Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3266 6. Wahlperiode 14.10.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu Mitwirkungsrechten von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern und ANTWORT der Landesregierung Am 24. Juni 2014 erging ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der die Regelungen des niedersächsischen Hochschulgesetzes über die Organisation der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) für in wesentlichen Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärte (Az. 1 BvR 3217/07). Die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer der Medi- zinischen Hochschule Hannover können nach Auffassung des Gerichts nicht in ausreichendem Maß an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen der Hochschule mitwirken. Der Geschäftsführer des Deutschen Hoch- schulverbandes äußerte daraufhin die Erwartung, dass nun für alle Landeshochschulgesetze geprüft werden müsse, ob sie den in dem Beschluss formulierten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts genü- gen. 1. Hat die Landesregierung den Beschluss des Bundesverfassungs- gerichts hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die Landesgesetz- gebung geprüft? a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b) Wenn nicht, bis wann ist eine entsprechende Prüfung geplant? Zu 1, a) und b) Die Fragen 1, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Drucksache 6/3266 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Die Prüfung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern hat ergeben, dass ein Anpassungsbedarf des Landeshochschulgesetzes (LHG M-V) nicht erforderlich erscheint. 2. Das Bundesverfassungsgericht rügte unter anderem die nicht aus- reichende Beteiligung des Senats an der Beschlussfassung des Wirt- schaftsplans, der hierzu gemäß niedersächsischem Hochschulgesetz nur eine Stellungnahme abgeben darf. Wie bewertet die Landesregierung vor diesem Hintergrund die im Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommern vorgesehenen Mitwirkungsrechte in dieser Frage? Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Regelungen des Landeshochschulgesetzes, die es für die Einbindung der für Forschung und Lehre zuständigen Organe der Universitätsmedizin in dem Bereich Wirtschaftsplanung und Verteilung der Mittel für Forschung und Lehre vorsieht, den vom Bundesverfassungsgericht erhobenen Anforderungen entsprechen. Die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zu Grunde liegenden Wertungen bilden eine wichtige Grundlage für die Überprüfung der Regelungen des Landeshochschulgesetztes. Sie lassen sich jedoch nicht unmittelbar auf die Universitätsmedizin in Mecklenburg-Vorpommern übertragen, da sich die Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten für bestimmte Entscheidungen – insbesondere im Bereich der Wirtschaftsplanaufstellung – zum Teil erheblich unterscheiden. Die wesentlichen Unterschiede zwischen der Universitätsmedizin in Mecklenburg- Vorpommern und der MHH ergeben sich zunächst daraus, dass die MHH eine selbständige Hochschule ist, während die Hochschulmedizinen in Mecklenburg-Vorpommern Teilkörper- schaften der Universitäten sind. Die MHH untergliedert sich, anders als die Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern, nicht in Fakultäten. Daraus ergibt sich eine andere Zuordnung der Aufgaben und Zuständigkeiten des Senates der MHH, der im Vergleich zur Organisation in Mecklenburg-Vorpommern auch Aufgaben der Fakultätsebene zu erledigen hat. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Zuständigkeiten der Vorstände der MHH und die in den Vorständen der Universitäts- medizinen deutlich voneinander abweichen. Diese strukturellen Unterschiede sind bei der Beurteilung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu berücksichtigen, da es nicht darauf ankommt, ob einem Organ ein bestimmtes Beteiligungsrecht zukommt, sondern darauf, dass der Gesetzgeber die Art und Weise der Mitwirkung im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge so gestaltet, dass die „wissenschaftlich Tätigen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen hinreichend mitwirken können“ (BVerfG a.a.O. Rn. 59). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3266 3 Die Universitätsmedizin in Mecklenburg-Vorpommern ist so organisiert, dass die Entschei- dungen über die Wirtschaftsplanung und die Verteilung der für Forschung und Lehre vorgesehenen Haushaltsmittel - anders als bei der MHH - durch die Organe der Medizi- nischen Fakultäten weitgehend selbständig getroffen werden. Dazu im Einzelnen: Zunächst ist zu betonen, dass - im Gegensatz zur MHH - der Wirtschaftsplan, der den Bereich Forschung und Lehre betrifft, durch die Fakultätsleitung aufgestellt wird (§ 100 Absatz 2 Nummer 1 LHG). Der Fakultätsrat hat die Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 99 Absatz 1 Nummer 1 LHG). Diese Verfahrensregelungen sind aber nicht isoliert zu betrachten. Es sind vielmehr alle Regelungen in die Betrachtung einzubeziehen, die für die Verwaltung der für Forschung und Lehre zur Verfügung stehenden Ressourcen im Landeshochschulgesetz vorgesehen sind: Neben der Aufstellung des Wirtschaftsplans werden auch die Grundsätze über die leistungs- orientierte Mittelvergabe für Forschung und Lehre (§ 100 Absatz 2 Nummer 2 LHG) sowie die Beschlussfassung über die leistungsorientierte Mittelvergabe für Forschung und Lehre (§ 100 Absatz 2 Nummer 3 LHG) durch die Fakultätsleitung getroffen. Der Fakultätsrat hat die Aufgabe, die Grundsätze der leistungsorientieren Mittelvergabe zu genehmigen. Darüber hinaus ist im Landeshochschulgesetz - anders als bei der MHH - eine Trennungs- rechnung (Forschung und Lehre - Krankenversorgung) vorgesehen (§ 104 Absatz 2 LHG). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass dem Landesgesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt. Die Trennungsrechnung ist ein Mittel, das zum Schutze der Wissenschaftsfreiheit beitragen könne (BVerfG a.a.O. Rn. 72). Außerdem steht dem Wissenschaftlichen Vorstand, der den Wirtschaftsplan im Vorstand vertritt, ein Vetorecht zur Durchsetzung der Beschlüsse des Fachbereichsrates zu (§ 102 Absatz 5 Satz 3 LHG). Besonders hervorzuheben ist, dass der Fakultätsrat - anders als der Senat der MHH - bei der Verteilung der Mittel für Forschung und Lehre gemäß § 91 Absatz 1 LHG mit Zweidrittel- mehrheit eine abweichende Entscheidung treffen kann. In Verbindung mit dem Vetorecht des Wissenschaftlichen Vorstandes ergibt sich daraus eine gegenüber der MHH vergleichsweise starke Stellung der Medizinischen Fakultäten, die mit ihren Organen die Interessen der wissenschaftlich Tätigen in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten effektiv gegenüber den Anforderungen der Krankenversorgung vertreten können. Im Ergebnis ist also eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit aufgrund der vorliegenden hochschulrechtlichen Regelungen, die die Wissenschaft vor einer unzulässigen Einflussnahme der Krankenversorgung schützt, nicht zu befürchten.