Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 9. Juli 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3019 6. Wahlperiode 10.07.2014 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fortsetzung des Gemeinsamen Unterrichts im Rahmen von PISaR und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Da der Begriff besonderer Förderbedarf nicht legal definiert ist, wird davon ausgegangen, dass sich die Fragen auf den sonderpädagogischen Förderbedarf beziehen. 1. Wie viele Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf besuchen im Schuljahr 2013/2014 im Rahmen von PISaR die 4. Klasse? a) Wie viele dieser Schülerinnen und Schüler werden im nächsten Schuljahr voraussichtlich - die 4. Klasse wiederholen; - an eine Förderschule wechseln; - in die 5. Klasse versetzt und im Gemeinsamen Unterricht ver- bleiben? b) Welche Gründe sieht die Landesregierung für die hohe Zahl der Klassenwiederholungen? Zu 1, a) und b) In der präventiven und integrativen Grundschule auf Rügen wurde und wird für die Dauer des Besuchs der Grundschule in der Regel kein Verfahren zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf eingeleitet. Die Schülerinnen und Schüler lernen in einem flexiblen System von Fördergruppen, denen sie zeitweise angehören. Drucksache 6/3019 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Erst zum Ende der Jahrgangsstufe 4 finden in Vorbereitung auf den Übergang in die weiterführenden Schulen gegebenenfalls entsprechende sonderpädagogische Feststellungsverfahren statt. Im Schuljahr 2013/2014 wurde am Ende der Jahrgangsstufe 4 bei 18 Schülerinnen und Schülern ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Im Schuljahr 2014/2015 werden diese 18 Schülerinnen und Schülern in die Klasse 5 versetzt und im Rahmen des Gemeinsamen Unterrichts beschult, damit wiederholt niemand die Klasse. 2. Wieviel Prozent der Eltern von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf wünschen eine weitere Beschulung ihrer Kinder im Gemeinsamen Unterricht? Von den Schülerinnen und Schülern der aktuellen 4. Klasse, bei denen sonderpädagogischer Förderbedarf im Lernen beziehungsweise in der emotionalen und sozialen Entwicklung festgestellt wurde, wünschten alle Eltern - somit 100 Prozent - eine Beschulung im Gemeinsamen Unterricht an der Regionalen Schule. 3. Warum ist für die Fortsetzung des Gemeinsamen Unterrichts in der Orientierungsstufe keine wissenschaftliche Begleitung durch die Universität Rostock oder eine andere wissenschaftliche Einrichtung vorgesehen ? Es ist geplant, dass die Universität Rostock die genannten 18 Schülerinnen und Schüler im Gemeinsamen Unterricht wissenschaftlich begleitet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3019 3 4. Die Expertenkommission „Inklusive Bildung in M-V bis zum Jahr 2020“ empfiehlt neben Zusatzstunden für sogenannte Brennpunktschulen für die Förderbereiche Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache an inklusiv arbeitenden Schulen eine pauschale Zuweisung von Förderstunden in Höhe von 18 Stunden pro 100 Schülerinnen und Schüler; diese Empfehlung gilt auch für die Sekundarstufe. Wie hoch ist die Zahl der zusätzlichen Stunden für die Fortsetzung des Gemeinsamen Unterrichts in der Orientierungsstufe auf Rügen (je nach Berechnungsmethode bitte pro Schülerin und Schüler, pro 100 Schülerinnen und Schüler oder pro Schülerin und Schüler mit Förderbedarf angeben)? a) Welches Rechenmodell liegt der Stundenzuweisung zugrunde? b) Wird dabei vom Verfahren der Stundenzuweisung, das für den Grundschulbereich im Rahmen von PISaR gilt, abgewichen und wenn ja, warum? c) Wird dabei von den Empfehlungen der Expertenkommission abgewichen und wenn ja, warum? Zu 4, a), b) und c) Von den in der Antwort zu Frage 1a) genannten 18 Schülerinnen und Schülern werden für fünf Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf im Lernen zusätzlich 15 Wochenstunden für die sonderpädagogische Förderung und für 13 Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung 26 Wochenstunden bereitgestellt. Es handelt sich hierbei um Einzelfallentscheidungen im Rahmen des Budgets des zuständigen Staatlichen Schulamtes Greifswald für den Gemeinsamen Unterricht. Die Empfehlungen der oben genannten Expertenkommission sind ohne Systementscheidung nicht umsetzbar und bislang nicht bindend. In Anlehnung an die Empfehlungen dieser Expertenkommission wird derzeit eine Strategie zur Umsetzung der inklusiven Bildung in Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet. Drucksache 6/3019 