Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 13. August 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3144 6. Wahlperiode 14.08.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Jürgen Suhr, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf die Kommunen und ANTWORT der Landesregierung Seit letztem Jahr verhandeln 23 Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO, darunter auch die Europäische Union, über den Abschluss des plurilateralen Dienstleistungsabkommens TiSA (Trade in Services Agreement). Ziel der Verhandlungen sei es, so die Bundesregierung, den Marktzugang für grenzüberschreitende Dienstleistungen zu verbessern. Öffentliche Dienstleistungen in Deutschland zu privatisieren sei nicht Inhalt oder Ziel der TiSA-Verhandlungen. Auf einer Internetseite der australischen Regierung zum TiSA-Abkommen heißt es demgegenüber ganz offen: „The TiSA negotiations will cover all services sectors.“ (Die TiSA-Verhandlungen werden sämtliche Dienstleistungssektoren umfassen.) Der Deutsche Städtetag stellte in seinem Beschluss „Auswirkungen weltweiter Handelsabkommen auf die kommunale Daseinsvorsorge“ vom 12. Februar 2014 heraus, dass die Organisationsfreiheit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge sowie das Recht, die Art und Weise der lokalen Daseinsvorsorge zu gestalten, durch plurilaterale Handelsabkommen nicht angetastet werden dürften. 1. In welchem Rahmen und inwieweit wird die Landesregierung über den Stand der Verhandlungen informiert? Die Europäische Kommission, welche die Verhandlungen im Namen der EU führt, unterrichtet die Mitgliedstaaten regelmäßig in dem vom Rat eingesetzten Handelspolitischen Ausschuss. Drucksache 6/3144 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Die Bundesregierung informiert die Länder über den Bundesrat sowie in fachlich zuständigen Bund/Länder-Ausschüssen. Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft wird über TiSA berichtet: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Handelspolitik/europaeische- handelspolitik,did=644244.html Im Übrigen wird auch auf der Internetseite der Generaldirektion Handel der Kommission regelmäßig über die Verhandlungen informiert und auf häufig gestellte Fragen geantwortet. Zwischen Mai und September 2013 hat die Kommission eine öffentliche Konsultation über TiSA durchgeführt. Eine Auswertung dessen findet sich ebenfalls auf der Internetseite (zum Teil in englischer Sprache): http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/tisa/index_de.htm 2. Welche Ziele verfolgt die Europäische Union nach Kenntnis der Landesregierung im Rahmen der TiSA-Verhandlungen? In den Verhandlungen streben die teilnehmenden Partner eine Fortentwicklung und Aktualisierung des WTO-Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) aus dem Jahr 1995 an. Über eine Fortschreibung im Rahmen der WTO, wie sie bis zum Jahr 2000 vorgesehen war, konnte bisher keine Einigung erzielt werden („Doha-Runde“). Die 23 Verhandlungspartner des TiSA, die 70 % des Welthandels mit Dienstleistungen repräsentieren, beabsichtigen einen Abschluss dieser Runde und eine spätere Überführung des Abkommens in die WTO. Neben der EU sind unter anderem die USA, Kanada, Japan, Australien und die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Staaten) beteiligt. China hat vor kurzem einen Beitritt zu den Verhandlungen beantragt. Die EU hat als weltgrößter Exporteur von Dienstleistungen ein besonderes Interesse an den Verhandlungen. 