Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 13. Mai 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3920 6. Wahlperiode 18.05.2015 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schutz des Weißstorches und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie entwickelte sich die Population des Weißstorches in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten zehn Jahren? a) Gibt es bei der Entwicklung des Bestandes innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns regionale Unterschiede? b) Welche Landkreise gelten als besonders reich an erfolgreich brütenden Weißstorchpaaren und welche Ursachen können für diese im Vergleich günstigere Situation ausgemacht werden? Nach einem starken Bestandsrückgang um etwa 27 Prozent, von 1.142 Horstpaaren im Jahre 2004 auf 834 Horstpaare im Jahre 2005, hat sich der Bestand innerhalb der letzten 10 Jahre (mit einigen Schwankungen) in etwa auf diesem Niveau gehalten. Der niedrigste Bestand musste im Jahre 2009 mit 770 Horstpaaren registriert werden. In der Folge konnte eine leicht positive Entwicklung beobachtet werden. Im Jahre 2013 wurden 836 Horstpaare und im Jahre 2014 864 Horstpaare gezählt. Zu a) Die westlicheren Landkreise beherbergen weniger Brutpaare (BP) als die östlicheren Landkreise. Auch ist von Nord nach Süd ein Gefälle zu konstatieren, da auch die Küstenregionen in geringerer Dichte vom Weißstorch besiedelt sind. Drucksache 6/3920 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Zu b) Eine Statistik mit Bezug auf die Kreisgliederung nach der Kreisgebietsreform liegt nicht vor, sodass sich die Aussagen auf die Altkreise beziehen. Die höchsten Siedlungsdichten werden in den östlichen Landkreisen erreicht: Demmin 5,5 BP/100 km²; Ostvorpommern und Nordvorpommern jeweils 5,2 BP/100 km². Der Bruterfolg zeigt keine so deutliche regionale Tendenz: Die durchschnittliche Anzahl ausfliegender Jungstörche bei erfolgreich brütenden Brutpaaren war zum Beispiel im Jahr 2014 in den Landkreisen Uecker-Randow, Ludwigslust und Nordwestmecklenburg am höchsten. Die vergleichsweise höhere Siedlungsdichte in den östlichen Landesteilen dürfte auf Zuwanderungen aus westpolnischen Gebieten zurück- zuführen sein. Die Bruterfolgsparameter sind insbesondere abhängig von der Nahrungs- verfügbarkeit, die zum Beispiel in Gebieten mit hohen Anteilen von Grünland und Feuchtgebieten günstiger ist als in anderen Gebieten. 2. Wenn Rückgänge der Population zu verzeichnen sind, welche Faktoren werden dafür verantwortlich gemacht? a) Welche Faktoren im Bereich der Landnutzung tragen zur Entwick- lung der Weißstorchpopulation bei? b) Wie wirkt sich nach Einschätzung der Landesregierung die Ausweitung der Maisanbaufläche von 84.415 Hektar im Jahr 2005 auf 151.000 Hektar im Jahr 2014 auf den Bestand des Weiß- storches aus? Die in der Antwort zur Frage 1 dargestellte Situation beruht auf einem Ursachenkomplex, dessen Einzelfaktoren und deren Wirkung jedoch nicht vollständig bekannt sind. So fiel der Bestandsrückgang des Jahres 2005 auf ein sogenanntes Störungsjahr, in dem es durch schwierige Bedingungen auf dem Zugweg zu einer starken Verspätung der Ankunft der Brutvögel in den Brutgebieten und zur Beeinflussung der Brutsituation kam. Die in den Folgejahren zu beobachtenden Bestandsentwicklungen wurden zwar unter anderem durch das Nahrungsangebot und die Witterung beeinflusst, dies allein erklärt jedoch nicht die - auch im Vergleich zu anderen Bundesländern - regionalen Unterschiede. Zu a) Für den Weißstorch sind das Grünland und das Vorhandensein weiterer strukturgebender Elemente (Brachen, Feuchtbereiche) als Lebensraum seiner Beutetiere von vorrangiger Bedeutung. Eine Abnahme dieser Flächenanteile und auch die Verschlechterung der Qualität im Hinblick auf die Nahrungsverfügbarkeit haben Einfluss auf Reproduktionserfolg und Bestandssituation. Ackerflächen werden vom Weißstorch lediglich temporär genutzt, zum Beispiel während der Bodenbearbeitung, der Ernte und der Stoppelbrache. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3920 3 Zu b) Hierzu kann keine Aussage getroffen werden, da keine Analyse zur früheren Nutzung und Bedeutung der heutigen Maisanbauflächen vorliegt. Es kann jedoch festgestellt werden, dass die Ausweitung der Maisanbaufläche zwischen den Jahren 2005 und 2014 nicht mit einem weiteren Rückgang des Gesamtbrutbestandes des Weißstorches einherging. 