Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 25. Juni 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3031 6. Wahlperiode 26.06.2014 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Karen Stramm, Fraktion DIE LINKE Polypharmazie und ANTWORT der Landesregierung Unter den Bundesländern ist Mecklenburg-Vorpommern führend bei den Arzneimittelausgaben und dem Arzneimittelverbrauch. Bei Multi- morbidität, insbesondere im höheren Lebensalter, kommt es vielfach zur Polypharmazie. Die Pilotstudie „Verminderung von Polypharmazie bei chronisch kranken Patienten (POLITE)“ von Wissenschaftlern der Universität Rostock und der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern wurde vom Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales gefördert. Der Abschlussbericht der Studie datiert vom 30. Juni 2012. 1. Welche Konsequenzen hat die Landesregierung aus der oben genannten Studie gezogen? Das Ergebnis der Pilotstudie „Verminderung von Polypharmazie bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen“ (POLITE) ist den Beteiligten des Runden Tisches „Optimierung der Arzneimittelversorgung“ im September 2012 vorgestellt und mit diesen intensiv erörtert worden. Beim Runden Tisch „Optimierung der Arzneimittelversorgung“ sind unter anderem regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter der Krankenhausgesellschaft, der kassenärztlichen Vereinigung, der Ärztekammer, der Krankenkassen, des Landesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker sowie der Apothekerkammer vertreten. Insofern wurde - wie mit der Förderung der Studie beabsichtigt - sichergestellt, dass die Ergebnisse die relevanten Akteure der Gesundheitsversorgung erreicht haben. Drucksache 6/3031 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 In einer weiteren durch das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales geförderten Pilotstudie „Verminderung von Polypharmazie bei Patienten mit chronischen Erkrankungen“ (POLITE 2), die ebenfalls durch das Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock und der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt wurde, wurde die Frage untersucht, wie sich die Kommunikation zwischen Hausärztinnen und Hausärzten sowie Pharmazeutinnen und Pharmazeuten weiter entwickeln lässt. Dazu wandten niedergelassene Pharmazeutinnen und Pharmazeuten das narrative Medikamenteninterview unter Einbeziehung der Patientin oder des Patienten in der Apotheke an und kommunizierten die Ergebnisse an die Hausärztin oder den Hausarzt. 2. Welche Maßnahmen zur Verminderung von Polypharmazie bei älteren chronisch kranken Patienten im Krankenhaus wurden eingeleitet, in welchen Einrichtungen, mit welchen Partnern? 3. Wie ist die Erfolgskontrolle organisiert, wer kontrolliert in welchen Zeiträumen nach welchen Parametern? Zu 2 und 3 Im Mittelpunkt der Pilotstudien POLITE und POLITE 2 steht die Frage, wie die unan- gemessene Polypharmazie in Mecklenburg-Vorpommern nachhaltig reduziert werden kann. Beide Studien zielen vor allem darauf ab, Erkenntnisse zu gewinnen, wie die Zusammenarbeit der involvierten Akteure Patientin und Patient, Hausärztin und Hausarzt, Stationsärztin und Stationsarzt sowie Apothekerin und Apotheker so optimiert werden kann, dass im Bedarfsfall eine gemeinsame Entscheidung über die Veränderung der verordneten Medikamente getroffen wird. Beide Pilotstudien haben gezeigt, dass die entwickelte Intervention sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich durchführbar ist und von Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekerinnen und Apothekern angenommen wird. Inwieweit der bundesweit federführende Interventionsansatz tatsächlich zu einer Reduktion der eingenommenen Wirkstoffe bei älteren chronisch kranken Patienten führt, wird aktuell im Rahmen der cluster-randomisierten, kontrollierten Studie POLITE-RCT an der Universitäts- medizin Rostock und dem Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg unter Ein- beziehung weiterer Projektpartner untersucht. Die Studie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einem Volumen von 1,4 Millionen Euro gefördert und läuft seit November 2013. Die Laufzeit endet am 31.10.2016, erste Ergebnisse werden für 2015 erwartet. Erst wenn die Effizienz des Ansatzes belegt ist, kann über eine Implementierung auf einzelnen Stationen oder Kliniken nachgedacht werden. Darüber hinaus hat die Apotheke der Universitätsmedizin Rostock in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse und mit Unterstützung des Ministeriums im Rahmen eines Modellprojektes, das die Ergebnisse der POLITE Studie umsetzt, ein Online-Tool installiert. Das Online-Tool unterstützt bei der Erstellung und Überprüfung der Patientenmedikation im Krankenhaus und hat eine bessere Verzahnung der stationären und ambulanten Versorgung in der Arzneimitteltherapie zum Ziel. Ergebnisse dieses Projektes werden bis Februar 2015 erwartet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3031 3 Die geförderten Pilotstudien haben somit die erhoffte Initiativwirkung entfaltet. Die Ableitung unmittelbarer Einzelmaßnahmen für alle Krankenhäuser war nicht Zielstellung der Förderung. Informationen zu weiteren Einzelmaßnahmen in Krankenhäusern infolge der POLITE-Studie liegen demzufolge nicht vor. 4. Welche Maßnahmen zur Verminderung von Polypharmazie bei älteren chronisch kranken Patienten plant das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales in den nächsten Jahren? Das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales plant die Fortführung des Runden Tisches „Optimierung der Arzneimittelversorgung“, der sich als Gremium für den fachlichen Austausch und für Anregungen zur Optimierung der Arzneimittelversorgung bewährt hat. Weiterhin ist geplant, Fragen der Arzneimittelversorgung an der Schnittstelle zwischen der stationären und der ambulanten Versorgung, die insbesondere auch für Polypharmazie bei älteren chronisch kranken Menschen von Bedeutung ist, in dem neu eingerichteten Landesgremium sektorenübergreifende Versorgungsfragen nach § 90 a Abs. 1 SGB V zu erörtern. 5. Welche Vorstellungen hat die Landesregierung zur Verminderung der Polypharmazie bei älteren multimorbiden Patienten in der ambulanten medizinischen Versorgung? Für die Reduktion unangemessener Polypharmazie bei älteren multimorbiden Patientinnen und Patienten in der ambulanten medizinischen Versorgung werden unter anderem in Auswertung der Ergebnisse der Pilotstudien POLITE und POLITE 2 folgende Aspekte als wesentlich erachtet: - Vermeidung unbeabsichtigter Doppelmedikation durch die Hausärztin oder den Hausarzt nach Entlassung aus dem Krankenhaus, - Verbesserung der Kommunikation zwischen Hausärztinnen und Hausärzten sowie Fachärztinnen und Fachärzten in Bezug auf die Medikation, - Nutzung des häufig umfassenden Überblicks der Apotheke sowie Verbesserung der Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Apotheken in Bezug auf die Medikation, - Stärkere Einbeziehung der Patientin oder des Patienten im Hinblick auf seine Wünsche und Möglichkeiten, - Stärkere Beachtung der PRISCUS-Liste (enthält Wirkstoffe, auf deren Verordnung bei älteren Patientinnen und Patienten möglichst verzichtet werden sollte).