Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 13. April 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3828 6. Wahlperiode 14.04.2015 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Korrosionsschutz bei Offshore-Windenergieanlagen und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die Errichtung von Offshore-Windenergieanlagen basiert in Deutschland auf einem bislang sehr kurzen Erfahrungszeitraum. Selbst die internationalen Erfahrungen und Erkenntnisse, die hierzu vorliegen, sind noch sehr marginal. Zwar können viele Technologieentwicklungen von landseitigen Windenergieanlagen übernommen werden. Allerdings sind bei der Errichtung von Windenergieanlagen auf See die wesentlich höheren Umgebungsanforderungen zu berücksichtigen. Dies stellt die an der Technologieentwicklung beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure insbesondere bei der Gewährleistung des Korrosionsschutzes vor besondere Herausforderungen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die unterschiedlichen Gründungs- technologien wesentlichen Einfluss auf den erforderlichen Korrosionsschutz haben. In Abhängigkeit von den jeweiligen Anforderungen kommen bei der Errichtung von Windenergieanlagen auf See sowohl der aktive (Kathodischer Korrosionsschutz - KKS) als auch der passive (zum Beispiel Beschichtung mit Epoxidharz oder Farben) Korrosionsschutz zur Anwendung. Nach den bisherigen Erfahrungen wird man auf den aktiven Korrosionsschutz, der sowohl im Erd- als auch im Wasserbau zur Anwendung kommt, nicht verzichten können. Da es auf Grund der unterschiedlichen Korrosionsschutzanforderungen für Windenergieanlagen auf See noch nicht ausreichend Erfahrungen gibt, sind spezifische Normen hierfür erst in der Entwicklung. Drucksache 6/3828 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Deshalb hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 9. August 2013 Mindestanforderungen für den Korrosionsschutz an Offshore-Anlagen erlassen, die zwar nur für die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) gelten, aber hilfsweise auch für das Küstenmeer zur Anwendung kommen können, soweit noch keine landesspezifischen Regelungen vorhanden sind. Das BSH wirkt darauf hin, dass bereits im Planungs- und Designprozess für die Windparks Korrosionsschutzmaßnahmen getroffen werden, die eine möglichst geringe Belastung der Meeresumwelt zur Folge haben. Offshore-Stahlstrukturen sind durch Wind, Wasser, Salz, Eis, Sandschliff und weitere mechanische Einwirkungen hohen Belastungen ausgesetzt. Dies stellt hohe Anforderungen an den Korrosionsschutz. Laut einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ vom 28. Februar 2015 führt der Einsatz sogenannter Opferanoden zum Rostschutz bei Offshore-Wind- energieanlagen zur Einbringung giftiger Metallverbindungen in Nord- und Ostsee. Eine Opferanode ist ein Stück unedles Metall, das zum Korrosionsschutz von Funktionsteilen aus anderen Metallen verwendet wird. Durch ihren Einsatz in der Offshore-Industrie soll das Verrosten der stählernen Fundamente der Windparks verhindert werden. Die Opferanoden lösen sich im Wasser nach und nach auf und könnten nach Berechnungen der Bundesanstalt für Wasserbau - so der Spiegel in seiner Ausgabe 10/2015 vom 28. Februar 2015 (S. 19) - allein für den inneren Rostschutz der Stahltürme, auf denen die Windräder montiert sind, über eine Lebens- dauer von 25 Jahren bei jedem Turm bis zu zehn Tonnen Aluminium in das Seewasser abgeben. Eine Umweltfolgenabschätzung dazu gebe es bislang nicht. