Die Finanzministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 26. Januar 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3586 6. Wahlperiode 27.01.2015 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Henning Foerster und Torsten Koplin, Fraktion DIE LINKE EU-Qualitätsrahmen für Praktika und haushaltsrechtliche Einwände gegen Praktikumsvergütungen in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Praktika dienen vorrangig der beruflichen Orientierung und sollen praktische Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln. Die Landesregierung unterstützt diese Praktika, indem sie die Möglichkeit zu deren Absolvierung in der Landesverwaltung eröffnet und hierfür die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellt. Neben der sachlichen Ausstattung (Nutzung einer Arbeitsplatzausstattung) zählt hierzu insbesondere auch die personelle Betreuung der Praktikantinnen und Praktikanten, die von den betreuenden Bediensteten neben ihren regulären Aufgaben erbracht wird. Wie in der Antwort zur Frage 4 der Kleinen Anfrage auf Landtagsdrucksache 6/1087 ausgeführt, gibt es mehrere Fallgruppen für Praktika. Für Praktikantinnen und Praktikanten der Fallgruppe 1 gilt der Tarifvertrag über die Regelung der Arbeitsbedingungen der Praktikantinnen/Praktikanten der Länder (TV Prakt-L). Für Praktikantinnen und Praktikanten der Fallgruppe 2 gelten die Praktikanten-Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Fallgruppe 1 - TV Prakt-L Der TV Prakt-L gilt ausschließlich für Praktikantinnen und Praktikanten, die Praktika in bestimmten Berufen absolvieren müssen, weil diese Praktika gesetzlich oder in den Ausbildungsordnungen vorgegeben sind. Sie sind meist eine zusätzliche Voraussetzung für die staatliche Anerkennung im jeweiligen Beruf. Drucksache 6/3586 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Das betrifft die im öffentlichen Dienst des Landes eher selten vorkommenden Berufsfelder wie: Sozialarbeiterin/Sozialarbeiter, Sozialpädagogin/Sozialpädagoge, Heilpädagogin/ Heilpädagoge, Pharmazeutisch-Technische Assistentin/Assistent, Erzieherin/Erzieher, Masseurin/Masseur, Bademeisterin/Bademeister, Rettungsassistentin/Rettungsassistent. Praktikantinnen und Praktikanten nach TV Prakt-L haben einen Rechtsanspruch unter anderem auf Entgelt. Fallgruppe 2 - Praktikanten-Richtlinien der TdL Die Praktikanten-Richtlinien der TdL gelten für Praktikantinnen und Praktikanten, die nicht unter den TV Prakt-L fallen. Diese Richtlinien unterscheiden wiederum zwischen Praktikantinnen und Praktikanten, die unter das Berufsbildungsgesetz (BBiG) fallen (Fallgruppe 2a) und den übrigen Praktikantinnen und Praktikanten (Fallgruppe 2b). - Fallgruppe 2a der Praktikanten-Richtlinien - BBiG Hierunter fallen Praktikantinnen und Praktikanten, für die § 26 BBiG gilt, das heißt, es darf kein Berufsausbildungsverhältnis im Sinne des BBiG und auch kein Arbeitsverhältnis bestehen, und das Praktikum darf nicht Bestandteil einer dem Landesrecht unterliegenden Schul- oder Hochschulausbildung sein. Typische BBiG-Praktika sind Vorpraktika, die als Zulassungsvoraussetzung für eine Ausbildung gefordert werden, oder Berufspraktika, die nach Abschluss der schulischen Ausbildung oder des Studiums abgeleistet werden müssen. Diese Praktikantinnen und Praktikanten haben nach § 17 BBiG einen Rechtsanspruch auf Vergütung. - Fallgruppe 2b der Praktikanten-Richtlinien - Übrige In diese Gruppe fallen alle übrigen Praktikantinnen und Praktikanten. Dazu zählen neben freiwilligen Praktika auch verpflichtende Praktika als Bestandteil einer dem Landesrecht unterliegenden Schul- oder Hochschulausbildung. Diesen Praktikantinnen und Praktikanten kann eine Vergütung gezahlt werden. Ein Rechtsanspruch besteht nicht. Die Landesregierung hat in der Sitzung des Landtages am 13. Dezember 2014 zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Grundsätze fairer Praktika auch in Mecklenburg-Vorpommern umsetzen“ (Drucksache 6/3499) erklärt, dass haushaltsrechtliche Regelungen des Landes gegen eine Vergütung von Praktika stehen würden. Der Bund hat seine Richtlinie über Praktikantenvergütungen vom 