Der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 8. August 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3179 6. Wahlperiode 08.08.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wiederaufbau der Karniner Brücke im Rahmen der Anmeldung zum Bundesverkehrswegeplan 2015 und ANTWORT der Landesregierung Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat am 28. Januar 2011 einstimmig einen Beschluss zum Wiederaufbau der Karniner Brücke gefasst. Mit einer Realisierung des Vorhabens wäre die Wiederherstellung einer direkten Bahnverbindung von Berlin nach Usedom gegeben. Voraussetzung für die Aufnahme von Projekten für den Schienenverkehr in den Bundesverkehrswegeplan sind Fern- und Güterverkehre. Nach Angaben von Verkehrsminister Christian Pegel (Quelle: NDR vom 11.04.2014) setzt sich aktuell ein polnischer Europaabgeordneter aus der Region Stettin für eine bessere Anbindung der Insel ein. Sollte das zum Bundesverkehrswegeplan anzumeldende Vorhaben durch das Bundes- ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (nachfolgend BMVI) befürwortet werden, könnten somit im Rahmen grenzüberschreitender Vorhaben EU-Mittel für den Wiederaufbau der Karniner Brücke einge- setzt werden. 1. Für welche Priorisierung im Bundesverkehrswegeplan 2015 ist das Vorhaben Wiederaufbau Karniner Brücke durch das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg- Vorpommern eingestuft (weiterer Bedarf, vordringlicher Bedarf, vordringlichster Bedarf Plus)? Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat im März 2013 beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) das Projekt zur Aufnahme in den Bundesverkehrs- wegeplan 2015 (BVWP 2015) angemeldet. Drucksache 6/3179 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Eine Priorisierung wird nach Abschluss der gesamtwirtschaftlichen Bewertung ausschließlich durch das BMVI für diejenigen Projekte vorgenommen, die in den BVWP aufgenommen werden. 2. Welche raumordnerische Bedeutung misst das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung dem Vorhaben Karniner Brücke unter Berücksichtigung des Bewertungsverfahrens des BMVI bei? Aus raumordnerischer Sicht wird der Verbesserung der grenzüberschreitenden Erreichbarkeit, insbesondere auch im deutsch-polnischen Grenzraum, eine hohe Bedeutung eingeräumt (vgl. hierzu Kapitel 3.4 des geltenden Landesraumentwicklungsprogramms aus 2005 sowie Kapitel 3.4 des Entwurfs der Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms, Stand April 2014). Speziell zum Vorhaben Karniner Brücke enthält das geltende Landesraumentwicklungs- programm aus 2005 als Ziel der Raumordnung: „Die zurzeit nicht genutzte Bahntrasse Ducherow - Karnin - Garz - (Swinemünde) ist von jeglicher Bebauung freizuhalten [6.2.2(5)].“ In der Begründung ist dazu ausgeführt: „Für die Aufnahme von Neubaumaßnahmen und Lückenschlüssen in den Bundesverkehrswegeplan als Voraussetzung für deren Realisierung ist ein günstiges Nutzen-Kosten-Verhältnis erforderlich. Dies trifft gegenwärtig nur für die Relation Ducherow - Karnin - Garz - Swinemünde … zu.“ Der Entwurf der Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms (Stand April 2014) enthält unter dem Randstichwort „Wichtige Aus- und Neubauprojekte“ als Ziel der Raumordnung : „Die in Abbildung 19 und Abbildung 20 benannten Straßen- und Schienenverbindungen sind auszubauen [5.1.2(4)].“ In Abbildung 20 ist unter anderem benannt: Neubau Eisenbahnanbindung Insel Usedom über Karnin („Karniner Brücke“). In der Begründung ist dazu ausgeführt: „Leistungsfähige Verkehrswege und -anlagen sind Voraussetzung für eine gute Erreichbarkeit aller Teilräume für den Güter- und Personenverkehr sowie den Anschluss an den nationalen und europäischen Raum. … Eine qualitative Verbesserung des Schienen-, Straßen- und Radwegenetzes ist insbesondere im Hinblick auf die Erreichbarkeit der Zentralen Orte notwendig.