Die Finanzministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 20. Januar 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3601 6. Wahlperiode 21.01.2015 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jeannine Rösler, Fraktion DIE LINKE Schlussfolgerungen aus enormen Mehrausgaben der Baumaßnahme Universitätsmedizin Rostock und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Am Campus Schillingallee der Universitätsmedizin Rostock werden derzeit mehrere Baumaß- nahmen durchgeführt. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage bezieht sich auf die Mehr- kosten der Baumaßnahme Zentrale Medizinische Funktionen (ZMF), welche durch den Finanzausschuss am 04.12.2014 gebilligt wurden. Die enormen Mehrausgaben für die Universitätsmedizin Rostock werden mit signifikanten Bedarfsänderungen begründet. Weitere Kostensteige- rungen werden durch das Risikomanagement nicht ausgeschlossen. 1. Durch wen und wann wurde das der ursprünglichen Planung für die Universitätsmedizin zugrunde liegende Funktions- und Betriebs- organisationskonzept erarbeitet, mit wem wurde es abgestimmt und wodurch konnte es zu derart erheblich geänderten Bedarfsänderungen kommen? Die Prämisse der Fragestellung trifft so nicht zu. Die Mehrausgaben sind nicht allein mit Bedarfsänderungen zu begründen. Drucksache 6/3601 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Die Universitätsmedizin Rostock erarbeitete 2003 ein erstes Betriebsorganisationskonzept. Für die bauliche Umsetzung wurde darauf aufbauend 2004 eine Zielplanung vom Planungs- büro Lohfert & Lohfert (Krankenhausberatung und Konzeptentwicklung) erstellt. Auf dieser Grundlage wurde durch den Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern (BBL M-V) eine Entscheidungsunterlage für das Bauvorhaben ZMF aufgestellt, welche im Juni 2006 durch das Finanzministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur genehmigt wurde. Grundsätzlich ist festzustellen, dass Betriebsorganisations- und Entwicklungsplanungen für einen Klinikstandort aufgrund des medizinischen Fortschritts und struktureller Veränderungen ständiger Anpassungen bedürfen. Aus diesem Grunde wurden seit 2007 zwei Evaluierungen durchgeführt. In der ersten Evaluierung im Jahre 2007 wurde anlässlich des hohen Investi- tionsbedarfes und zur Sicherstellung der inhaltlichen Funktionalität ein Gutachten durch das Finanzministerium an das Architekturbüro Tönies+Schroeter+Jansen in Auftrag gegeben. Zur Optimierung der Betriebs- und Funktionsabläufe wurde vorgeschlagen, weitere hochtechni- sierte Bereiche aus dem Altbau der Chirurgie in den Neubau ZMF zu verlagern. Damit erweiterte sich die Nutzfläche von etwa 4.800 m² auf etwa 11.000 m². Diese vorgeschlagenen Änderungen zum Raum- und Funktionsprogramm machten sich die Universitätsmedizin Rostock und das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu eigen und erklärten diese als Grundlage der neuen Planung. Der neuen Planung wurde in der 44. Sitzung des Finanzausschusses des Landtages am 17.07.2008 zugestimmt. Im Jahre 2012 wurde auf Anregung des Landesrechnungshofes durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur eine Aktualisierung des Betriebsorganisationskonzepts des Gesamtbetriebes der Universitätsmedizin beauftragt. Im März 2013 legte die Universitäts- medizin Rostock ein überarbeitetes Betriebsorganisationskonzept vor, welches im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur durch die Planungsgruppe M+M (Fachplanung für Betriebsorganisation, Medizin- und Labortechnik, Gebäudetechnik) bis Ende Mai 2013 begutachtet wurde. Auf Grundlage dieses Gutachtens legte die Universitäts- medizin Rostock im August 2013 ein modifiziertes Raum- und Funktionsprogramm für die ZMF vor. Nach Anerkennung durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur beauftragte das Finanzministerium den BBL M-V mit der Aufstellung eines Nachtrages, der die bedarfsseitigen Änderungen berücksichtigt. Im Dezember 2014 hat der Finanzausschuss den wesentlichen Änderungen und den daraus resultierenden fortgeschriebenen Gesamtbau- kosten zugestimmt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3601 3 2. Welche Schlussfolgerungen werden aus der Kostenexplosion für dieses