Der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 28. September 2014 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3282 6. Wahlperiode 29.09.2014 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Alleenschutz im Kontext der Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS 2009) und der Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB 2006) und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Aufgrund der durch das Bundesfernstraßengesetz (FStrG) vom 6. August 1953 (BGBl. I S. 903), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31. Mai 2013 (BGBl. I S. 1388), sowie das Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg- Vorpommern (StrWG - MV) vom 13. Januar 1993 (GVOBl. M-V 1993, S. 42), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. Mai 2011 (GVOBl. M-V S. 323, 324), begründeten Verpflichtungen hat die Straßenbauverwaltung dafür einzustehen, dass ihre Bauten allen Anforderungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügen. Nach dem Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Artikel 4 Absatz 100 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154), und dem Gesetz des Landes Mecklenburg- Vorpommern zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes (Naturschutzausführungsgesetz - NatSchAG M-V) vom 23. Februar 2010 (GVOBl. M-V 2010, S. 66), zuletzt geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V S. 383, 395), sind Alleen und einseitige Baumreihen gesetzlich geschützt und infolgedessen alle Handlungen, die zu deren Zerstörung, Beschädigung oder nachteiligen Veränderung führen können, grundsätzlich verboten; im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Falle notwendiger Baumabnahmen sind in ausreichendem Umfang Neuanpflanzungen vorzunehmen. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Anwendung der Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB 2006) sowie der Richtlinie für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeugrückhaltesysteme (RPS 2009) durch die Straßenbauverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern eine notwendige Schlussfolgerung. Zum einen werden durch ihre Anwendung Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer geschützt sowie die Verkehrs- sicherheit gefördert. Drucksache 6/3282 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Zum anderen wird auch der Schutz der Bäume vor Fahrzeuganprall sowie zukünftig durch Einhaltung größerer Pflanzabstände der Alleebäume vom Fahrbahnrand und die damit verbundene Minderung der Einwirkung des Straßenverkehrs auf die Bäume auch die Vitalität der Alleebäume gesteigert. Alleen sind prägende Bestandteile unserer Kulturlandschaft; sie zu erhal- ten und zu pflegen ist eine ressortübergreifende Aufgabe und Verpflich- tung. Der Schutz der Alleen im klassifizierten Straßennetz wird durch neue Richtlinien erschwert. Unter Verweis auf die Verbesserung der Verkehrssicherheit entstanden die für die Alleen maßgeblichen Richt- linien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS 2009) und die Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB 2006). Die Praxis einiger Straßenbauverwaltungen, die die genannten Richtlinien entsprechend eng auslegen, zeigt, dass zahlreiche Alleen mittelfristig in ihrem Bestand gefährdet sind. 1. Wie viele Kilometer Alleen im klassifizierten Straßennetz gibt es nach Kenntnis der Landesregierung derzeit (bitte nach Straßenkategorie differenzieren)? a) Wie hat sich der Alleenbestand im klassifizierten Straßennetz nach Kenntnis der Landesregierung seit 2005 entwickelt (bitte nach Straßenkategorie differenzieren)? b) Bei welchen Neu- und Umbaumaßnahmen im Bundesstraßen- und Landesstraßennetz wurden seit 2010 unter Anwendung der RPS 2009 bzw. der ESAB 2006 Alleen bzw. einseitige Baumreihen beseitigt (bitte Neu-/Aus- oder Umbaumaßnahme benennen, abschnittsbezogen mit Längenangaben)? Nach vorläufigen Berechnungen des Landesamts für Straßenbau und Verkehr Mecklenburg- Vorpommern von 2013 sind heute an mindestens 2.192 Kilometern der 5.289 Kilometer Bundes- und Landesstraßen Alleen oder einseitige Baumreihen vorhanden. Differenzierte Aussagen für die jeweiligen Kategorien Bundesstraße, Landesstraße sowie Allee und einseitige Baumreihe können nicht getroffen werden. Die Straßenbauverwaltung arbeitet im Zuge der Erstellung des Alleenberichts an den Landtag zurzeit an der Fortschreibung der Bestandserfassung. Für den Baumbestand an Kreis- und Gemeindestraßen sind die Landkreise und Gemeinden als jeweilige Straßenbaulastträger beziehungsweise Flächeneigentümer zuständig. Hierzu liegen teilweise dezentrale Baumkataster vor, eine Gesamtübersicht über das Land existiert nach Kenntnisstand der Landesregierung nicht. