Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 31. März 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3788 6. Wahlperiode 02.04.2015 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE Modellprojekt „Beteiligungs- und Beschwerdemanagement in den Erziehungshilfen“ und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die Beteiligung von jungen Menschen im Kontext der Hilfen zur Erziehung ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal der Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Ein- richtungen. Der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ hat in seinem Abschlussbericht vom 30. November 2011 (Herausgeber: Bundesministerium der Justiz; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Bundesministerium für Bildung und Forschung; 2011) unter anderem deutlich hervorgehoben, dass die Entwicklung und Umsetzung von Formen der Beteiligung und der Selbstbestimmung sowie die Etablierung von Beschwerdemöglichkeiten in einer Institution wesentlich zur Schaffung von sicheren Orten für Kinder und Jugendliche beitragen. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der runden Tische und der neuen Regelungen im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) mit dem Bundeskinderschutzgesetz sind Möglichkeiten zur Beteiligung und Beschwerde in Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung erneut stärker in den Fokus von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe gerückt und sollen verstärkt in Einrichtungskonzeptionen, Kinderschutzkonzepten und im Erlaubnisverfahren Berücksichtigung finden. Um diese Weiterentwicklungsprozesse in Mecklenburg-Vorpommern zu befördern und fach- lich qualitativ zu verbessern, wird im Rahmen der zur Verfügung stehenden Fördermittel das Modellprojekt „Beteiligungs- und Beschwerdemanagement in den Erziehungshilfen“ an vier Standorten im Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 30. September 2016 in Mecklenburg- Vorpommern durchgeführt. Drucksache 6/3788 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Die Landesregierung hat im Jahr 2013 ein Modellprojekt „Beteiligungsund Beschwerdemanagement in den Erziehungshilfen“ initiiert. 1. Was ist Inhalt und Ziel des Modellprojektes „Beteiligungs- und Beschwerdemanagement in den Erziehungshilfen“? Ziele und Inhalt des Modellprojektes sind in der Projektbeschreibung des Modellprojektes beschrieben. Ziel ist es unter anderem, das Bewusstsein für das Beteiligungsthema bei Fach- kräften und Leitungskräften zu stärken, Partizipationsansätze in Einrichtungen zu fördern, neu zu entwickeln und strukturell zu verankern. Für junge Menschen in Heimerziehung sollen einrichtungsbezogen und einrichtungsübergreifend Beteiligungsoptionen eröffnet werden. Modellhaft sollen Beteiligungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten in Zusammenarbeit mit vier freien Trägern der freien Jugendhilfe an vier Einrichtungsstandorten in Mecklenburg- Vorpommern (Universitäts- und Hansestadt Greifswald, Hansestadt Rostock, Neubrandenburg, Parchim/Plau) erfasst, weiterentwickelt und erprobt werden. Dies erfolgt sowohl mit Fachkräften der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe als auch mit den Kindern und Jugendlichen der Einrichtungen. Im Einzelnen lassen sich aus der der Förderung zugrunde liegenden Projektbeschreibung beispielhaft folgende Schwerpunktziele benennen: - Bereits vorhandene Möglichkeiten und Erfahrungen zur Partizipation sind auf ihre Alltags- tauglichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sollen regionale Formen des fachlichen Austausches zwischen den am Modellprojekt Beteiligten sowie weiteren Einrichtungen entwickelt und nachhaltig gesichert werden (Vernetzung, regionale Fachgruppen, Beiräte der Kinder und Jugendlichen). - Es sollen geeignete Beteiligungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten in den stationären Erziehungshilfen in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt und modellhaft erprobt werden. Beteiligung und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen beginnen im Hilfeplan- verfahren. Sozialpädagogische Fachkräfte der Jugendämter sollen frühzeitig und intensiv in allen Entwicklungsphasen an den Modellstandorten beteiligt werden (verbindliche Kooperationsstrukturen). - Die Erhebung und Dokumentation gelingender Praxis soll zur Weiterentwicklung, zur Orientierung und zum Ausprobieren verschiedener und neuer Formen von Beteiligung und Beschwerdemöglichkeiten landesweit anregen (Herstellung von Öffentlichkeit). - Im Rahmen der verbindlichen Implementierung von Beteiligungsformen und Beschwerde- möglichkeiten sind neue Medien und neue Verfahren auf ihre Eignung für die jeweiligen konkreten Rahmenbedingungen in Einrichtungen der Erziehungshilfen in Mecklenburg- Vorpommern hin zu überprüfen (zum Beispiel Facebook, Internetforen, ePartizipation, Ombudsstellen). - Vor dem Hintergrund vorhandener Beteiligungsmöglichkeiten sind der Aufbau von Beschwerdeverfahren modellhaft auszugestalten und unterschiedliche Formen des Beschwerdemanagements auf ihre Eignung für die jeweiligen konkreten Rahmen- bedingungen in der Einrichtung und im Verlauf der konkreten Hilfe zu überprüfen (gruppenbezogene Betreuungssettings, Kleinsteinrichtungen, familienähnliche Betreuungs- settings). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3788 3 Im Rahmen des Modellprojektes sollen darüber hinaus geeignete Beteiligungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten sowie Beschwerdemöglichkeiten in anderen Formen der Erziehungshilfen, wie zum Beispiel in der Vollzeitpflege oder in den ambulanten Erziehungs- hilfen, mit dem Ziel der Abwägung von Möglichkeiten einer nachhaltigen Implementierung fachlich mit erörtert werden. Weiterhin sollen die Ergebnisse durch den Projektträger in einem Abschlussbericht dokumentiert werden. Dieser Abschlussbericht wird dann nachfolgend mit den Materialien für Partizipation und Beschwerdemanagement allen Jugendämtern und Trägern von Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung und den Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg- Vorpommern zur Verfügung gestellt. 2. Wie viele finanzielle Mittel wurden für dieses Modellprojekt aus dem Landeshaushalt eingestellt (bitte mit Benennung der Haushaltstitel)? Die Förderung des Modellprojektes erfolgt aus dem Einzelplan 10, Kapitel 1025, Haushalts- titel 684.34 im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Im Konkreten stellt sich die Förderung des Projektes wie folgt dar: Jahr Ausgereichte Fördermittel (2015 Bewilligung und 2016 Planzahl) in Euro 2013 16.130,26 2014 48.956,87 2015 70.279,31 2016 51.206,00 (Einwerbung im Haushaltsaufstellungsverfahren 2016/2017 vorgesehen) gesamt 186.572,44 3. Was wurde durch diese Mittel in welcher Form vorangetrieben? Die Grundlagen der Modellprojektförderung bilden die Konzeption und die darauf basierende Ablaufplanung. Diese Grundlagen werden im prozesshaften Verlauf des Projektes fort- geschrieben und den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort weiter angepasst. Drucksache 6/3788 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung am 28. Oktober 2013 in Rostock wurde das Modell- projekt landesweit erfolgreich bekannt gemacht. In der Anfangsphase des Modellprojektes wurden neben der Akquise weiterer aktiver Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Einrichtungen und Jugendämtern Auftaktveranstaltungen an den jeweiligen Projektstandorten und verschiedene Befragungen der Projektbeteiligten (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kinder und Jugendliche der beteiligten Einrichtungen) durchgeführt. Die Befragungen wurden mit den Beteiligten im Rahmen von Workshops und Gesprächen an den Einrichtungs- standorten ausgewertet und die Ergebnisse in die Umsetzung des Modellprojektes übernommen. Im laufenden Jahr sollen unter anderem Befragungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Jugendämter, verschiedene Themenworkshops sowie ein Gesamt- gruppentreffen mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt werden. Die Ergebnisse des Projektes werden durch den Projektträger dokumentiert und in jährlichen Sachberichten gegenüber der Bewilligungsbehörde dargestellt. 4. Was sind nach 2 Jahren Laufzeit konkrete Ergebnisse des Modellprojektes? Bezogen auf die bisherige Laufzeit des Modellprojektes von 18 Monaten wird auf die Beantwortung zu Frage 3 verwiesen. 5. Wird das Modellprojekt evaluiert? a) Wenn ja, durch wen und wann ist mit dem Ergebnis der Evaluation zu rechnen? b) Wenn nein, warum wurde von einer Evaluierung abgesehen? Zu 5, a) und b) Das Projekt wird von Anbeginn an wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Als Projektträger zeichnet dafür das Institut für Weiterbildung (IfW) an der Hochschule Neubrandenburg e. V. in Kooperation mit der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) FICE e. V. verantwortlich. Die Projektleitung und wissenschaftliche Begleitung liegt bei Herrn Professor Dr. Werner Freigang (Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung an der Hochschule Neubrandenburg). Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung und der Evaluation werden mit dem Abschlussbericht voraussichtlich im September 2016 veröffentlicht.