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Problematik möglicher Umweltauswirkungen durch den Einsatz von Korrosionsschutz- systemen für Offshore-Windparks in der Ostsee vor dem Hintergrund der aktuellen Medienberichterstattung? a) Welche Korrosionsschutzsysteme kommen nach Kenntnis der Landesregierung bei Offshore-Windenergieanlagen in der Ostsee zum Einsatz? b) Welche Erfahrungen liegen hinsichtlich der Umweltauswirkungen der eingesetzten Korrosionsschutzsysteme vor? c) Sind der Landesregierung die im zitierten Spiegel-Bericht in Bezug genommenen aktuellen Untersuchungen der Bundesanstalt für Wasserbau zum Korrosionsschutz von Offshore-Windenergie- anlagen bekannt und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Wie bereits einleitend dargestellt, fehlt es im Zusammenhang mit der Errichtung von Offshore-Windenergieanlagen noch an entsprechenden Langzeiterfahrungen, dies gilt auch hinsichtlich möglicher Umweltauswirkungen. Der Landesregierung liegen bislang noch keine umfassenden Forschungsergebnisse zu den Umweltauswirkungen der jeweiligen Korrosions- schutzsysteme in Nord- und Ostsee vor. Hier sind insbesondere die zuständigen Einrichtungen des Bundes, wie zum Beispiel die Bundesanstalt für Wasserbau, gefordert. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3828 3 Zu a) Bei Windenergieanlagen auf See kommen unterschiedliche Korrosionsschutzmaßnahmen zum Einsatz (siehe Vorbemerkung). Sie sollen sicherstellen, dass die geplante technische Lebensdauer der Anlagen (20 - 25 Jahre) gewährleistet bleibt. Die eingesetzten Korrosions- schutzsysteme entsprechen den gesetzlichen Vorgaben und dem zum Zeitpunkt der Errichtung geltenden Stand der Technik. Der Korrosionsschutz muss dabei möglichst schadstofffrei sein, so ist zum Beispiel die Verwendung/Verarbeitung von zinnorganischen Verbindungen in Antifouling-Farben untersagt. Bei „BALTIC 1“, dem bislang einzigen fertiggestellten Offshore-Windpark in der Ostsee, kamen ausschließlich Monopiles als Gründungselemente zum Einsatz, für die als Kathodischer Korrosionsschutz eine galvanische Anlage gewählt wurde. Zu b) Die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) zum Offshore-Windpark ARCADIS Ost 1 führt aus, dass die eingesetzten Stoffe zum Korrosionsschutz keine relevanten Beeinträchtigungen der aquatischen Lebensgemeinschaften hervorrufen werden. Bei sachgemäßer Konstruktion und Bauausführung sind keine maßgeblichen negativen Auswirkungen auf das Schutzgut Wasser zu erwarten (Annahme Beschichtungssystem nach ISO 12944-2). Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung und die Beantwortung der einleitenden Frage 1. verwiesen. Zu c) Nach Aussage des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) stellen die in den Medien aufgegriffenen Zahlen Überlegungen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) dar, die ein sogenanntes „worst-case-Szenario“ modellieren, das der Realität nicht entspricht. Selbst bei Eintreffen dieses worst-case-Szenarios wären die gelöst vorliegenden Aluminium- konzentrationen, die in der Wassersäule zu erwarten sind, deutlich niedriger als die über die Modellierung vorhergesagten Zahlen. Die in den Medien dargestellten Umweltgefahren durch den anodenbasierten Korrosionsschutz an Offshore-Anlagen entsprechen nach Aussage des BSH daher nicht der Realität. Auch die BAW relativiert die Angaben im SPIEGEL und teilte mit, dass die Angaben nicht dem neuesten technischen Stand entsprächen. Es seien nur wenige Anlagen überhaupt betroffen. Neue Windenergieanlagen würden durch verbessertes Design und technisch andere Systeme besser vor Korrosion geschützt. Dadurch würde die Abgabe von Metallen an die Meeresumwelt stark vermindert werden. Die im SPIEGEL online-Bericht erwähnten zehn Tonnen Aluminiumverbrauch in 25 Jahren leiten sich vom Innenraumschutz der sogenannten Tripiles ab. In der deutschen AWZ würden jedoch mehrheitlich Monopiles als Gründungselemente verwendet (so zum Beispiel auch bei BALTIC 1). Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die Anlass dazu gäben, an den Aussagen des BSH beziehungsweise der BAW zu zweifeln. Drucksache 6/3828 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 2. Die Mindestanforderungen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) für den Korrosionsschutz an Offshore-Anlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von Nord- und Ostsee vom 9. August 2013 verlangen eine möglichst emissionsarme und damit naturverträgliche Ausführung zum Schutz der Meeresumwelt. Hierzu bedarf es nach den Vorgaben des BSH seitens der Genehmi- gungsbehörde eines Katalogs von Mindestanforderungen