Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 3. November 2011 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/33 6. Wahlperiode 03.11.2011 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Prof. Dr. Fritz Tack, Fraktion DIE LINKE Nässebedingte Schäden in der Landwirtschaft und ANTWORT der Landesregierung 1. Welche Erkenntnisse über nässebedingte Schäden und Ertragsausfälle in der Landwirtschaft hat die Landesregierung nach der Sondersitzung des Agrarausschusses vom 25.08.2011 und dem Gespräch des Ministers für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz mit dem Präsidenten des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, dem amtierenden Vorsitzenden des Agrarausschusses sowie weiteren Mitgliedern des Landtages vom 13.09.2011 gewonnen? a) Mit welcher Schadenshöhe in welchen Regionen und Produkten rechnet die Landesregierung? b) Bis zu welchem Zeitpunkt wird die Landesregierung eine umfassende Übersicht über die Nässeschäden in der Landwirtschaft und eine Abschätzung der Folgeschäden erlangt haben? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen noch keine abschließenden Erkenntnisse zu den konkreten finanziellen Auswirkungen für die landwirtschaftlichen Betriebe vor. Der bisherige Stand der Ermittlung der witterungsbedingten Schäden anhand der Ernteausfälle ermöglicht gegenwärtig lediglich grobe Schätzungen zur Betroffenheit der einzelnen Produktionsbereiche. Drucksache 6/33 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Zu a) Anhand der Auswertung der Situation einer repräsentativen Anzahl von Beratungsbetrieben wurde eine Grobeinschätzung der Betroffenheit durch die starken Niederschlagsereignisse 2011 in drei Kategorien (stark betroffen, betroffen, nicht betroffen) vorgenommen. Für die Einordnung in die Kategorien wurden dabei einfache Kriterien zugrunde gelegt. So wurden zum Beispiel erfolgte Tierbestandsabstockungen und nicht abgeerntete Druschfruchtflächen als Indiz für starke Betroffenheit gewertet, notwendige Grundfutterzukäufe, beziehungsweise verspätete Wiederbestellung von Marktfruchtflächen, als Indiz für Betroffenheit. Diese vorläufige Kategorisierung bietet zumindest ein genaueres Bild als zum Zeitpunkt der Sondersitzung des Agrarausschusses am 25.08.2011. Im Landesdurchschnitt werden danach von den Futterbaubetrieben zirka 10 % als von den Witterungsereignissen stark betroffen, 55 % als betroffen und 35 % als nicht betroffen eingestuft. Die regionale Auswertung zeigt bei den Futterbaubetrieben in den ehemaligen Landkreisen Bad Doberan, Güstrow und Nordvorpommern mit je einem Drittel stark betroffenen und betroffenen Betrieben neben dem Bereich Demmin/Vorpommern mit rund 10 % stark betroffenen und rund 70 % betroffenen Betrieben die stärksten Auswirkungen der Witterungsereignisse . Bei den Marktfruchtbetrieben werden derzeit 10 % als stark betroffen, 70 % als betroffen und 20 % als nicht betroffen eingeschätzt. Die regionale Auswertung ergibt in diesem Bereich eine starke Betroffenheit in den ehemaligen Landkreisen Bad Doberan, Güstrow und Nordvorpommern und Demmin/Vorpommern (jeweils zirka ein Drittel). In der Region Ludwigslust/Parchim wird kein Betrieb als stark betroffen eingestuft, jedoch werden fast 100 % der Betriebe als betroffen angesehen. Für die Bestimmung der daraus resultierenden Einkommensminderungen müssen auch betriebsindividuelle Faktoren einbezogen werden, wie insbesondere die Produktionskosten, die erzielten Verkaufserlöse sowie der Anteil des geschädigten Produktionsbereiches am Ergebnis des Gesamtbetriebes. Zu b) Eine qualifiziertere Aussage zur finanziellen Situation der Betriebe bis hin zur Einschätzbarkeit der Existenzgefährdungslage wird voraussichtlich erst zum Jahresende im Zuge der regulären Betriebszweigauswertung möglich sein. Die endgültigen finanziellen Auswirkungen lassen sich dann erst Mitte des Jahres 2012 abschließend bewerten, wenn die geprüften Jahresergebnisse der Landwirtschaftsbetriebe vorliegen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/33 3 2. Wie viele Betriebe sind in welchen Regionen existenziell gefährdet und welche Strukturen haben diese? a) Wie sollen entwicklungsfähige Betriebe, die ohne eigenes Verschulden durch die Extremwitterung in Schwierigkeiten gekommen sind, in ihrem Bestand gesichert werden? b) Nach welchen Kriterien erfolgen die Bewertung der betrieblichen Situation und die jeweilige Bedürftigkeit der Betriebe? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann aus den vorgenannten Gründen die Frage nach der existenziellen Gefährdung noch nicht beantwortet werden. Zu a) Die Landesregierung hat bereits folgende Maßnahmen ergriffen, um den Landwirtschaftsbetrieben zu helfen, vorübergehende Liquiditätsengpässe wegen übermäßiger Ertragseinbußen infolge der ungewöhnlichen Witterungsverhältnisse zu überwinden: - Das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Landgesellschaft stunden den Pächtern die Pachtraten verpachteter Flächen zu den Fälligkeitsterminen 30.09.2011 und 31.12.2011. Dem hat sich auch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) angeschlossen . - Das Land stundet die Raten zur Tilgung öffentlicher Darlehen, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird (§ 59 Absatz 1 Nr. 1 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern). - Das Land übernimmt Bürgschaften für Kredite, die der Umlaufmittelfinanzierung dienen (Bürgschaftsrichtlinie-Landwirtschaft). - Die Finanzämter stunden Steuerzahlungen, passen Vorauszahlungen der Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) an und gewähren Vollstreckungsaufschub (Erlass des Finanzministeriums vom 18.08.2011 „Billigkeitsmaßnahmen in Zusammenhang mit der Niederschlagssituation “). - Notleidende Landwirte können bei der Rentenbank (Programm Nr. 246/247) über ihre Hausbank Liquiditätshilfedarlehen beantragen. Ob und welche zusätzlichen Maßnahmen zur Existenzsicherung seitens der Landesregierung noch ergriffen werden, wird nach abschließender Auswertung der tatsächlich entstandenen Schäden zu beurteilen sein. Zu b) Es wird auf die Antwort zu Frage 1 b) verwiesen. Drucksache 6/33 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 3. Wie wurden diese Erkenntnisse gewonnen und inwieweit wurden damit die ersten Einschätzungen der o. g. Beratungen, dass ca. 100, vornehmlich ökologisch ausgerichtete Betriebe betroffen seien, bestätigt oder korrigiert? Die damalige Aussage, dass zirka 100 vornehmlich ökologisch ausgerichtete Betriebe besonders betroffen seien, beruhte auf der regionalen Abgrenzung der besonders von den Regenereignissen betroffenen Gebiete des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der noch unbestätigten Vermutung, dass sich die Auswirkungen in besonderer Weise bei ökologisch ausgerichteten Grünlandbetrieben zeigen werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch keine Aussage möglich, ob die damalige Einschätzung bestätigt oder korrigiert werden muss. 4. Wie wird die Zusammenarbeit mit dem Bauernverband, der LMS und der LFA in den Regionalgruppen bei der Schadensermittlung bewertet ? Die Zusammenarbeit mit dem Bauernverband, der Landwirtschaftsberatung MecklenburgVorpommern /Schleswig-Holstein GmbH (LMS) und der Landesforschungsanstalt zu den unterschiedlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Nässesituation 2011 sowohl auf ministerieller als auch auf regionaler Ebene wird von der Landesregierung als vertrauensvoll und zielführend bewertet. 5. Wie ist der Stand der Antragsstellung von notleidenden Betrieben zu den von der Landesregierung in Aussicht gestellten Unterstützungsmaßnahmen , wie z. B. Pachtstundungen und Liquiditätshilfen, etc.? 6. Welche Hilfen sind bisher konkret an wie viele Betriebe ausgereicht bzw. gewährt worden (bitte detailliert auflisten)? Die Fragen 5 und 6 werden zusammenhängend beantwortet: a) Pachtstundungen: Bei der Landgesellschaft liegen rund 40 Pachtstundungsanträge vor, drei Viertel der Anträge betreffen reine Landesflächen (zirka 5.300 Hektar) und ein Viertel der Anträge betrifft Flächen der Landgesellschaft (zirka 260 Hektar). Der zur Stundung beantragte Pachtzins beläuft sich auf rund 350.000 Euro, von denen rund 325.000 Euro dem Land und rund 25.000 Euro der Landgesellschaft geschuldet werden. Bei den Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt sind darüber hinaus rd. 20 Anträge betreffend Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH vorgelegt worden, die rund 3.500 ha Pachtfläche zum Gegenstand haben. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/33 5 b) Stundung von Darlehenstilgungsraten: Zirka 35 Betrieben wurden die Leistungsraten öffentlicher Darlehen in Höhe von insgesamt rund 300.000 Euro gestundet. Die Stundungen gelten maximal bis Oktober 2013. Die nunmehr verfügten Stundungen lassen nicht darauf schließen, in welchem Umfang nässebedingte Schäden für eingetretene Liquiditätsschwierigkeiten ursächlich sind. Sie liegen nämlich im Rahmen des auch zu anderen Zeiten Üblichen. c) Inanspruchnahme von Bürgschaften: Bislang wurden keine Anträge auf Gewährung einer Bürgschaft gestellt. d) Stundung von Steuerzahlungen: Zum Umfang beantragter und gewährter Steuerstundungen kann keine Aussage getroffen werden. Statistische Erhebungen werden hierzu durch die Finanzämter nicht geführt. e) Anträge auf Liquiditätshilfen bei der Rentenbank: Bisher wurden zwei Darlehen der Landwirtschaftlichen Rentenbank für die Liquiditätssicherung in Mecklenburg-Vorpommern zugesagt. Weitere Anträge liegen momentan nicht vor. 7. Welche Aktivitäten zur Unterstützung und Hilfeleistung für die betroffenen Betriebe hat die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Kommission mit welchen Ergebnissen eingeleitet? Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat sich mit Schreiben vom 12.08.2011 bei der Bundesregierung um eine vorzeitige Auszahlung der Betriebsprämien zum 01.12.2011 bemüht. Die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ilse Aigner hat dies am 28.09.2011 zugesagt. Die Bundesregierung übernimmt die dadurch entstehenden Zwischenfinanzierungskosten. Gegenüber der Europäischen Kommission wurde das Nässeereignis bereits Ende August als Witterungsunbilden angezeigt, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen nach der oben genannten nationalen Rahmenrichtlinie auf den Weg bringen zu können. Drucksache 6/33 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 8. Welche Folgen der Nässeschäden sieht die Landesregierung bezüglich der Tierbestände und der Produktionsprofile und der Beschäftigtenzahlen in den betroffenen Betrieben und welche Möglichkeiten der Beeinflussung nutzt die Landesregierung? Die Landesregierung schätzt die Folgen für die Tierproduktionsbetriebe mit Weidehaltung als besonders gravierend ein. Ob die Tierbestände zurückgehen werden, hängt maßgeblich davon ab, wie es den Betrieben gelingen wird, die Grobfutterversorgung über die Winterfutterperiode sicherzustellen. Ob und inwieweit dies auch Folgen für die Beschäftigtenzahlen haben wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. 9. Welche Folgen der Nässeschäden für den Grünlandbestand des Landes sieht die Landesregierung? a) Wie wird das Gebot des Erhalts des Grünlandes mit der notwendi- gen Erneuerung betroffener Flächen in Einklang gebracht, praktisch geregelt und kontrolliert? b) Welche Ausnahmeregelungen sind vorgesehen? Die Landesregierung sieht keine tiefgreifenden Folgen für den Bestand an Grünlandflächen des Landes. Zu a) Auch Grünlandflächen können in dem nach der Grünlanderhaltungsverordnung des Landes vorgesehenen Rahmen erneuert werden. Bei denjenigen Flächen, die besonderen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes, des Naturschutzausführungsgesetzes und des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern unterliegen, werden die näheren Voraussetzungen für die Erneuerung der dortigen Flächen durch die jeweilig zuständigen Behörden bestimmt. Zu b) Ausnahmeregelungen vom Grünlanderhaltungsgebot sind nicht vorgesehen, da im Rahmen bestehender Regelungen ausreichende Möglichkeiten zur Erneuerung betroffener Flächen bestehen. Zahlungsempfänger von Direktzahlungen sind jedoch bei geplanten Grünlanderneuerungen , insbesondere wegen der Anzeige- und Genehmigungspflicht, von Projekten in NATURA 2000-Gebieten im eigenen Interesse (CrossCompliance) gehalten, die Voraussetzungen für die Erneuerung von Grünland bei den jeweils zuständigen Naturschutzbehörden zu erfragen und einzuhalten.