Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 12. Juni 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/2996 6. Wahlperiode 12.06.2014 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Karen Stramm und Torsten Koplin, Fraktion DIE LINKE HICARE-Projekt und ANTWORT der Landesregierung Mit der Entdeckung der Antibiotika am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein neues Kapitel in der Medizin aufgeschlagen. Heute, gut 100 Jahre später, haben unbedachter Umgang und mangelhafte Hygiene diese Waffe stumpf werden lassen. Zunehmend finden sich Infektionserreger, die gegen viele oder alle Antibiotika resistent sind. Besonders verschärft wird diese Situation durch die Tatsache, dass in absehbarer Zeit kaum neue antimikrobiell wirksame Substanzklassen zur Zulassung kommen werden. Wir stehen vor dem Eintritt in die „Postbiotische Ära“, eine Zeit also, in der - wie vor 100 Jahren - viele Infektionen wieder schwer oder unheilbar sein können. Im Modellvorhaben Health, Innovative Care and Regional Economy (HICARE) - Aktionsbündnis gegen multiresistente Erreger sollen in einem regional konzertierten Ansatz wirkungsvolle, standardisierte und transferierbare Interventionsstrategien entwickelt und erprobt werden, um der Ausbreitung multiresistenter Erreger (MRE) wirkungsvoll zu begegnen. 1. Welche Laufzeit hat das Projekt HICARE und zu welchem Zeitpunkt wird das Projekt voraussichtlich beendet sein? Das Projekt HICARE hat eine Gesamtprojektlaufzeit vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2015. Drucksache 6/2996 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Auf welche konkreten Ergebnisse kann das Projekt HICARE bislang verweisen und welche Aufgaben sollen bis zum voraussichtlichen Projektende noch erfüllt werden? Das Gesamtprojekt HICARE gliedert sich in sechs Projektfelder (PF): PF 1 - Erreger, Diagnostik multiresistenter Erreger und Prävalenzuntersuchungen, PF 2 - Intervention, Aufbau eines transsektoralen Hygienekonzeptes, PF 3 - Innovation, Klinische Anwendungs- studien zu MRE (multiresistente Erreger)-wirksamen Produkten, PF 4 - IT & Epidemiologie, Zentrales Daten- und Informationsmanagement, PF 5 - Gesundheitsökonomie, Kosten- und Nutzenanalysen und PF 6 - Transfer, Verwertungsstrategien für den Praxistransfer der Projektergebnisse, die von unterschiedlichen Projektpartnern bearbeitet werden. Die Zwischenergebnisse sind umfangreich. Zu den Projektteilen liegen umfassende ausführliche Zwischenberichte vor, die den erfolgreichen Projektfortschritt aufzeigen. Zum PF 6 fand Ende 2013 eine erfolgreiche Zwischenevaluierung der ersten Förderphase statt. Aufgrund der Informationsmenge können hier nur beispielhaft und zusammenfassend einige Fakten aufgezeigt werden: Es wurde ein zentraler Anlauf- und Kommunikationspunkt geschaffen, eine MRE-Hotline und ein Online-System zu Antibiotika-Empfehlungen eingerichtet sowie Informations- broschüren entwickelt. Weiterhin wurden inhaltlich und ökonomisch verbesserte Konzepte des Hygienemanagements sowie ein Konzept für Hygiene-Qualitätssiegel erstellt. Basierend auf einer zunächst notwendigen umfassenden Erfassung und Auswertung des IST-Zustandes wurde und wird umfangreiche Aufklärungs- und Qualifizierungsarbeit geleistet. Es wurden Risikoempfehlungen, ökonomische Empfehlungen zum Umgang mit MRSA (Methicillin- resistenten Staphylococcus aureus)-Bakterien und Kriterien zur ambulanten Sanierung von MRSA-Patienten entwickelt. Bestandteile des Projektes sind ebenso eine Vielzahl von klinischen Studien. Beispielhaft wäre die EMP (Entdecke das mittelständische Personalmanagement)-Studie, welche sich mit der Identifizierung und Sanierung von MSRA-positivem Personal in Gesundheitseinrich- tungen beschäftigt oder die MEracL (MRSA-eradication of chronic lesions)-Studie, deren Fokus auf der Sanierung von MRSA-kolonisierten oder -infizierten chronischen Wund- patienten liegt oder auch die Erfassung der MRSA-Epidemiologie in landwirtschaftlichen Betrieben und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bis zum Projektende sollen unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen die wissen- schaftlichen Studien erfolgreich beendet, die Daten ausgewertet, analysiert und publiziert, die begonnenen Arbeiten fortgeführt sowie die Netzwerke gefestigt und weiter ausgebaut werden. Durch Verzögerungen in der Etablierung der projektfeldübergreifenden Studie HARMONIC (Harmonized approach against multiresistant organisms and nosocomial infections), auf welcher ein wesentlicher Teil der Datenerhebung beruht, können einige Auswertungen und Publikationen voraussichtlich allerdings nicht mehr im derzeitigen Projektzeitraum beendet werden. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/2996 3 3. Wie beurteilt die Landesregierung die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse und die weiterreichenden Effekte des Projektes für die Entwicklung von Strategien gegen multiresistente Erreger in Mecklenburg-Vorpommern und im Ostseeraum? Durch das Projekt werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse in einem gesundheits- ökonomisch und -politisch sehr relevanten Feld erarbeitet. Erste Ergebnisse wurden bereits mehrfach in wissenschaftlichen Publikationen in international anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht sowie auf Fachkongressen präsentiert. Ohne das Wissen um die Ursachen können keine Strategien entwickelt werden. Das Projekt ist darauf ausgerichtet, wissen- schaftliche Erkenntnisse zu erringen, das erarbeitete Wissen zu verbreiten, Aufklärungs- und Qualifizierungsarbeit zu leisten, Konzepte und Empfehlungen zu entwickeln und schluss- folgernd sowohl wissenschaftliche, klinische Versorgungs- als auch ökonomische Effekte beim Umgang mit multiresistenten Erregern zu erreichen. Es erfolgt weiterhin eine enge Verzahnung mit der universitären Lehre und damit die Vermitt- lung von vertiefendem Wissen im Bereich Gesundheitsmanagement für den Einsatz in der späteren Berufslaufbahn. Auch mit wirtschaftlichen Unternehmen wurden durch die hetero- gene Projektverbundstruktur Vernetzungen aufgebaut, aus denen bereits erste Folgeprojekte hervorgehen. Das Ergebnis der Ende 2013 stattgefundenen Evaluierung des Projektfeldes 6 (siehe oben) bestätigt dies. Die Einschätzungen der Gutachter bezeugen unter anderem den Innovations- charakter des Projektes, die Beförderung der wissenschaftlichen Kompetenz in der Region und des praktischen Umgangs mit MRE und Hygiene allgemein. Ebenso wird das Interesse über die Grenzen des Landes hinaus gesehen. Nebeneffekte des Projektes für Mecklenburg-Vorpommern sind weiterhin die Personal- gewinnung, die intensivierte Vernetzung von Forschungseinrichtungen des Landes sowie die positive Außendarstellung Mecklenburg-Vorpommerns. 4. Wie wird das Projekt HICARE aktuell finanziert und wer trägt welche Kosten? Das Projekt HICARE ist Gewinner im Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Gesundheitsregionen der Zukunft“ und wird vom Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern gefördert. Das Gesamtbudget von 16 Millionen Euro setzt sich zusammen aus 7,5 Millionen Euro Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, 4,0 Millionen Euro Drittmitteln der Industrie, 3,7 Millionen Euro Eigen- und Drittmitteln weiterer Partner und 0,8 Millionen Euro Kofinanzierungsmitteln des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die Landesförderung erfolgt als Projektförderung innerhalb des Forschungsfonds Mecklenburg-Vorpommerns. Drucksache 6/2996 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Welches Interesse hat die Landesregierung an der Verlängerung des Projektes HICARE auch nach Auslaufen der Fördermittel des Bundes und welche Möglichkeiten der Unterstützung sieht die Landesregie- rung ihrerseits? Das Projekt HICARE ist ein Baustein in der Landesstrategie (Gesundheitsland Nummer 1) und reiht sich in die grundsätzlichen im Masterplan Gesundheitswirtschaft Mecklenburg- Vorpommern 2020 definierten Zielstellungen ein. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Erforschung, Erprobung und Implemen- tierung neuer Strategien zur Bekämpfung multiresistenter Keime auch über den Zeitraum des HICARE-Projektes hinaus einen hohen Stellenwert in Deutschland haben muss. Aufgrund der Erfahrungen und guten strukturellen Voraussetzungen sollte Mecklenburg-Vorpommern dabei eine führende Rolle einnehmen. Über konkrete Anschlussprojekte wird zu gegebener Zeit unter Berücksichtigung weiterer Nationaler Programme zur Bekämpfung multiresistenter Keime entschieden.