13. August 2001 mit Wirkung vom 1. Dezember 2011 neu gefasst [siehe Richtlinie des Bundes zur Beschäftigung von Praktikantinnen und Praktikanten (Praktikantenrichtlinie Bund)]. Die EU hat sich in den Jahren 2012/2013 intensiv mit dem Thema befasst und die EU-Kommission hat am 4. Dezember 2013 einen Vorschlag für einen Qualitätsrahmen für Praktika unterbreitetet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3586 3 1. Welche konkreten haushaltsrechtlichen Regelungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern stehen zurzeit gegen a) die pauschale Vergütung von Praktika, b) die Erstattung des Aufwandes (Fahrtkosten, Unterkunft, Verpfle- gung etc.), c) die Gewährung von Sachbezügen (z. B. freie Unterkunft oder Verpflegung)? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, haben Praktikantinnen und Praktikanten nach Fallgruppe 1 und 2a einen Rechtsanspruch auf Entgelt beziehungsweise Vergütung. Diesen Rechtsanspruch erfüllt die Landesverwaltung selbstverständlich, sofern derartige Praktika durchgeführt werden. Insofern wird unterstellt, dass sich die Frage 1 nur auf Praktika der Fallgruppe 2b bezieht. Zu a), b) und c) Gemäß § 6 Landeshaushaltsordnung (LHO) sind bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans nur die Ausgaben zu berücksichtigen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind. Praktikantinnen und Praktikanten der Fallgruppe 2b sind für die Erfüllung der Landesaufgaben generell nicht erforderlich, sodass hierfür grundsätzlich keine Personalausgaben geplant und verausgabt werden dürfen. Insofern ermächtigt die vom Gesetzgeber beschlossene haushaltsrechtliche Vorschrift des § 6 LHO nicht zur Leistung von in den Fragen 1 a), 1 b) und 1 c) genannten Ausgaben für Praktika der Fallgruppe 2b (ohne Rechtsanspruch auf Vergütung). 2. Durch die Anwendung welchen Verfahrens bzw. welcher Regelung standen die drei durch das Land im Jahr 2013 vergüteten Praktika nicht im Widerspruch zu haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Landes? Von den 1.263 durchgeführten Praktika (Pflichtpraktika und freiwillige Praktika) im Jahr 2013 wurden drei Praktika (0,24 %) durch das Land vergütet. Sollten haushaltsrechtliche Bestimmungen nicht beachtet worden sein, ist künftig durch eine Klarstellung im 1. Bewirtschaftungserlass 2015 eine eindeutige Handhabung zu erwarten. Drucksache 6/3586 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 3. Welche Gründe sprechen dagegen, die Praktikantenrichtlinie Bund auf das Land Mecklenburg-Vorpommern anzupassen und in Kraft zu setzen? Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ (TdL). Die Mitglieder sind satzungsgemäß verpflichtet, die von der TdL geschlossenen Tarifverträge und Vereinbarungen durchzuführen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern kann daher nicht eigenständig die Praktikantenrichtlinie des Bundes anwenden oder für MecklenburgVorpommern modifizieren. 4. Welche haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Landes müssten ggf. wie geändert werden, um Praktika im Land vergüten bzw. entstehenden Mehraufwand entschädigen oder Sachbezüge leisten zu können? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Es bedürfte einer Änderung des § 6 LHO, dass ausdrücklich Ausgaben geplant und geleistet werden dürfen, obwohl diese nicht zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind. 5. Wann und mit welchem Ergebnis hat sich die Landesregierung mit der Praktikantenrichtlinie des Bundes oder anderer Bundesländer und dem Vorschlag der EU-Kommission für einen Qualitätsrahmen für Praktika befasst? a) Wenn dies bisher nicht geschah, warum nicht? b) Unter welchen Voraussetzungen zahlen nach Kenntnis der Landes- regierung welche anderen Bundesländer Vergütungen, leisten Erstattungen oder übernehmen Kosten für Praktika? c) Welche haushaltsrechtlichen Regelungen bilden dafür die jeweilige Grundlage? Zu 5, a), b) und c) Das Land ist als Mitglied der TdL an die in dem Arbeitgeberverband geltenden Regelungen gebunden. Derzeit besteht keine Veranlassung, sich näher mit anderen Vorschriften für Praktikanten zu befassen, da die in der Vorbemerkung dargestellten Rechtsgrundlagen ausreichend sind. Die Landesregierung hat keine Kenntnis über gezahlte Vergütungen oder Sachleistungen für Praktikanten beim Bund oder in anderen Bundesländern. Da die anderen Bundesländer, bis auf Hessen, alle ebenfalls Mitglied der TdL sind, geht die Landesregierung davon aus, dass dort ebenfalls nach den in Antwort 3 dargestellten Grundsätzen verfahren wird. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3586 5 Eine EU-weite Untersuchung ergab, dass viele Arbeitgeber Praktika anstelle regulärer Arbeitsverhältnisse zur Kostenminimierung nutzen (vgl. Eurobarometer „The experience of traineeships in the EU, IP/13/1161 und Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 10. März 2014, IP/13/1200). Der Vorschlag der EU-Kommission für einen Qualitätsrahmen für Praktika zielt darauf ab, den Missbrauch von Praktikantinnen und Praktikanten als billige Arbeitskräfte zu unterbinden. Im Landesdienst in Mecklenburg-Vorpommern werden Stellen nicht mit Praktikantinnen oder Praktikanten besetzt. Sie ersetzen somit keine Arbeitsplätze, die zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind, sondern sie erhalten zur Vorbereitung auf ihr künftiges Berufsleben eine bedarfsorientierte Wissensvermittlung und einen Einblick in die Aufgaben der Landesverwaltung. Hierfür stellt die Landesregierung die erforderlichen sachlichen und personellen Ressourcen zur Verfügung (siehe Vorbemerkungen). Der Vorschlag der EU-Kommission betrifft deshalb eine andere Konstellation. 6. Inwieweit fühlt sich die Landesregierung an den Qualitätsrahmen für Praktika der EU-Kommission gebunden bzw. mit welcher Begründung fühlt sie sich nicht daran gebunden? Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist als Mitglied der TdL an die von der TdL geschlossenen Tarifverträge und getroffenen Regelungen gebunden (vgl. Antworten zu den Fragen 3 und 5). 7. Wie viele der mehr als 1.200 Praktikantinnen und Praktikanten, die im Jahr 2013 in Landesministerien und nachgeordneten Behörden beschäftigt waren, fielen unter die Regelungen der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder für die Gewährung von Praktikantenvergütungen (Praktikanten-Richtlinien der TdL) vom 17. März 2010? Von den 1.263 Praktika in 2013 (vgl. Antwort zur Kleinen Anfrage auf Landtagsdrucksache 6/3350) fielen nahezu alle Praktika unter die Praktikanten-Richtlinien der TdL. Im Geschäftsbereich des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz war das bei sechs Praktika nicht der Fall. Es handelte sich um eine Beamtenanwärterin aus einem anderen Bundesland, um einen Umschüler, der ein vom Arbeitsamt finanziertes Praktikum absolvierte, um drei Personen in Ausübung ihrer Ehrenämter und um einen Kurzarbeiter. Die Vorgenannten wurden in den Dienststellen umgangssprachlich als Praktikanten bezeichnet und in der zur Kleinen Anfrage 6/3350 angegebenen Anzahl versehentlich mit gemeldet. Drucksache 6/3586 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 8. Inwieweit steht die Weigerung der Landesregierung, Praktika zu vergüten, im Einklang mit dem erklärten Ziel, sich gegen Armut und für gute Arbeit sowie für die Sicherung des Fachkräftebedarfs im Land einsetzen zu wollen? Es wird auf die Vorbemerkung und auf die Antworten zu den Fragen 1 und 4 verwiesen. Von einer Weigerung der Landesregierung, Praktika zu vergüten, kann keine Rede sein. Die Landesverwaltung zahlt Entgelt beziehungsweise Vergütung an Praktikantinnen und Praktikanten, sofern diese einen Anspruch nach dem TV Prakt-L (Fallgruppe 1) beziehungsweise nach den Praktikanten-Richtlinien der TdL (hier nur Fallgruppe 2a) haben. Für Praktika der Fallgruppe 2b ist die Landesregierung nicht ermächtigt, diese zu vergüten. Im Übrigen sieht die Landesregierung keinen Zusammenhang zwischen der Vergütung von Praktikantinnen und Praktikanten in der Landesverwaltung und ihrem Ziel, sich für gute Arbeit und für die Sicherung des Fachkräftebedarfs im Land einzusetzen. Zur Bedeutung der Praktika und deren Unterstützung durch die Landesregierung wird auf die Antwort zur Frage 9 der Kleinen Anfrage auf Landtagsdrucksache 6/3466 verwiesen.