“ Die Vorhaben stehen allerdings unter dem Vorbehalt der Aufnahme in den Bundesverkehrs- wegeplan und der Bereitstellung der notwendigen Haushaltsmittel. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3179 3 3. Welche Stellungnahmen und Gutachten liegen dem Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung zum Vorhaben Wieder- aufbau der Karniner Brücke vor und welche davon werden - wie vom Ministerium im Verkehrsausschuss am 12. September 2012 ange- kündigt - an das BMVI für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Rahmen des Bewertungsverfahren weitergeleitet (bitte mit Angaben der Verfasser von Stellungnahmen und Gutachten)? Das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hat nach Abstimmung mit dem Aktionsbündnis „Karniner Brücke“ die nachfolgenden aktuellsten Stellungnahmen und Gutachten an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur weitergeleitet: - Aktionsbündnis Karniner Brücke Argumente für den Wiederaufbau der Eisenbahnverbindung 10.02.2013, - ConTrack GmbH Vergleich Anbindung Heringsdorf über Karnin oder über Züssow/Wolgaster Brücke, - Task-Force Karnin, AG Nutzen Potenzielle Verkehrsnachfrage nach Verbindungen über die Eisenbahnstrecke Arbeitspapier, Stand 18.09.2012, - Dr.-Ing. Ulrich Rabe Prognostizierte Fahrgastzahlen auf der reaktivierten Hauptbahnstrecke Berlin, 09.02.2013, - Task-Force Karnin, AG Kosten Kostenermittlung DB Netze Neustrelitz/Berlin/Schwerin, 17.08.2012. 4. Wie hoch schätzt das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung die Investitionssumme zur Realisierung des Vorhabens einschließlich einer nötigen Vorentwurfsplanung und erforderlichen Baugrunduntersuchungen aktuell ein? Die aktuellsten Angaben mit einem Investitionsbedarf zwischen 100 und 150 Millionen Euro beruhen auf einer Grobschätzung der DB Netz AG vom August 2012. Bei einfacher Ausstattung mit Elektrifizierung und Sanierung der alten Hubbrücke wären demnach ca. 90 Millionen Euro aufzuwenden. Kosten für eine Vorentwurfsplanung und Baugrund- untersuchungen sind in diesen Angaben nicht enthalten. Die Kosten hängen maßgeblich von der vorzunehmenden Bestandsuntersuchung, der Baugrunduntersuchung und den in einer Ausschreibung zu erzielenden Preisen ab. Drucksache 6/3179 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Von welcher Anzahl an zukünftigen Fahrgästen geht das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg- Vorpommern für den Schienenpersonenverkehr auf der wiederherge- stellten Bahnverbindung über die Karniner Brücke aus und sind in die Fahrgastzahlenberechnungen polnische Fahrgäste (Touristen) mitein- bezogen und wenn ja, inwieweit wurden etwaige Annahmen zu Fahr- gästen bei polnischen Institutionen in der Woiwodschaft West- pommern abgefragt? Auf die dem BMVI in der Projektanmeldung für den BVWP 2015 übersandte Prognose von Dr.-Ing. Ulrich Rabe, Mitglied des Aktionsbündnisses Karniner Brücke, wird verwiesen (vgl. Antwort zu Frage 3). Die Prognose geht von jährlich 1,89 Millionen Fahrgästen im Fern- und im Regionalverkehr für die gesamte Insel Usedom (einschließlich polnischem Teil) nach den ersten fünf Betriebs- jahren aus. Dies würde durchschnittlich 5.180 Fahrgäste pro Tag bedeuten. Im Sommer wird mit täglich etwa 10.000 Fahrgästen, zu den übrigen Jahreszeiten mit maximal 2.500 Fahr- gästen pro Tag gerechnet. Da bei der Bewertung des Vorhabens durch den Bund auch die Fahrgastzahlen prognostiziert werden, hat die Landesregierung auch mit Blick auf die gegen- wärtig anzutreffenden Fahrgastzahlen auf touristischen Strecken von der Vorlage eigener geschätzter Zahlen abgesehen. 