Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3131 6. Wahlperiode 24.07.2014 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Simone Oldenburg, Fraktion DIE LINKE Umfang der „freien Reserven“ an den öffentlichen allgemein bildenden Schulen in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Seit 1995 haben in jeder Legislaturperiode die jeweils die Landes- regierung tragenden Fraktionen in ihren Koalitionsvereinbarungen festgelegt, dass eine 100%ige Unterrichtsversorgung an den allgemein bildenden Schulen gewährleistet wird. Zu den Antworten der Landesregierung zu meiner Kleinen Anfrage „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Teilleistungsschwächen und/oder Förderbedarfen sowie Förderung von begabten Schülerinnen und Schülern im gemeinsamen Unterricht an den allgemein bildenden Schulen in Mecklenburg-Vorpommern“ (Drucksache 6/2981 vom 26.06.2014) stelle ich Nachfragen, die sich auf die Antworten der Landes- regierung beziehen. 1. Wie erklärt die Landesregierung einen Anteil von „freien Reserven“ [Antwort zu den Fragen 1 a), b), c) der Drucksache 6/2981] im Verhältnis zu der in der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU beschriebenen 100%igen Unterrichtsversorgung? Die Aussage im Koalitionsvertrag zur 100-prozentigen Unterrichtsversorgung bedeutet, dass durch den Landeshaushalt sowohl die für die in der Verordnung über die Unterrichts- versorgung und die Landesverordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte benannten Ressour- cen bereitgestellt werden als auch die für die Absicherung der Kontingentstundentafel- verordnung erforderlichen Lehrerstellen. Die Schulen gestalten den Unterricht und seine Organisation gemäß § 4 Absatz 7 Schulgesetz unter Einhaltung der geltenden Gesetze und Verordnungen selbstständig und eigenverant- wortlich. Drucksache 6/3131 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Eine 100-prozentige rechnerische Unterrichtsversorgung bedeutet somit, dass die Schulen in der Summe die Ausstattung gemäß den vorgenannten Verordnungen erhalten. Die den Schulen zur Verfügung gestellten Stunden bilden den Rahmen, innerhalb dessen die Schulen unter Berücksichtigung der schulgesetzlichen Rahmenbedingungen eigenverantwortlich über die Bildung von Klassen und Lerngruppen, über den Einsatz der Stunden des Zusatzbedarfes und zum Teil eigenverantwortlich über die Vergabe von Anrechnungs- und Ermäßigungs- stunden entscheiden. Dies beinhaltet somit auch den Einsatz der sogenannten „freien Reserve“; den Stunden also, die nicht aufgrund der Kontingentstundentafel gebunden sind. 2. Wie stellen sich die „freien Reserven“ bei anderen öffentlichen allge- mein bildenden Schulen dar (bitte getrennt nach Schularten, Schul- größen und Schulamtsbereichen angeben)? 3. Welche Anzahl von öffentlichen allgemein bildenden Schulen verfügt a) über die sogenannten „freien Reserven“, b) nicht über die sogenannten „freien Reserven“ und welche Gründe führt die Landesregierung dafür an, dass diesen Schulen keine „freien Reserven“ zur Verfügung stehen? Die Fragen 2 und 3 werden zusammenhängend beantwortet. Daten zum Umfang und zur Verwendung der „freien Reserven“ werden durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft nicht erhoben. Es ist seitens des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur auch nicht geplant, an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft die von den Schulen selbstständig geplante Unterrichtsorganisation abzufragen beziehungsweise in die Handlungsmöglichkeiten der Selbstständigen Schulen einzugreifen. 4. Wie zuverlässig ist die sogenannte „freie Reserve“, die nur rechne- risch durch Klassenzusammenlegungen entsteht, als definitive Zusatz- ausstattung für die öffentlichen allgemein bildenden Schulen? Die Aussage, dass die sogenannte „freie Reserve“ nur rechnerisch durch Klassenzusammenlegungen entsteht, ist nicht zutreffend. Vielmehr eröffnen die organisatorischen Möglich- keiten der Selbstständigen Schule gerade die Möglichkeit, die Anzahl der als „freie Reserve“ bezeichneten Stunden zu gestalten. Durch die den Schulen zur Verfügung stehende Stundenausstattung haben diese unter pädago- gischen Aspekten die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der schulgesetzlichen Rahmen- bedingungen, eigenverantwortlich Klassen und Lerngruppen zu bilden und eigenverantwort- lich über den Einsatz der „freien Reserve“ zu entscheiden. Der konkrete Umfang der sogenannten „freie Reserve“ lässt sich aufgrund der Vielzahl der möglichen Einflussfaktoren nur im Rahmen eines abstrakten Vergleiches darstellen. Je nach Schülerzahl, Schülerzahlverteilung auf die Jahrgangsstufen sowie Klassenbildung in jeder einzelnen Schule verbleiben unterschiedliche Freiräume. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3131 3 5. Wie hoch ist die Stundenzuweisung zum 6. Juni 2014 für die von der Landesregierung in der Antwort zu Frage 1 der Drucksache 6/2981 exemplarisch ausgewählten Schule im Verhältnis zur Stundenzu- weisung, die der Antwort auf die Kleine Anfrage (Drucksache 6/2981) zugrunde gelegt wurde sowie im Verhältnis zu den Schülerzahlen dieser Schule im Schuljahr 2013/2014 und 2014/2015? Die Höhe des Grundbudgets an Lehrerwochenstunden als Unterrichtsstundenpool für das Schuljahr 2014/2015 beträgt 99 Prozent des rechnerischen Grundbedarfs der Schule, der auf der Basis der Schülerzahl des Schuljahres 2013/2014 zum Stichtag 15. Mai 2014 ermittelt wurde. In Abhängigkeit von der Schülerzahl im Schuljahr 2014/2015 und den für die Absicherung des Unterrichts nötigen Lehrerstunden erfolgt gegebenenfalls schulbezogen im erforderlichen Umfang eine Grundbudgetanpassung. Für die „Beispielschule“ wird von unveränderten Schülerzahlen ausgegangen, sodass eine Erhöhung des Grundbudgets nicht erforderlich ist. 6. Wie stellt sich das Rechenbeispiel der Landesregierung mit der Stundenzuweisung für das Schuljahr 2014/2015 an der exemplarisch ausgewählten Schule dar? Um möglichst realitätsnah auf die Kleine Anfrage Drucksache 6/2981 zu antworten, wurde auf Daten einer tatsächlich existierenden Schule zurückgegriffen. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur geht derzeit davon aus, dass eine Anpassung des Grund- budgets für die „Beispielschule“ nicht erforderlich ist. Die Grundbudgetzuweisung für das Schuljahr 2014/2015 ergibt sich hierbei als 99 Prozent des rechnerischen Grundbedarfs der Schule, auf der Basis der Schülerzahl des Schuljahres 2013/2014. Für die „Beispielschule“ wird von unveränderten Schülerzahlen ausgegangen, sodass eine Erhöhung des Grundbudgets nicht erforderlich ist. 7. Wie verhält sich aus Sicht der Landesregierung die rechnerisch detaillierte hypothetische Analyse einer Schuljahressituation mit dem im inklusiven Schulfrieden angestrebten Ziel, eine langfristig zuver- lässige Schulentwicklung zu erreichen? Das Ziel der Landesregierung liegt darin, neben der angestrebten Planungssicherheit für die Schulen die bisherige Ausstattung möglichst sachgerecht abzubilden, eine Versorgungs- reserve zu bilden, um auch infolge weiterer Diagnostiken handlungsfähig zu bleiben und den im Rahmen der bisherigen Diskussion zur inklusiven Schule überwiegend begrüßten Wechsel zu einer budgetorientierten Ausstattung einzuleiten. Die durch die Landesregierung zum Schuljahr 2014/2015 eingeleiteten Maßnahmen stehen nicht im Widerspruch zu dem im inklusiven Schulfrieden angestrebten Ziel einer langfristigen zuverlässigen Schulentwicklung. Drucksache 6/3131 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 8. Wie beurteilt die Landesregierung die Werbung des Landes um Lehrkräfte mit Klassengrößen von 18 Schülerinnen und Schülern im Verhältnis zur Aufforderung, durch die Bildung deutlich größerer Klassen die sogenannten „freien Reserven“ zu erwirtschaften? Die Aussage, dass die sogenannte „freie Reserve“ nur rechnerisch durch Klassenzusammenlegungen entsteht, ist nicht zutreffend. Das Land Mecklenburg-Vorpommern geht bei der Gewinnung von Lehrkräften an den öffentlichen Schulen neue Wege. Die im März 2014 gestartete bundesweite Lehrerwerbekampagne hat das Ziel, das breite Angebot der für eine Besetzung zur Verfügung stehenden Stellen im gesamten Bundesgebiet bekannt zu machen. Aus dem dabei eingesetzten Slogan „Willst Du 18 Kinder von mir?“ kann nicht geschlussfolgert werden, dass es an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft in Mecklenburg- Vorpommern lediglich Klassen mit 18 Schülerinnen und Schülern gibt. Zwischen der Lehrerwerbekampagne und der Thematik der sogenannten „freien Reserve“ besteht kein Sachzusammenhang. 9. Wie definiert die Landesregierung eine „durchschnittlich große Klasse“ [Antwort zu Frage 1 der Drucksache 6/2981 - (bitte getrennt nach Schularten, Landkreisen und kreisfreien Städten angeben)]? Das durch die Landesregierung in der Drucksache 6/2981 verwendete Begriffssystem „durchschnittlich große Klasse“ bringt zum Ausdruck, in welcher Relation die Schülerzahlen je Klasse an Einzelschulen oder in Regionen zur durchschnittlichen Schülerzahl je Klasse in Mecklenburg-Vorpommern stehen. 10. Wie bewertet die Landesregierung die sich überwiegend ergebende Notwendigkeit einer Klassenteilung, der durch vorübergehende Zusammenlegung deutlich vergrößerten siebenten Klasse der Beispielschule, die in der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Drucksache 6/2981 angeführt wurde, für den regelmäßig eintreten- den Fall der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern aus anderen Schularten bzw. durch Klassenwiederholungen in der achten Jahr- gangsstufe? In der „Beispielschule“ wäre aus Sicht der Landesregierung eine Änderung der Klassenbildung beim Wechsel von Jahrgangsstufe 7 nach Jahrgangsstufe 8 möglich, wenn beispiels- weise die Schülerzahl der neuen Jahrgangsstufe 8 rund 10 Prozent über der Schülerzahl der Jahrgangsstufe 7 des laufenden Schuljahres liegen würde. Da die Selbstständigen Schulen im Rahmen der ihnen zur Verfügung gestellten Stunden unter Berücksichtigung der schulgesetzlichen Rahmenbedingungen und der pädagogischen Erfordernisse vor Ort eigenverantwortlich über die Bildung von Klassen und Lerngruppen entscheiden, ist die vorstehende Aussage hypothetischer Natur.