3. Um die Situation der Weißstörche in Mecklenburg-Vorpommern zu verbessern, wurden in den vergangenen Jahren im öffentlichen Raum verschiedene Maßnahmen diskutiert. Vonseiten der Landesregierung wurde erwogen, angepasste Nutzungen auf landeseigenen Flächen im Umfeld der Weißstorchhorste zu etablieren und Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in solche Standorte zu lenken (Pressemitteilung des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern, Nr. 83/2013-22.03.2013). Welche Anstrengungen hat die Landesregierung in diese Richtung unternommen? a) Welche Erfolge wurden mit derartigen Maßnahmen erzielt? b) Gibt es seitens der Landesregierung Bemühungen, insbesondere dort, wo Wiedervernässungmaßnahmen gute Lebensbedingungen für den Weißstorch schaffen, auch entsprechend zahlreiche Nist- gelegenheiten in Form von Horstunterlagen anzulegen? Die Fragen 3, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Wie in den nachfolgenden Antworten zu den Fragen 4, 6 und 7 verdeutlicht, wird den Belangen der Förderung des Weißstorches innerhalb von verschiedenen Maßnahmekom- plexen Rechnung getragen, welche auch positive Wirkungen auf andere Schutzgüter entfalten. Darunter fällt beispielsweise die Berücksichtigung nistplatznaher Nahrungshabitate des Weißstorches im Zuge des Vollzuges des Dauergrünlanderhaltungsgesetzes sowie im Rahmen der Realisierung von Kompensationsmaßnahmen. Es liegt jedoch keine Auswertung vor, welche eine Bewertung hinsichtlich konkret messbarer Positivwirkungen für die Art Weißstorch zulassen würde. Neben den Bemühungen der Landesregierung wird auf das Engagement zahlreicher lokaler Initiativen aus der Bevölkerung im Zusammenwirken mit der Landesarbeitsgruppe Weißstorchschutz im NABU Mecklenburg-Vorpommern verwiesen, womit insbesondere die Anlage und Betreuung von Nistgelegenheiten befördert wird. Hier kommt auch die Unterstützung der Energieversorger (EON, WEMAG) zum Tragen, die mit ihren technischen Möglichkeiten dazu beitragen, das Brutplatzangebot auch in der räumlichen Nähe von Renaturierungsflächen zu verbessern. Gesonderte darüber hinausgehende Vorhaben sind seitens der Landesregierung gegenwärtig nicht vorgesehen. Drucksache 6/3920 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 4. Von welchen Agrarumweltmaßnahmen in der Förderperiode bis 2020 verspricht sich die Landesregierung positive Effekte für die Entwick- lung der Weißstorchpopulation in Mecklenburg-Vorpommern? a) Inwieweit wird mit Hilfe von Agrarfördermaßnahmen die Gebiets- kulisse von artenreichem Grünland, dem Hauptnahrungsraum für den Weißstorch, in der neuen Förderperiode erweitert? b) Wie entwickelte sich der Bestand an artenreichem Grünland in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten zehn Jahren? c) Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu der in Schleswig-Holstein praktizierten Ausweisung von artenreichem Grünland als gesetzlich geschütztes Biotop? Die Fragen 4 und a) werden zusammenhängend beantwortet. Positive Effekte werden von den investiven Maßnahmen in Natura-2000-Gebieten und Gebieten mit hohem Naturwert erwartet, unter anderem durch die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Mooren. Angeboten wird auch ein Programm zur Umwandlung von Acker in Dauergrünland. Die Programme „Extensive Bewirtschaftung von Dauergrünlandflächen “ und „Naturschutzgerechte Grünlandbewirtschaftung“ sind durch Förderung extensiver Bewirtschaftungsformen des Grünlands besonders geeignet, die Nahrungsflächen des Weißstorchs zu erhalten und zu erweitern. Speziell für Lebensräume von Großvogelarten wurde im Programm „Extensive Bewirtschaftung von Dauergrünlandflächen“ eine umfängliche Flächenkulisse ausgewiesen, in der 20 Prozent der Grünlandfläche als Schonfläche zu bewirtschaften sind. Eine Mahd der Schonfläche darf frühestens vier Wochen nach dem ersten Schnitt erfolgen, Schonflächen sind mindestens einmal jährlich bis spätestens 31. August zu mähen. Mit dieser Programmvariante wurden Empfehlungen von Weißstorch- schützern umgesetzt. Des Weiteren sind die Angebote zur Schaffung von Gewässerrand- und anderen Schon- streifen (jeweils 5 bis 30 Meter breit) zu nennen. Inwieweit diese genutzt und für den Weißstorchschutz relevant werden, kann derzeit jedoch noch nicht beurteilt werden. Nicht zuletzt wird auf die neu geschaffenen Möglichkeiten zur Naturschutzberatung zum Erhalt der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft verwiesen. Zu b) Hierzu liegen der Landesregierung keine entsprechend auswertbaren Daten vor. Zu c) Die Ausweisung von artenreichem Grünland als gesetzlich geschütztes Biotop wird nicht angestrebt. Als alternative Instrumente des Grünlandschutzes fungieren die verschiedenen Schutzgebietskulissen, das Gesetz zur Erhaltung von Dauergrünland im Land Mecklenburg- Vorpommern sowie die relevanten Agrarumweltmaßnahmen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3920 5 5. Welche Agrarumweltmaßnahmen in der vergangenen Förderperiode haben nachweislich zu einer positiven Entwicklung der Weißstorch- population in Mecklenburg-Vorpommern beigetragen? Hierzu können keine Angaben gemacht werden, da die konkreten Auswirkungen von Agrarumweltmaßnahmen auf die Weißstorchpopulation in Mecklenburg-Vorpommern nicht untersucht wurden. 