3. Welchen Inhalt soll das geplante TiSA-Abkommen nach Kenntnis der Landesregierung nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen haben? Die Verhandlungen laufen seit gut einem Jahr. Sie sind zeitlich nicht befristet, und ein Abschluss ist bisher nicht absehbar. Daher ist auch der Inhalt des künftigen Abkommens noch nicht bekannt. Allgemeines Ziel der Verhandlungen ist jedoch ein weiterer Abbau von Hindernissen für den Dienstleistungshandel zwischen den Partnern. Die Verhandlungen erstrecken sich auf den gesamten Anwendungsbereich des geltenden GATS. Dieses schließt alle Dienstleistungssektoren ein, mit Ausnahme des Luftverkehrs und öffentlicher Dienstleistungen. Dabei sollen Beschränkungen abgebaut werden, die etwa in einer Diskriminierung gegenüber inländischen Anbietern oder Hürden für den Marktzugang ausländischer Anbieter bestehen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3144 3 4. Inwiefern könnten Teile der kommunalen Daseinsvorsorge nach Kenntnis der Landesregierung unter den Anwendungsbereich des TiSA-Abkommens fallen? Die EU hat in allen bisherigen bilateralen und multilateralen Handelsabkommen Verpflichtungen mit Bezug auf öffentliche Dienstleistungen ausgeschlossen. Das gilt als Maßgabe auch für Verhandlungen zu TiSA. 5. Inwiefern könnten sich mögliche Inhalte des TiSA-Abkommens, wie etwa eine Marktzugangsverpflichtung, nach Ansicht der Landesregierung indirekt auf die kommunale Organisationsfreiheit auswirken? Der Landesregierung liegen bislang keine Erkenntnisse zu etwaigen Einschränkungen der kommunalen Organisationsfreiheit vor. 6. Welche Auswirkungen sind nach Auffassung der Landesregierung für die Organisationsfreiheit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge sowie das Recht, die Art und Weise der lokalen Daseinsvorsorge zu gestalten, im Falle eines Dienstleistungsabkommens zu erwarten? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. Etwaige Auswirkungen sind derzeit nicht abschätzbar. Drucksache 6/3144 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 7. Teilt die Landesregierung die Einschätzung des Deutschen Städtetages, dass der Vertrag von Lissabon den Kommunen die Definitions- und Gestaltungshoheit bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen garantiert? a) Wenn ja, wie lassen sich nach Ansicht der Landesregierung die Inhalte des TiSA-Abkommens mit dem Vertrag von Lissabon vereinbaren? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu 7, 7 a) und 7 b) Die Landesregierung teilt diese Einschätzung des Deutschen Städtetages. Artikel 1 des Protokolls Nr. 26 des Vertrages von Lissabon führt dazu aus, dass zu den gemeinsamen Werten der Union insbesondere die wichtige Rolle und der weite Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden in der Frage zählen, wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf eine den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechende Weise zu erbringen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind. Wie oben dargestellt, sollen öffentliche Dienstleistungen vom Geltungsbereich des TiSA- Abkommens ausgeschlossen werden. Inwieweit sonstige Inhalte des TiSA-Abkommens mit dem Vertrag von Lissabon vereinbar sind, kann erst nach Kenntnis dieser Inhalte beurteilt werden. 8. Teilt die Landesregierung die Ansicht des Deutschen Städtetages, dass die öffentliche Daseinsvorsorge, insbesondere in den Bereichen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Kulturförderung, Förderung von zivilgesellschaftlichem und ehrenamtlichem Engagement, soziale Sicherung sowie Krankenhausversorgung, keinesfalls einer Liberalisierung unterworfen werden darf? a) Wenn ja, wie versucht die Landesregierung eine Liberalisierung in diesen Sektoren zu verhindern? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu 8, 8 a) und 8 b) Die Landesregierung teilt die Ansicht des Deutschen Städtetages. Wie oben dargestellt, sollen öffentliche Dienstleistungen vom Geltungsbereich des TiSA-Abkommens ausgeschlossen werden. Die Länder werden durch die Bundesregierung unterrichtet und beteiligt und pflegen auch direkte Kontakte mit der Kommission, etwa über ihre Büros in Brüssel. Die Landesregierung wird den Verlauf der Verhandlungen weiterhin aufmerksam begleiten und sich dafür einsetzen, dass die Anliegen der Länder und auch der Kommunen gewahrt werden. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3144 5 9. Welche Initiativen hat die Landesregierung unternommen, um relevante Positionen des Landes und der Kommunen in die Verhandlungen einzubringen? Keine.