Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 12. Juni 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3001 6. Wahlperiode 12.06.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Jürgen Suhr, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Polizeieinsatz in Demmin am 8. Mai 2014 und ANTWORT der Landesregierung Am 8. Mai 2014 haben mehrere hundert Demonstrantinnen und Demonstranten in Demmin gegen die dort stattfindende Nazikundgebung protestiert. Die Art des Polizeieinsatzes anlässlich dieser Versammlungen wurde vielfach kritisiert. 1. Hat die Landespolizei am 8. Mai 2014 in Demmin Reizstoffe (wie Pfefferspray oder ähnliches) gegen Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer eingesetzt und, wenn ja, a) im Rahmen welcher Versammlung und aus welchen Gründen? b) inwiefern waren nach Ansicht der Landesregierung die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz von Reizstoffen gegeben? c) wurde der Einsatz der Reizstoffe den Versammlungsteilnehme- rinnen und -teilnehmern zuvor angedroht und, wenn nicht, warum nicht? Es kam in zwei Fällen zur Anwendung von Reizgas. Zu 1 a) Gegen 18:00 Uhr wurde durch Anwendung von Reizgas das Zulaufen auf eine Polizeikette durch eine Gruppe von 25 zum Teil vermummten Personen verhindert. Die Personen, die zu den Gegendemonstranten gehörten, befanden sich zum Zeitpunkt des Reizstoffeinsatzes zirka 15 Meter vor den Polizeibeamten. Der Einsatz von Reizstoff war vorher angekündigt worden. Drucksache 6/3001 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Gegen 19:45 Uhr wurden Polizeikräfte an einer Sitzblockade zur Räumung eingesetzt. Die Teilnehmer der Blockade leisteten Widerstand durch Schubsen, Treten und Schlagen auf die Helme der Polizeibeamten. Gegen zwei aktiven Widerstand leistende Personen wurde Reiz- stoff eingesetzt. Der Einsatz von Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt war vorher angedroht worden. Nach vorliegenden Erkenntnissen wurden in beiden Fällen keine Personen verletzt. Zu 1 b) Der Einsatz von Reizstoff als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt war in beiden Fällen zur Gefahrenabwehr zulässig, geeignet und erforderlich. Die Anwendung von Zwangsmitteln war vorher mündlich angedroht worden. Verstöße gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen werden hier nicht gesehen. Zu 1 c) Es wird auf die Antwort zu Frage 1 a) verwiesen. 2. Hat die Landespolizei am 8. Mai 2014 in Demmin Wasserwerfer gegen Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer eingesetzt und, wenn ja, a) im Rahmen welcher Versammlung und aus welchen Gründen? b) inwiefern waren nach Ansicht der Landesregierung die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz von Wasserwerfern gegeben? c) wurde der Einsatz der Wasserwerfer den Versammlungsteilnehme- rinnen und -teilnehmern zuvor angedroht und, wenn nicht, warum nicht? Die Fragen 2 a), 2 b) und 2 c) werden zusammenhängend beantwortet. Nein, die Polizei hat keine Wasserwerfer eingesetzt. Bei der Kundgebung der NPD am Hafen von Demmin kam es zu massiven Störungsaktionen der Gegendemonstranten. Zwei Wasser- werfer wurden daraufhin im Einsatzverlauf zum Hafen beordert und dort als potenzielle Hilfsmittel in die dortige polizeiliche Absperrung integriert. 3. Wie viele Personen wurden im Zusammenhang mit den am 8. Mai 2014 in Demmin stattfindenden Versammlungen wie schwer verletzt? a) Wie viele davon waren Versammlungsteilnehmerinnen und –teilnehmer ? b) Wie viele davon waren Polizistinnen und Polizisten? Acht Personen wurden verletzt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3001 3 Ein stark alkoholisierter Anwohner aus Demmin klagte nach einer Auseinandersetzung über Schmerzen. Er suchte das Krankenhaus auf, wo keine Verletzungen bei ihm festgestellt wurden. Er war kein unmittelbarer Teilnehmer einer Versammlung. Zu a) Drei Versammlungsteilnehmer wurden verletzt. Ein Teilnehmer des NPD-Aufzugs wurde durch eine Gruppe aus den Reihen der Gegen- demonstranten unter anderem am Kopf schwer verletzt und ins Krankenhaus eingeliefert, eine zweite Person wurde bei der gleichen Aktion leicht verletzt. Ein französischer Staatsbürger vonseiten der Gegendemonstranten wurde während polizei- licher Maßnahmen bewusstlos und in der Folge ins Krankenhaus Demmin eingewiesen. Nach erfolgter Behandlung verließ er das Krankenhaus noch in derselbigen Nacht. Zu b) Vier Polizeibeamte wurden verletzt. Zwei Polizeivollzugbeamte wurden durch den unter 3 a) benannten französischen Staats- bürger jeweils in die Hand gebissen, ein dritter Polizeibeamter wurde von ihm in die Achilles- sehne getreten. Eine Polizeibeamtin wurde im Einsatzverlauf am Ellenbogen verletzt. Alle vier blieben nach ärztlicher Behandlung dienstfähig. 