Großprojekt für andere Landesbauvorhaben gezogen insbeson- dere im Hinblick auf a) den zeitlichen Rahmen zwischen Planung und Realisierung einer Baumaßnahme, b) die Zuständigkeiten für die Erarbeitung und die Abstimmung von Nutzungs-, Funktions-, Betriebsorganisations- und Raumkonzep- ten als Grundlage der Bauplanung und c) die Aufgabenorganisation, beispielsweise den Einsatz eigener bzw. die Beauftragung externer Fachleute? Zur Kostenentwicklung im Allgemeinen ist einleitend Folgendes anzumerken: Obwohl es im Land Mecklenburg-Vorpommern nach statistischen Auswertungen des BBL M-V hinsichtlich des Gesamtbudgets in den letzten Jahren nicht zu maßgeblichen Kosten- überschreitungen bei staatlichen Baumaßnahmen gekommen ist (siehe Antwort der Landes- regierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Landtagsdruck- sache 6/2361), sieht es die Landesbauverwaltung als ihre Aufgabe an, die Durchführung von Großprojekten zu optimieren. In diesem Zusammenhang wurden bereits Maßnahmen zur Verbesserung des Projektmanagements durchgeführt. Aufgrund von erheblichen Kostensteigerungen und Terminverzögerungen bei öffentlichen und privaten Bauprojekten deutschlandweit wurde im April 2013 durch das damalige Bundes- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (heute Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) eine Reformkommission „Bau von Großprojekten“ gegründet. Im Fokus stehen Baumaßnahmen von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung, erhöhter Komplexität mit besonderen Risiken und einem Investitionsvolumen von über 100 Millionen Euro. Aufgabe der Kommission ist es, für diese Projekte Handlungsempfehlungen zu entwickeln, um Kostenwahrheit, Kostentransparenz und Termintreue bei Großprojekten zu verbessern. In den unterstützenden Arbeitsgruppen ist das Land Mecklenburg-Vorpommern durch das Engagement im „Ausschuss staatlicher Hochbau“ eingebunden. Eine Handlungsempfehlung der Reformkommission für höhere Kostensicherheit berücksichtigt die Landesbauverwaltung bereits, dies gilt auch für das Projekt ZMF. So werden auf Grundlage einer vollständigen Ausführungsplanung Bauleistungen mit einem Umfang von mindestens 60 Prozent der Bau- kosten als „Paket“ vor Baubeginn ausgeschrieben. Ziel ist es, damit eine höchstmögliche Kostentransparenz und Kostenwahrheit noch vor Baubeginn zu erlangen. Zu 2 a) Grundsätzlich ist der zeitliche Rahmen zwischen Planung und Realisierung einer Baumaß- nahme einerseits zur qualitätsvollen planerischen Durchdringung angemessen lang und andererseits zur wirtschaftlichen Darstellung des Planungsaufwandes hinreichend kompakt und vor allem möglichst störungsarm zu bemessen. Drucksache 6/3601 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Um dieses zu erreichen, werden exemplarisch nachstehende Maßnahmen umgesetzt: - Die gründliche, qualifizierte und abschließend anerkannte Bedarfsplanung ist im Zuge der weiteren Planung von Bedarfsänderungen freizuhalten. Hierfür hat der BBL M-V ein striktes projektbezogenes Änderungs- und Entscheidungsmanagement eingerichtet. - Genehmigungsplanungen im Sinne des Planungs- und Bauordnungsrechts (unter anderem Denkmalschutz, Naturschutz, Brandschutz) werden zur Minimierung der Genehmigungs- risiken frühzeitig erfasst. Zu 2 b) Die Zuständigkeit und die Verantwortung für die Erarbeitung und Abstimmung von Nutzer- bedarfen müssen im Bereich des Hochschul- und Universitätsklinikbaus weiterhin bei den Hochschulen, Universitätskliniken und abschließend dem Ministerium für Bildung, Wissen- schaft und Kultur liegen. Für spezielle Unterbringungsaufgaben insbesondere im Hochschul- und universitären Klinik- bau kann es sinnvoll sein, dass sich die Hochschulen bzw. Universitätskliniken zusätzlich eines externen Bedarfs- oder Betriebsorganisationsplaners bedienen. Zu 2 c) Hinsichtlich der Aufgabenorganisation hat der BBL M-V bereits wichtige effizienzsteigernde Maßnahmen vorgenommen. Durch die Schaffung eines Geschäftsbereiches für Hochschul- und Klinikbau im Jahre 2014 wurde die Durchführung großer und komplexer Bauaufgaben verbessert, indem fachspezifische Kompetenzen gebündelt wurden. Um die Projektleitung in ihrer Fach- und Bauherrenkompetenz zu stärken, hat der BBL