTWORT der Landesregierung In der Ostsee-Zeitung vom 27.03.2014 (Ausgabe Rostock, S. 9) wird unter dem Titel „Rostocker verlassen die Schule immer häufiger ohne Abschluss. Forscher und Eltern sind ratlos. Ein großes Problem ist das Schuleschwänzen“ unter anderem ausgeführt: „In einem Punkt sind sich Elternrat und Ministerium jedoch einig: Rostock hat ein SchulschwänzerProblem . ‚Schüler fehlen stunden- und tageweise oder sogar über Wochen unentschuldigt im Unterricht‘, heißt es aus dem Bildungsministerium.“ 1. Wie hoch war die Zahl der Schülerinnen und Schülern mit schul- aversivem Verhalten an allgemein bildenden Schulen in den Schulhalbjahren 2011/2012, 2012, 2012/2013 und 2013 (bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten differenzieren)? Schulaversives Verhalten kann sich bei Anwesenheit in der Schule in einer Abneigung oder Abweichung gegen Elemente des Systems Schule (zum Beispiel gegen Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrkräfte, Schulgebäude), aber auch durch ein unentschuldigtes schulabsentes Verhalten äußern. Das unentschuldigte tageweise Fernbleiben vom Unterricht wird schuljahresbezogen statistisch erfasst. Ein Erfassen nach Kalenderjahren erfolgt nicht, da es für die Dokumentation von unentschuldigten Fehltagen auf den Halb- und Endjahreszeugnissen nicht relevant ist. Drucksache 6/2897 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Für die Schuljahre 2011/2012 und 2012/2013 wurden in den Landkreisen und kreisfreien Städten an den öffentlich allgemein bildenden Schulen (ohne Schülerinnen und Schüler an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung) folgende Zahlen ermittelt: Staatliches Schulamt Landkreis/kreisfreie Stadt Zahl der Schülerinnen und Schüler mit unentschuldigten Fehltagen 2011/2012* Zahl der Schülerinnen und Schüler mit unentschuldigten Fehltagen 2012/2013* Rostock Rostock 652 713 Landkreis Rostock 353 283 Schwerin Schwerin 224 313 Landkreis Nordwest- mecklenburg 160 240 Landkreis Ludwigslust-Parchim 267 302 Greifswald Landkreis Vorpommern-Rügen 185 322 Landkreis Vorpommern- Greifswald 154 156 Neubrandenburg Landkreis Mecklenburgische Seenplatte 276 145 * Die statistische Erfassung erfolgt grundsätzliche bereits ab einem unentschuldigten Fehltag. Es ist somit davon auszugehen, dass nicht in jedem der Fälle zwingend von einem schulaversiven Verhalten gesprochen werden kann. 2. In wie vielen der in Frage 1 genannten Fälle verließen die Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss? Die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss an den öffentlich allgemein bildenden Schulen sowie den Privatschulen wird regelmäßig nach Ende eines jeden Schuljahres statistisch erfasst, jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht schülerbezogen. Ein Bezug zu einem möglichen unentschuldigten schulabsenten Verhalten lässt sich daher nicht herstellen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2897 3 3. Wie hat sich der Anteil der Schülerinnen und Schülern mit schul- aversivem Verhalten seit Beginn der statistischen Erfassung entwickelt? a) Welche Gründe sieht die Landesregierung für diese Entwicklung? b) Welche statistischen Vergleichszahlen gibt es für andere Bundes- länder und wie ordnen sich die Angaben für MecklenburgVorpommern im Bundesvergleich ein? Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit einem unentschuldigten schulabsenten Verhalten hat sich in den vergangenen sechs Schuljahren in Bezug auf die jeweiligen Gesamtschülerzahlen an den öffentlich allgemein bildenden Schulen auf einem relativ konstant niedrigen Niveau gehalten. Sie schwankt zwischen 1,92 Prozent im Schuljahr 2011/2012 und 2,26 Prozent im Schuljahr 2008/2009: Schuljahr Gesamtschülerzahl Zahl der Schülerinnen und Schüler mit unentschuldigten Fehltagen** Verhältnis zur Gesamtschülerzahl (in Prozent) 2007/2008 126.620* 2.787 2,20 2008/2009 116.448* 2.632 2,26 2009/2010 114.868* 2.353 2,05 2010/2011 116.046* 2.605 2,24 2011/2012 118.411* 2.271 1,92 2012/2013 121.416* 2.474 2,04 * Ohne Schülerinnen und Schüler der Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. ** Die Statistische Erfassung erfolgt grundsätzlich bereits ab einem unentschuldigten Fehltag. Es ist somit davon auszugehen, dass nicht in jedem der Fälle zwingend von einem schulaversiven Verhalten gesprochen werden kann. Zu 3 a) Die Statistik verdeutlicht, dass eine Vielzahl von erzieherischen beziehungsweise therapeutischen Maßnahmen erfolgreich greifen. Hierzu zählen: - die