6. Welche staatlichen und nichtstaatlichen Aktivitäten für den Weißstorchschutz wurden durch die Landesregierung in den vergan- genen zehn Jahren unterstützt? a) Welche Fördermittel hat die Landesregierung für direkte Schutz- maßnahmen für den Weißstorch in den letzten zehn Jahren bereit- gestellt? b) Werden die Nistplätze flächendeckend kontrolliert und wenn ja, mit welcher Unterstützung der Landesregierung? c) In welchem Umfang tragen ehrenamtliche Aktivitäten zum Schutz der Weißstorchpopulation in Mecklenburg-Vorpommern bei? Die Fragen 6 und a) werden zusammenhängend beantwortet. Es ist nicht möglich, eine gezielte Zuordnung von Fördermitteln zu einzelnen Arten (hier Weißstorch) vorzunehmen. Es wurden auf Basis verschiedener Förderrichtlinien, wie zum Beispiel der Richtlinie zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung von Gewässern und Feuchtlebensräumen (FöRiGeF) und der Richtlinie zur Förderung von Investitionen zu Gunsten schützenswerter Arten und Gebiete (FöRiSAG) diverse Maßnahmen zur Wieder- herstellung oder Entwicklung von Lebensräumen gefördert, welche auch der Verbesserung der Nahrungsgrundlage des Weißstorches dienen. Auch wurden in Einzelfällen Aufbau- oder Instandsetzungsarbeiten an Nistplätzen des Weißstorches gefördert. Die Fragen b) und c) werden zusammenhängend beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Die Nistplätze werden jährlich durch ehrenamtliche Weißstorch-Horstbetreuende kontrolliert und betreut. Dabei werden unter anderem die Horstbesetzung und der Bruterfolg erfasst. Die Horstbetreuenden sind über den NABU Mecklenburg-Vorpommern organisiert. Das ehrenamtliche Engagement der Horstbetreuenden wird mittels anteiliger Aufwandserstattungen durch untere Naturschutz- behörden und Staatliche Ämter für Landwirtschaft und Umwelt unterstützt. Drucksache 6/3920 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 7. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur Forderung der Naturschutzverbände nach einem „Weißstorchschutzprogramm“ für Mecklenburg-Vorpommern? Im Rahmen des Konzeptes „Erhaltung und Entwicklung der Biologischen Vielfalt in Mecklenburg-Vorpommern“ (2012) hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz explizite Ziele zum Erhalt der Weißstorchpopulation formuliert und diese mit geeigneten Instrumentarien untersetzt. Zu diesen Zielen zählen insbesondere: - der Erhalt des Anteils von Grünlandflächen mit besonderer Bedeutung als Nahrungs- und Lebensraum für gefährdete Offenland-Arten (unter anderem Schreiadler, Weißstorch, Bekassine, Wachtelkönig, Amphibien und Insekten) durch Kontrolle von Cross Compliance-Anforderungen bei landwirtschaftlichen Betrieben, die Direktzahlungen oder Flächenbeihilfen aus dem ELER erhalten, - der Erhalt von Nahrungsflächen für den Schreiadler und weitere Großvögel (Weißstorch, Rotmilan, Mäusebussard) durch Nutzung der Richtlinie zur Förderung der naturschutz- gerechten Grünlandnutzung und Folgeregelungen, - die Anlage von Nahrungsflächen für den Schreiadler und weitere Großvögel (Weißstorch, Rotmilan, Mäusebussard) auf dem Wege von Flächenstilllegungen beziehungsweise Flächenentwicklung aus ökologischen Gründen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist auf ein breiteres Artenspektrum ausgerichtet. Sie unterstützt jedoch die inhaltlich mit dem geforderten „Weißstorchschutzprogramm“ verfolgten Zielstellungen. 8. Wie viele Todfunde an Weißstörchen wurden in den letzten zehn Jahren in Mecklenburg-Vorpommern durch Behörden verzeichnet? Welche Todesursachen mussten bei diesen Todfunden des Weiß- storches in Mecklenburg-Vorpommern angeführt werden (bitte Auf- schlüsselung in absoluten Zahlen)? Eine systematische Erfassung von Weißstorchtodfunden erfolgt durch die Landesbehörden nicht. Für Kollisionsopfer im Bereich von Windenergieanlagen liegt eine an der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg geführte bundesweite Erhebung vor. Diese enthält für Mecklenburg-Vorpommern für den Zeitraum von 2003 bis 16.03.2015 sechs registrierte Kollisionsopfer (Quelle: Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg, Tobias Dürr, 2015). Dabei handelt es sich jedoch um Zufallsfunde, da eine systematische Schlagopfersuche nicht durchgeführt wird.