6. Wie beurteilt das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landes- entwicklung die auf einer wiederhergestellten Karniner Brücke künf- tig stattfindenden Schienenpersonenverkehre hinsichtlich der Poten- ziale von Regional- und Fernverkehren und liegen dem Ministerium aktuelle Stellungnahmen der Deutschen Bahn zu potenziellen Fern- verkehren vor? Nachfragepotenziale für den Fernverkehr ergeben sich in erster Linie durch die erwartete erhebliche Reisezeitverkürzung im Verkehr zwischen den Seebädern Heringsdorf und Swine- münde und dem Großraum Berlin. In der oben angeführten Prognose (vgl. Antwort zu Frage 5) wird mit 0,78 Millionen Fahrgästen pro Jahr ein Fernverkehrsanteil von 41 % an der Gesamtnachfrage im Schienenpersonenverkehr auf der Strecke angegeben. Aktuelle Stellung- nahmen der Deutschen Bahn AG zu potenziellen Fernverkehren liegen dem Ministerium nicht vor. Da noch nicht entschieden ist, in welcher Höhe Mittel nach dem Regionalisierungsgesetz für Mecklenburg-Vorpommern ab 2015 zur Verfügung stehen, konnten für die etwaige Bestellung von Schienenpersonennahverkehr keine Mittel eingeplant werden. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3179 5 7. Wurde das Land Brandenburg hinsichtlich einer Verkehrsplanung zu einer etwaigen Schienenverkehrsverbindung Berlin-Usedom einbezo- gen und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Planung der Südanbindung Usedoms über Karnin wäre ein Bundesprojekt, das in erster Linie dem Fernverkehr dient. Da eine Verkehrsplanung noch nicht vorliegt, hat sich auch kein Abstimmungsbedarf ergeben. 8. Von welchen künftigen Güterverkehren geht das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung nach Sichtung aller vorliegenden Stellungnahmen und Gutachten für die wiederaufgebaute Karniner Brücke aus und inwieweit sind welche Angaben der polnischen Seite (Woiwodschaft Westpommern) in die Betrachtung eingeflossen? Der Wirtschaftshafen der Stadt Swinemünde (Odraport) befindet sich vollständig auf der Insel Wollin. Von der Usedomer Seite aus gibt es derzeit keinen Güterverkehr, der mit der Bahn befördert werden könnte. Die Task Force Karnin, in der auch das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung vertreten war, hat wegen möglicher Güterverkehrs- potenziale auch Gespräche in der Stadt Swinemünde geführt. Belastbare Angaben über mögliche Schienengüterverkehre konnten in diesem Zusammenhang nicht ermittelt werden. Das Aktionsbündnis „Karniner Brücke“ benennt aufgrund einer Rücksprache mit örtlichen Unternehmen ein bahnaffines Güterverkehrspotenzial von jährlich circa 200.000 t. 9. Wie schätzt das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landes- entwicklung die Auswirkung einer Schienenverkehrsverbindung über die Karniner Brücke hinsichtlich des Gesamtverkehrs auf der Insel Usedom bezogen auf a) eine Entlastung des Straßenverkehrs, b) die Auslastung des Personenschienenverkehrs und c) der Fernverkehrsverbindung Berlin-Usedom ein? Die Fragen 9 a), 9 b) und 9 c) werden zusammenhängend beantwortet. Eine Entlastung des Straßennetzes ist vor allem an den An- und Abreisetagen der Urlauber möglich. Letztlich ist es aber die Entscheidung der Urlauber, wie sie ihre An- und Abreise gestalten. Die Nachfrage im Personenschienenverkehr wird unter anderem von dem verfüg- baren Angebot und den tatsächlichen Fahrlagen und Reisezeiten abhängen. Da dies nicht bekannt ist, können die Auswirkungen nicht wirklich geschätzt werden. Drucksache 6/3179 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 10. Zu welchem Ergebnis kommt das Ministerium für Energie, Infra- struktur und Landesentwicklung hinsichtlich der Höhe des Nutzen- Kosten-Verhältnisses für das Vorhaben Karniner Brücke? Eine Einschätzung hierzu wird erst möglich sein, wenn alle vorliegenden aktuellen Daten und Zahlen auf ihre Belastbarkeit hin überprüft worden sind. Hierzu sind die anstehenden Unter- suchungen des BMVI im Rahmen der Aufstellung des BVWP 2015 abzuwarten. Das Gut- achten aus dem Jahr 2008 gelangt zu einem Nutzen-Kostenfaktor von 0,73.