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 der Kleinen Anfrage auf Drucksache 6/2974 vom 10. Juni 2014 verwiesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3282 3 Zu a) Im Zeitraum von 2005 bis 2013 wurden an Bundesstraßen 20.384 Alleebäume, Bäume aus einseitigen Baumreihen sowie Einzelbäume aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht und wegen Baumaßnahmen gefällt. Im gleichen Zeitraum wurden 24.101 Bäume als Allee oder einseitige Baumreihe neu gepflanzt. An Landesstraßen wurden in diesem Zeitraum 24.494 Alleebäume, Bäume aus einseitigen Baumreihen sowie Einzelbäume aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht und wegen Baumaßnahmen gefällt. Im gleichen Zeitraum wurden 29.086 Bäume als Allee oder einseitige Baumreihe neu gepflanzt. Zur Entwicklung des Alleenbestandes an Kreis- und Gemeindestraßen kann aus den bereits oben genannten Gründen keine Aussage getroffen werden. Zu b) Bei Neu- und Umbaumaßnahmen wurden seit 2010 keine Alleen beziehungsweise einseitige Baumreihen unter Anwendung der RPS 2009 beziehungsweise der ESAB 2006 beseitigt. Durch die Anwendung der RPS 2009 wird somit der Alleenbestand im Land Mecklenburg- Vorpommern grundsätzlich nicht gefährdet. Die in diesem Zeitraum bei Neu-, Um- und Ausbaumaßnahmen durchgeführten 2.646 Baumfällungen einschließlich Einzelbäume erfolgten ausschließlich wegen Überbauung des Baumstandortes. 2. Wie viele Kilometer einseitige Baumreihen im klassifizierten Straßen- netz gibt es nach Kenntnis der Landesregierung (bitte nach Straßen- kategorie differenzieren)? Wie hat sich der Bestand einseitiger Baumreihen im klassifizierten Straßennetz nach Kenntnis Landesregierung seit 2005 entwickelt (bitte nach Straßenkategorie differenzieren)? Zum Bestand der einseitigen Baumreihen liegen keine differenzierten Auswertungen vor. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 1 a) verwiesen. 3. Bei welchen Neu- und Umbaumaßnahmen im Bundesstraßen- und Landesstraßennetz wurden seit 2010 unter Anwendung der RPS 2009 bzw. der ESAB 2006 Alleen bzw. einseitige Baumreihen beseitigt (bitte Neu-/Aus- oder Umbaumaßnahme benennen, abschnittsbezogen mit Längenangaben)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 b) verwiesen. Drucksache 6/3282 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 4. Bei welchen Ausbaumaßnahmen im Bestandsnetz wurden Alleen oder einseitige Baumreihen auf Grundlage der RPS 2009 beseitigt (bitte Abschnitte benennen)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 b) verwiesen. 5. Bei welchen Alleen oder einseitigen Baumreihen des klassifizierten Straßennetzes wurden Schutzplanken zwischen Fahrbahn und Bäumen nachgerüstet, um die Anforderungen der RPS 2009 zu erfüllen (bitte abschnittsbezogen mit Längenangaben)? Eine Gesamtübersicht aller Nachrüstungen von Schutzplanken zwischen Fahrbahn und Bäumen in Alleen und einseitigen Baumreihen des klassifizierten Straßennetzes wird nicht geführt. In Umsetzung des Verkehrssicherheitskonzeptes der Landesregierung sind geeignete Maßnahmen dort zu ergreifen, wo eine hohe Wahrscheinlichkeit von Baumunfällen besteht. Dabei haben Schutzplanken zur Minderung von schweren Unfallfolgen höchste Priorität. Hinzu kommen ein angemessenes Geschwindigkeitsniveau, wo erforderlich Geschwindig- keitsbegrenzungen und Überholverbote sowie Verkehrsüberwachung zur Durchsetzung der Regelungen. Diesem Auftrag folgend wurde im Jahre 2010 für Mecklenburg-Vorpommern das schwere Unfallgeschehen mit Baumanprall der Jahre 2005 bis 2009 auf Bundes- und Landesstraßen gesondert ausgewertet. Von den landesweit erfassten 928 Baumunfällen mit schwer verletzten oder getöteten Personen ereignete sich fast die Hälfte (438 Baumunfälle) in 175 definierten Bereichen (Abstand zwischen den Unfallstellen von maximal 1.000 m). Diese 175 Bereiche wurden den örtlichen Unfallkommissionen zur näheren Untersuchung auf mögliche Maßnahmen übergeben. Im Ergebnis dieser Untersuchungen wurden zum Beispiel auf der Insel Rügen im Zuge der Bundesstraße (B) 196 in den Abschnitten 60 und 70 zwischen Kaiseritz und Dalkvitz auf einer Streckenlänge von 2.300 Metern 1.130 laufende Meter Schutzplanken beidseitig eingebaut, weil Geschwindigkeitsreduzierungen und verbesserte Fahrbahnmarkierungen allein keinen nachhaltigen Erfolg zeigten. Ein weiteres Beispiel ist die B 194 zwischen Abtshagen und Steinhagen. Dort wurden 2.275 laufende Meter Schutzplanken beidseitig gesetzt. Im Altkreis Ludwigslust wurden Ende 2013/Anfang 2014 im Zuge der Landesstraße (L) 06 zwischen Lübtheen und Pritzier im Abschnitt 50 vom Kilometer 2,373 bis Kilometer 2,642 Schutzplanken gestellt. Nach Umsetzung der Maßnahmen aus der Sonderauswertung 2010 und den Maßnahmen aus der landesweiten Alleenprüfung im Jahr 2000 sind insgesamt etwa 800 km mit Schutzplanken gegen Baumanprall gesichert. