Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 9. Februar 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3651 6. Wahlperiode 11.02.2015 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Silke Gajek und Jürgen Suhr, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abschiebung von Zeugen rechter Gewalttaten und ANTWORT der Landesregierung In den frühen Morgenstunden des 20. Januar 2015 haben Mitarbeiter der Schweriner Ausländerbehörde einen ghanaischen Staatsangehörigen nach Italien abgeschoben. Erst vor einem Monat, am 21. Dezember 2014, war dieser offenbar Opfer einer rechten Gewalttat geworden. Im Schweriner Stadtteil Mueßer Holz war der Zwanzigjährige seinen Angaben zufolge von zwei Personen rassistisch beleidigt und mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen worden. Nach Angaben der Beratungsstelle LOBBI war der junge Mann auf Grund der Tat traumatisiert. Eine Behandlung in der Schweriner Heliosklinik sollte demnächst beginnen. Gegen die beiden mutmaßlichen Täter läuft derzeit noch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren . 1. Trifft es zu, dass es sich bei dem Abgeschobenen um den einzigen Zeugen der am 21. Dezember 2014 im Schweriner Stadtteil Mueßer Holz verübten Gewalttat handelt? Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die angezeigte Straftat vorgetäuscht wurde. Drucksache 6/3651 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Wie wird sich nach Einschätzung der Landesregierung die Abschie- bung dieses Zeugen auf das derzeit noch laufende Ermittlungsverfahren gegen die beiden mutmaßlichen Täter auswirken? Das zunächst eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde inzwischen eingestellt. 3. War den mit der Vollziehung der Abschiebung betrauten Mitarbeitern der Schweriner Ausländerbehörde bekannt, a) dass es sich bei dem von der Abschiebung Betroffenen um das Opfer und zugleich wohl um den einzigen Zeugen der oben beschriebenen rechten Gewalttat handelte? b) dass der von der Abschiebung Betroffene aufgrund der Tat traumatisiert ist? c) dass das gegen die mutmaßlichen Täter eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist? Zu a) Die Ausländerbehörde Schwerin erhielt Kenntnis über die Erstattung einer Anzeige, indem am 22. Dezember 2014 eine Bescheinigung über die Erstattung einer solchen wegen des Verdachts einer Straftat zur Akte gereicht wurde. Weitere Details, insbesondere zu eventuellen Zeugen, waren nicht bekannt. Zu b) Zu keinem Zeitpunkt war der Ausländerbehörde Schwerin bekannt, dass der Betroffene aufgrund der vermeintlichen Tat unter einer Traumatisierung litt. Ergänzend wird mitgeteilt, dass auch sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen weder vorgetragen noch aktenkundig wurden. Zu c) Das laufende Ermittlungsverfahren war der Ausländerbehörde Schwerin bekannt. Deshalb erfolgte dort eine Abstimmung mit Polizei und Staatsanwaltschaft; mit dem Ergebnis, dass die Weiterführung des Verfahrens nicht die Anwesenheit des Betroffenen erfordere und die Maßnahme trotz des Ermittlungsverfahrens vollzogen werden konnte. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3651 3 4. War dies auch der für die Anordnung der Abschiebung zuständigen Behörde, in diesem Fall das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge , bekannt? a) Wenn ja, seit wann und warum fand dies nach Kenntnis der Landesregierung keinerlei Berücksichtigung? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu a), b) und c) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mitgeteilt, dass der Sachverhalt dort nicht bekannt war. Weder der Antragsteller noch seine anwaltliche Vertretung informierten das Bundesamt über den vermeintlichen Zwischenfall. Zudem wurde auch kein fachärztliches Attest über eine Traumatisierung aufgrund dieses Vorfalls dort eingereicht. 5. Wie stellt sich die Abschiebung vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Umstände aus Sicht der Landesregierung dar? Nach den der Landesregierung vorliegenden und bereits dargestellten Erkenntnissen stellt sich der Verlauf der Abschiebung als ordnungsgemäß dar. 6. Über welche Möglichkeiten verfügt die Landesregierung, eine Wiedereinreise des Abgeschobenen zu erreichen, um diesem einerseits eine Aussage vor Gericht, andererseits aber auch eine Behandlung des aus der Tat offenbar resultierenden Traumas zu ermöglichen, und wird sie diese auch nutzen? Eine Wiedereinreise des Abgeschobenen ist nach Ansicht der Landesregierung aufgrund der vorliegenden und bereits dargestellten Erkenntnisse nicht erforderlich. Drucksache 6/3651 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 7. Wie viele vergleichbare Fälle der Abschiebung von Zeugen rechter Gewalttaten vor Abschluss des jeweiligen Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens sind der Landesregierung in den letzten zehn Jahren bekannt geworden? Nach Rückmeldung der Ausländerbehörden des Landes werden zu dem nachgefragten Sachverhalt keine Statistiken geführt; im Übrigen wurde Fehlanzeige mitgeteilt. Der Vollständigkeit halber wird noch darauf hingewiesen, dass gemäß § 72 Absatz 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden darf. Die Staatsanwaltschaft prüft im Einzelfall, ob zur Weiterführung des Verfahrens die Anwesenheit des Betroffenen im Bundesgebiet erforderlich ist. 8. Wie kann die Landesregierung auf die ihr nachgeordneten Ausländerbehörden einwirken, damit sich solche Fälle in Zukunft nicht wiederholen ? Die Landesregierung sieht keine Notwendigkeit, auf die Ausländerbehörden des Landes einzuwirken. 9. Welche weiteren Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, damit sich solche Fälle in Zukunft nicht wiederholen? Die Landesregierung sieht keine Notwendigkeit, weitere Maßnahmen zu ergreifen. 10. Wie bewertet die Landesregierung die in diesem Zusammenhang erhobene Forderung nach einem Bleiberecht für Betroffene rechter Gewalt? Die Landesregierung sieht keine Notwendigkeit, sich für ein Bleiberecht für Betroffene rechter Gewalt einzusetzen.