Erfassung von Einzelfehlstunden und -tagen, - die aktenkundige Information der Eltern, - Gespräche über Pflichten, - die umfassende Beratung über Hilfsangebote (Schulsozialarbeit, Psychologinnen und Psychologen, Jugendamt, Erziehungsberatungsstellen, Therapie), - die Aufforderung, von den Hilfsangeboten Gebrauch zu machen, - Information über mögliche Konsequenzen, - Umsetzung von Erziehungsmaßnahmen gemäß § 60 Schulgesetz und Ordnungsmaß- nahmen gemäß § 60 a Schulgesetz, - die Androhung von Bußgeld, - Erteilung eines Bußgeldbescheides, - die zwangsweise Zuführung, - das Einschalten der Jugendgerichtshilfe. Drucksache 6/2897 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Darüber hinaus werden im Land schulische Angebote vorgehalten, die die Quote der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss senken und insbesondere bei unentschuldigtem schulabsentem Verhalten zur sozialen Wiedereingliederung beitragen. Hierzu zählen die 27 Schulen mit Produktivem Lernen sowie die 23 Schulwerkstätten als kooperative Erziehungs- und Bildungsangebote von Schule und Jugendhilfe mit dem Schwerpunkt in den Jahrgangsstufen 5 bis 7. Zu 3 b) Der Landesregierung liegen keine vergleichbaren Zahlen aus den anderen Ländern vor. 4. Gibt es aus Sicht der Landesregierung lokale Brennpunkte mit einem besonders hohen Anteil schulaversiver Schülerinnen und Schüler? a) Wenn ja, wo liegen diese Brennpunkte? b) Wurden für diese Brennpunkte besondere Maßnahmen eingeleitet, um die Zahl der Schulverweigerer zu senken? c) Trifft insbesondere die oben zitierte Aussage zu, dass Rostock ein „Schulschwänzer-Problem“ habe? Zu 4 und 4 a) Das Verhältnis zwischen den jeweiligen Schülerzahlen und den Zahlen der Schülerinnen und Schülern mit unentschuldigten Fehltagen hat sich in den vergangenen zwei Schuljahren 2011/2012 und 2012/2013 in den Landkreisen und kreisfreien Städten folgendermaßen gestaltet (ohne Schülerinnen und Schüler von Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung): Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2897 5 Staatliches Schulamt Landkreis/ kreisfreie Stadt Gesamtschülerzahl der öffentlich allgemein bildenden Schulen 2011/2012 Zahl der Schülerinnen und Schüler mit unentschuldigten Fehltagen 2011/2012** in Prozent (2011/ 2012) Gesamtschülerzahl der öffentlich allgemein bildenden Schulen 2012/2013 Zahl der Schülerinnen und Schüler mit unentschuldigten Fehltagen 2012/2013** in Prozent (2012/ 2013) Rostock Rostock 12.335 652 5,29 12.834 713 5,55 Landkreis Rostock 15.883 353 2,22 16.284 283 1,74 Schwerin Schwerin 6.690 224 3,35 6.935 313 4,51 Landkreis Nordwest- mecklenburg 12.812 160 1,25 12.999 240 1,85 Landkreis Ludwigslust- Parchim 17.002 267 1,57 17.363 302 1,74 Greifswald Landkreis Vorpommern- Rügen 15.917 185 1,16 16.332 322 1,97 Landkreis Vorpommern- Greifswald 10.956* 154 1,41 17.621 156 0,89 Neubrandenburg Landkreis Mecklenburgische Seenplatte 26.816* 276 1,03 21.048 145 0,89 * Ohne Berücksichtigung der Kreisgebietsreform. ** Die statistische Erfassung erfolgt grundsätzlich bereits ab einem unentschuldigten Fehltag. Es ist somit davon auszugehen, dass nicht in jedem der Fälle zwingend von einem schulaversiven Verhalten gesprochen werden kann. Regelmäßiges Schulschwänzen steht oftmals in Wechselwirkung mit den verschiedensten Risikofaktoren, hierzu gehören unter anderem die Lern- und Leistungsbereitschaft des Kindes beziehungsweise Jugendlichen, das Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schülerin bzw. Schüler, das Verhältnis der Schülerinnen und Schüler untereinander, die Herkunftsverhältnisse , die Familiensituation, aber auch der gesellschaftliche Umgang. Insbesondere in urbanen Räumen werden diese Faktoren durch die vorhandene höher konzentrierte soziale Infrastruktur begünstigt, sodass hierbei, ein Stadt-Land-Gefälle vorherrscht. Dies trifft wiederum auch für die einzelnen Landkreise zu. Drucksache 6/2897 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Zu 4 b) Die in der Antwort zu Frage 3 a) genannten Maßnahmen kommen in allen Landkreisen und kreisfreien Städten gleichermaßen zur Anwendung. Es handelt sich hierbei stets um Einzelfallentscheidungen, die die individuellen Bedürfnisse der betreffenden Kinder beziehungsweise Jugendlichen berücksichtigen. Zu 4 c) Es wird auf die Antwort zu den Fragen 4 und 4 a) verwiesen. Die Stadt Rostock hat als Einzelstandort mit der höchsten Schülerzahl auch die höchste Quote von Schülerinnen und Schülern mit unentschuldigten Fehltagen.