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3282 5 6. In welchen Abschnitten des klassifizierten Straßennetzes mit Alleen und einseitigen Baumreihen wurde die zulässige Höchstgeschwindig- keit seit 2005 herabgesetzt und welche Erfahrungen wurden bisher damit gesammelt (bitte Abschnitte benennen)? Eine Gesamtübersicht aller Geschwindigkeitsbegrenzungen im klassifizierten Straßennetz, die die nach ihrer Verkehrsbedeutung eingestuften Straßen des überörtlichen Verkehrs umfasst, als solche die Bundesfernstraßen, Landesstraßen und Kreisstraßen, wird nicht geführt. Die Zuständigkeit für die Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen liegt im Regelfall bei den unteren Verkehrsbehörden. Bei den zuständigen Straßenbaulastträgern und unteren Verkehrsbehörden bestehen teilweise dezentrale Kataster zum Beschilderungsbestand. Eine zentrale Auswertung der Wirksamkeit der Einzelmaßnahmen liegt nicht vor. Die Kontrolle des Unfallgeschehens erfolgt regelmäßig über die örtlichen Unfallkommissionen, um entstandene Unfallhäufungen festzustellen und nach Analyse die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Beseitigung einzuleiten. 7. In welchem Umfang wurden seit 2010 neue Alleen oder einseitige Baumreihen nach den genannten Richtlinien unter Einhaltung der Mindestpflanzabstände angelegt (bitte Abschnitte benennen und nach Straßenkategorien differenzieren)? a) Welche Erfahrungen hat die Straßenbauverwaltung bei der Anwendung der ESAB 2006 in Bezug auf den Erhaltungs- und Gesundheitszustand von Alleen in Mecklenburg-Vorpommern gesammelt und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? b) Welche Erfahrungen hat die Straßenbauverwaltung bei der Anwendung der RPS 2009 in Bezug auf den Erhaltungs- und Gesundheitszustand von Alleen in Mecklenburg-Vorpommern gesammelt und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Der Umfang der Pflanzungen von Alleebäumen und einseitigen Baumreihen seit 2010 kann der Antwort zu Frage 2 der Kleinen Anfrage auf Drucksache 6/2974 vom 10. Juni 2014 entnommen werden. Diese Pflanzungen wurden nach den genannten Richtlinien unter Einhaltung der Mindestabstände durchgeführt. Drucksache 6/3282 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Die Fragen a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Straßenbäume sind vielfältigen Belastungen durch den Straßenkörper und den Straßenverkehr ausgesetzt. Die Versiegelung und Hochverdichtung des Wurzelraumes hat eine geringere Sauerstoff-, Wasser- und Nährstoffversorgung im Wurzelraum zur Folge. Die regelmäßig notwendige Lichtraumprofilherstellung führt zur Verringerung der natürlichen Assimilations- fläche. Anfahrereignisse verursachen Rinden- und Stammschäden. Der Straßenbetrieb führt zu einer Schadstoff- und Salzbelastung im Straßenseitenbereich. Diese Belastungen sind die Ursachen für den fortschreitenden Verlust der Vitalität und damit des beschleunigten Rückganges des überwiegend dicht am Fahrbahnrand stehenden Altalleenbestandes im Land. Mit der Einhaltung der Mindestpflanzabstände vom Fahrbahnrand bei Neupflanzungen erwartet die Landesregierung neben der Erhöhung der Verkehrssicherheit auch eine wesentliche Verringerung der oben angeführten Belastungen für die neuen Alleebäume, damit eine höhere Vitalität und Lebensdauer sowie damit verbunden mittelfristig geringere Pflege- und Unterhaltungskosten durch weniger Lichtraumprofilschnitt und weniger Totholzanfall sowie langfristig insgesamt geringere Kosten für den Alleenschutz durch einen längeren Lebenszyklus der Bäume. Mit der Ausstattung von Alleenstrecken mit passiven Schutz- einrichtungen wird neben dem Schutz der Verkehrsteilnehmer auch ein Schutz der Bäume vor Anprall erreicht. Baumschädigungen und Baumverluste können damit verhindert beziehungsweise zumindest erheblich verringert werden.