an die Korrosionsschutzvorrichtungen. In welcher Form spielt die Prüfung möglicher Umweltauswirkungen der eingesetzten Korrosionsschutzsysteme im Rahmen des Genehmi- gungsverfahrens von Offshore-Windenergieanlagen im Zuständig- keitsbereich des Landes bisher eine Rolle? a) Welche Anforderungen an die Ausführung des Korrosionsschutzes werden unter Umweltschutzgesichtspunkten aktuell gestellt? b) Wie beabsichtigt die Landesregierung im Rahmen zukünftiger Genehmigungsverfahren mit den aktuellen Erkenntnissen zu möglichen Umweltfolgen beim Einsatz sogenannter Opferanoden umzugehen? c) Welchen Handlungsbedarf bzw. welche Handlungsmöglichkeiten sieht die Landesregierung, die aktuellen Erkenntnisse zu den Umweltauswirkungen bestimmter Korrosionsschutzsysteme zukünftig in Form von Auflagen im Rahmen der Genehmigungs- verfahren von Offshore-Windparks in ihrem Zuständigkeitsbereich zu berücksichtigen? Es wird auf die Antwort zu Frage 1. verwiesen. Zu a) In den Genehmigungsbescheiden für BALTIC 1, ARCADIS Ost 1 und SOF (Schwimmende Offshore-Fundamente) wurde festgelegt, dass der Korrosionsschutz dem Stand der Technik entsprechen und möglichst schadstofffrei sein muss. Zinnorganische Verbindungen dürfen in Antifouling-Farben nicht eingesetzt werden. Für ARCADIS Ost 1 und SOF wurde darüber hinaus festgelegt, dass die Verträglichkeit der zum Korrosionsschutz eingesetzten Beschich- tungen mit den Belangen der Meeresumwelt zu gewährleisten ist. Zu b) und c) Wie bei der Beantwortung der Frage 1. c) bereits dargestellt, kann aktuell nicht davon ausgegangen werden, dass die Gefährdung der Meeresumwelt durch Opferanoden so hoch ist, wie im zitierten SPIEGEL-Bericht angegeben. Sollte sich zukünftig aufgrund neuer Erkenntnisse zu möglichen Umweltfolgen eine Fortschreibung der Korrosionsschutzvorgaben als notwendig erweisen, wird die Landesregierung in bewährter Form einer Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und weiteren zuständigen Bundesbehörden gegebenenfalls erforderliche Schlussfolgerungen für das Küstenmeer der Ostsee ableiten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3828 5 3. Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung notwendig, um die Weiterentwicklung und den Einsatz möglichst emissionsarmer und damit naturverträglicher Korrosionsschutzsysteme zum Schutz der Meeresumwelt zu fördern? a) Welche die Meeresumwelt weniger belastenden Alternativ- konzepte zum Korrosionsschutz für Offshore-Windenergieanlagen sind der Landesregierung bekannt und wie stellen sich diese unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten dar? b) Hält die Landesregierung weitergehende Untersuchungen zu mög- lichen Auswirkungen der bei Offshore-Windenergieanlagen einge- setzten Korrosionsschutzsysteme auf die Meeresumwelt für erfor- derlich und sind solche in naher Zukunft geplant? Zu 3, a) und b) In Auswertung der gewonnenen Erfahrungen und der Erkenntnisse in Forschung und Entwicklung ist es bundesweit notwendig, den Stand der Technik des Korrosionsschutzes fortlaufend auf die spezifischen Anforderungen bei der Errichtung von Windenergieanlagen auf See zu übertragen und auf Bundesebene über notwendige weitergehende Untersuchungen zu befinden. Soweit daraus landesspezifische Besonderheiten ableitbar sind, ist zu gegebener Zeit über weitergehende Untersuchungen zu entscheiden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 4. Welche Anforderungen sind aus der Sicht der Landesregierung unter Umweltschutzgesichtspunkten an eine künftige, bundesweite Rege- lung des Korrosionsschutzes bei Offshore-Windenergieanlagen zu stellen? Die bisher gewonnenen Erfahrungen in Forschung und Entwicklung sind durch weitere Untersuchungen sowie Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (F+E-Vorhaben) der zuständigen Bundesbehörden zu untersetzen und sollten zur Erarbeitung einer künftigen bundesweiten Regelung des Korrosionsschutzes bei Offshore-Windenergieanlagen führen, die auf dem aktuellsten Stand der Technik basiert und eine weitere Fortschreibung auf Grundlage zukünftiger neuer Erkenntnisse vorsieht.