M-V Regelungen für das Geschäftsprozessmanagement eingeführt. Darüber hinaus wurde mit externer Unterstützung durch Prof. Dr. Kalusche (Technische Universität Cottbus, Lehrstuhl für Planungs- und Bauökonomie) ein Projektmanagementhandbuch entwickelt, das die Umsetzung von Projekt- managementaufgaben unterstützt und die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Steuerung von großen Baumaßnahmen erhöht. In der Regel werden Baumaßnahmen durch den BBL M-V ohne Einschaltung von externen Projektsteuerern durchgeführt. Im Zuge der Projektleitung nehmen geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Handlungsweisen und Instrumentarien des Projektmanagements eigen- verantwortlich wahr. Bauliche Risiken werden im Rahmen der Entwurfsplanung erfasst und kostenseitig bewertet. Bei Baumaßnahmen mit herausragender gesellschaftlicher Bedeutung, hoher Komplexität und hohem Schwierigkeitsgrad bzw. besonderer baufachlicher Spezifik und/oder höherem Kostenumfang (Richtwert = 100 Millionen Euro) werden Projektsteuerer zur Unterstützung der Projektleitung eingeschaltet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3601 5 3. Wer hat nach Auffassung der Landesregierung die erheblich gestie- genen Honorarkosten für die notwendige Neuplanung zu verantwor- ten, welche Konsequenzen erwachsen daraus und welche Schlussfol- gerungen werden für künftige Bauvorhaben des Landes daraus gezogen? Unter Beachtung des durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) verbindlich gesetzten Preisrechts traten drei kostenbeeinflussende Effekte ein: - Aufgrund des erweiterten Planungsinhaltes sowie der Baupreisentwicklung im Vergleich zur ursprünglichen Planung sind höhere Baukosten zu verzeichnen, welche sich als anrechenbare Kosten entsprechend der HOAI unmittelbar auf die Honorare auswirken. - Während die Vorgängerplanungen dem Preisrecht der HOAI in der vorvorletzten Fassung aus dem Jahre 1996 unterworfen waren, fallen die geänderten Planungsleistungen unter das Preisrecht der HOAI 2013. - Darüber hinaus sind die Aufwendungen für die vorangegangenen und auftragsgemäß erbrachten Planungsleistungen zu vergüten und werden haushaltsrechtlich der Baumaß- nahme zugeordnet. Für künftige Bauvorhaben lässt sich daraus als wesentliche Grundanforderung ableiten, dass sich Kosten für Mehrfachplanungen und Preissteigerungen nur vermeiden lassen, wenn vor Projektbeginn qualifizierte und über die Projektlaufzeit fixierte Bedarfe vorliegen, die im Zuge der weiteren Planung nicht geändert werden und deren bauplanerische Konkretisierung dann optimal umgesetzt wird. 4. Welche Einsparmöglichkeiten wurden durch den Projektsteuerer in Bezug auf die Universitätsmedizin Rostock aufgedeckt bzw. wie hoch wären die Mehrkosten ohne Prüfung durch einen Projektsteuerer ausgefallen? In Kooperation von Universitätsmedizin Rostock, BBL M-V und Projektsteuerer wurden Einsparungen von rund 7.980.000 Euro ermittelt. Demzufolge wären ohne Prüfung Gesamt- baukosten von rund 150.847.000 Euro erforderlich gewesen. 5. Nach welchen Kriterien oder Vorgaben entscheidet die Landes- regierung über den Einsatz eines Projektsteuerers bzw. eines Risiko- managements bei Großbauvorhaben des Landes? Auf die Antwort zu Frage 2 c) wird verwiesen. Drucksache 6/3601 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 6. Welche Maßnahme bzw. Maßnahmen des standortbezogenen Hochschulbaukorridors sind in welcher Weise (späterer Baubeginn oder -fertigstellung, Zurückstellung) betroffen durch die Deckung der Mehrkosten für die Universitätsmedizin Rostock (Antwort bitte begründen)? Die Mehrkosten in Höhe von 48,422 Millionen Euro werden aus freien Mitteln des Standortbezogenen Hochschulbaukorridors der Universitätsmedizin Rostock in Höhe von 18,422 Millionen Euro (Kennung 1200-712.94 im Anhang 3 Wirtschaftsplan des BBL M-V, Einzelplan 12) sowie aus nicht gebundenen Mitteln des Globalvolumens für Forschungs- bauten nach Artikel 91b Grundgesetz in Höhe von 30 Millionen Euro (Kennung 1200-712.92 im Anhang 3 Wirtschaftsplan des BBL M-V, Einzelplan 12) gedeckt. Baumaßnahmen anderer Hochschulen sowie auch der Universität Rostock selbst sind hierdurch nicht betroffen. Anträge auf Forschungsbauten liegen nicht vor.