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Hält die Landesregierung folgende vonseiten des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in der Stellungnahme zu einer Petition getroffene Aussage aufrecht: „Setzt man pädagogischen Erfolg der sonderpädagogischen Förderung in der Grundschule voraus, muss auch zwingend der weitere Bedarf sinken“? a) Wenn ja, auf welchen wissenschaftlichen und empirischen Grund- lagen basiert diese Aussage? b) Vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass sich der von der Expertenkommission als realistisch betrachtete Anteil von etwa 6 % Förderschülerinnen und -schüler der Bereiche LES an der Gesamtzahl der Schülerinnen- und Schülerschaft nur auf den Grundschulbereich bezog und in der weiterführenden Schule zwangsläufig sinken müsse? Zu 5 und a) Im Projekt „Präventive und Integrative Schule auf Rügen“ unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Bodo Hartke (Universität Rostock) wird davon ausgegangen, dass die sonderpädagogische Förderung der Grundschule nur für fünf Prozent aller Kinder erforderlich ist und durch entsprechende erfolgreiche Förderung im Zeitverlauf auf zwei Prozent abgesenkt werden kann. Dies scheint deshalb plausibel, weil die genannten drei Förderbereiche in der Regel als nicht medizinisch begründete Beeinträchtigungen gelten und daher pädagogisch am ehesten beeinflussbar und teilweise überwindbar sind. Mit der Annahme eines konstanten Anteils an Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allen Jahrgangsstufen würde daher im Grunde die Wirkungslosigkeit pädagogischer Fördermaßnahmen nahegelegt. Zu b) Die Landesregierung hat sich hierzu noch keine abschließende Meinung gebildet und wird dies im Rahmen der Erarbeitung der Strategie zur Umsetzung der inklusiven Bildung in Mecklenburg-Vorpommern tun. 6. Wie viel Personal mit sonderpädagogischer Aufgabenstellung soll ab dem kommenden Schuljahr in der Orientierungsstufe zusätzlich eingesetzt werden? Die Auswahl der weiterführenden Schulen (auch auf Rügen), an denen zusätzlich Personal mit sonderpädagogischer Aufgabenstellung tätig werden soll, ist noch nicht abgeschlossen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3019 5 7. Vonseiten des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur wurde zuletzt mehrfach erklärt, dass bereits in der Grundversorgung der weiterführenden Schule Förderstundenanteile enthalten wären. Wie hoch ist dieser Anteil für die jeweiligen Schularten sowie Klassenstufen? a) Auf welcher wissenschaftlichen und/oder empirischen Grundlage erfolgte die Festsetzung der jeweiligen Förderstundenanteile? b) Welche Verbandsvertreterinnen und -vertreter und sonstige Exper- tinnen und Experten wurden für die Festsetzung dieser Anteile angehört? c) Aus welchen Gründen erfolgte einerseits eine Integration der Anteile in die Grundversorgung und andererseits eine zusätzliche Zuweisung für den Gemeinsamen Unterricht im Rahmen der Unterrichtsversorgungsverordnung? Es wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Drucksache 6/2981 verwiesen, in der die Verteilung der Stundenzuweisung sowie die Vielzahl von Möglichkeiten, Lerngruppen zu bilden und die individuelle Förderung zu gestalten, beschrieben wurde. Eine konkrete Benennung eines Anteils von Förderstunden für die jeweilige Schulart sowie Klassenstufen ist nicht möglich, da dies vom jeweiligen Organisationsmodell in jeder konkreten Einzelschule abhängt. Zu 7a) Die Festsetzung erfolgt auf einer rechtlichen Grundlage in Form der jeweils geltenden Verordnung über die Unterrichtsversorgung. Auf dieser Grundlage bilden die Schulen in eigener pädagogischer Verantwortung Lerngruppen und organisieren die Förderungen. Zu b) Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur Verordnung über die Unterrichtsversorgung für die jeweiligen Schuljahre wurden und werden zum Beispiel die Lehrerverbände, Kirchen, Gewerkschaften, der Integrationsförderrat und das Zentrum für Lehrerbildung um Stellungnahme gebeten. Zu c) Hier muss zwischen der Zuweisung im Rahmen des Grundbudgets und des Zusatzbedarfs unterschieden werden. Das Grundbudget an Lehrerwochenstunden als Unterrichtspool dient der Sicherung des Unterrichts und der individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler. Die zusätzliche Zuweisung von Stunden im Rahmen des Zusatzbedarfs für den Gemeinsamen Unterricht erfolgt darüber hinaus zweckgebunden nur für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf, die gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in der Regelschule beschult werden.