4. Gegen wie viele Personen wurden aufgrund welcher Vorwürfe im Zusammenhang mit den am 8. Mai 2014 in Demmin stattfindenden Versammlungen Ermittlungsverfahren eingeleitet? a) Wie viele Personen wurden am 8. Mai 2014 in Demmin festge- nommen? b) Wie viele Personen wurden später im Zusammenhang mit den dortigen Ereignissen festgenommen? Insgesamt wurden gegen acht Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei den Delikten handelt es sich um Verstöße gegen die §§ 125 (Landfriedensbruch), 303 (Sachbeschädigung), 113 (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte), 224 (gefährliche Körperverletzung) Straf- gesetzbuch sowie gegen § 27 (Führung von Waffen) und § 17a (Schutzwaffen- und Ver- mummungsverbot) Versammlungsgesetz. Zu a) und b) Es wurden keine Personen festgenommen. Drucksache 6/3001 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Welche Strategie hat die Landespolizei im Zusammenhang mit den Versammlungen am 8. Mai 2014 in Demmin verfolgt? a) Warum hat die Landespolizei diese Strategie verfolgt? b) Wie beurteilt die Landesregierung im Nachhinein den Erfolg dieser Strategie? Ziel des polizeilichen Einsatzes war es, das Recht auf friedliche Versammlungen im Sinne des Artikels 8 Grundgesetz zu schützen, den ordnungsgemäßen Verlauf der angemeldeten Versammlungen, die beweissichere Strafverfolgung, die Trennung rivalisierender Gruppen zu gewährleisten und anlassbezogene Straftaten und Störungen zu verhindern sowie die Beein- trächtigung der Bevölkerung auf ein unumgängliches Maß zu reduzieren. Hierzu bildete die Polizei unter anderem folgende Einsatzabschnitte: Aufklärung, Vorkontrollen, Polizeiliche Verkehrsmaßnahmen, Raumschutz, Versammlungsschutz, Folgemaßnahmen und Reserve. Zu a) Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist ein verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht, das allen Grundrechtsträgern zusteht. Die Polizei handelte somit im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags. Zu b) Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass die Polizei ihren gesetzlichen Auftrag erfüllt hat. 6. Welche Aufgaben hatten die am 8. Mai 2014 in Demmin eingesetzten Konfliktmanagerinnen und -manager und wie bewertet die Landes- regierung den Erfolg ihres Einsatzes? Zu den Aufgaben zählten: - Führen von Deeskalationsgesprächen und Gefährderansprachen, - Sichtbare Präsenz im Veranstaltungsbereich zur Gewährleistung einer Ansprechbarkeit für Versammlungsleiter und Teilnehmer, - Kontaktaufnahme und Ansprache erkannter Störer/Störergruppe, - Darstellung und Erläuterung polizeilicher Maßnahmen. Das zielgerichtete Ansprechen von Personen mit Konfliktpotenzial durch Kräfte des Konflikt- managements soll eine kooperative Problemlösung/Konfliktreduzierung sowie die Einsicht zu unabweislichen polizeilichen Maßnahmen erreichen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3001 5 7. Wurden die Konfliktmanagerinnen und -manager unmittelbar vor der Anwendung unmittelbaren Zwanges eingesetzt und, a) wenn nicht, warum nicht? b) wenn ja, wie und mit welchem Erfolg? Die Fragen 7 a) und 7 b) werden zusammenhängend beantwortet. Die Kräfte des Konfliktmanagements waren im Einsatzabschnitt Raum-/Streckenschutz eingesetzt. Im Verlauf des Einsatzes konnten aufgrund der Personalstärke die Konflikt- manager nicht in allen Bereichen gleichzeitig deeskalierend wirken. Zum Zeitpunkt der Lage- verschärfung im Bereich des Zwischenkundgebungsortes der NPD am Hafen waren die Kräfte des Konfliktmanagements noch an anderer Stelle gebunden.