Der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 23. Juni 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/3989 6. Wahlperiode 24.06.2015 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Helmut Holter, Fraktion DIE LINKE Besondere Förderung des Landesteils Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Es wird zunächst auf die Antworten der Landesregierung zu den Fragen 18 und 19 der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE „20 Jahre Verfassung des Landes MecklenburgVorpommern “ auf Drucksache 6/3870 vom 31. März 2015 verwiesen. 1. Wie bewertet die Landesregierung die aktuellen sozioökonomischen Rahmenbedingungen im Landesteil Vorpommern im Vergleich zum Landesteil Mecklenburg (in der Antwort bitte auch unterteilen nach verfügbarem Einkommen, durchschnittlichem Renteneinkommen, Arbeitslosenquote, Bevölkerungsentwicklung, Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen und Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung)? Seit der Neugründung des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 1990 hat sich in den beiden Landesteilen Mecklenburg und Vorpommern ein umfassender wirtschaftlicher Strukturwandel vollzogen. Heute sind Mecklenburg und Vorpommern attraktive und wett- bewerbsfähige Industriestandorte mit spezifischen Standortvorteilen. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung betrug 2012 im Landesteil Vorpommern rund 6 Prozent und im Landesteil Mecklenburg rund 12 Prozent. Drucksache 6/3989 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen erreichte 2012 im Landesteil Vorpommern rund 46.500 Euro und im Landesteil Mecklenburg rund 52.000 Euro. Damit wurde im Landesteil Vorpommern der Durchschnittswert des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu 92,0 Prozent erreicht. Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner lag 2012 im Landesteil Vorpommern bei rund 16.600 Euro und im Landesteil Mecklenburg bei rund 17.200 Euro. Damit wurde im Landesteil Vorpommern der Durchschnittswert des Landes Mecklenburg- Vorpommern um 2,7 Prozent nicht erreicht. Die Arbeitslosenquote liegt in den Agenturbezirken Vorpommern-Greifswald und Vorpommern-Rügen über der Arbeitslosenquote in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt. Dies ist unter anderem auf unterschiedliche wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Rahmenbedingungen zurückzuführen. Die Zahl der Arbeitslosen lag im Mai 2015 im Landesteil Vorpommern um 11,3 Prozent und im Landesteil Mecklenburg um -18,7 Prozent unter dem Niveau von Mai 2012. Mithin betrug die Arbeitslosenquote im Landesteil Vorpommern 11,8 Prozent und im Landesteil Mecklenburg 9,4 Prozent. Damit wurde im Landesteil Vorpommern der Durchschnittswert des Landes Mecklenburg-Vorpommern (10,0 Prozent) um 18 Prozent überschritten. Bezogen auf das durchschnittliche Renteneinkommen ist festzustellen, dass die Rentenhöhe sich aus den insgesamt zurückgelegten Versichertenzeiten und den versicherten Entgelten ergibt. Aus den bisherigen Studien zu den Rentenbestandsstatistiken können keine Aussagen zu Unterschieden in den Landesteilen Mecklenburg und Vorpommern entnommen werden. Die Bevölkerungsentwicklung in den beiden Landesteilen war zwischen 2000 und 2012 vergleichsweise einheitlich (Landesteil Mecklenburg -7,7 Prozent und Landesteil Vorpommern -10,2 Prozent). Die Entwicklungsdisparitäten der vom demografischen Wandel besonders betroffenen ländlichen Räume, die mit wirtschaftsstruktureller Schwäche einher- gehen, sind in beiden Landesteilen zu verzeichnen und betreffen jeweils küsten- und zentren- ferne Räume. 2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu Forderungen von Verbänden, Vereinen sowie aus der Landes- und Kommunalpolitik, den Landesteil Vorpommern besonders zu fördern? Möglichkeiten zur Förderung strukturschwacher Regionen bietet die sogenannte Regional- förderung. In diesem Rahmen werden die Fördergebiete und die Förderhöchstsätze durch das europäische Beihilferegime bestimmt. Die Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014 - 2020 regeln die Voraussetzungen, unter denen Regionalbeihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar erachtet werden. Hiernach ist das gesamte Bundesland Mecklenburg-Vorpommern (Nuts-2-Region) ein Präde- finiertes C-Fördergebiet und gehört somit innerhalb Deutschlands bereits zum Höchstförder- gebiet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/3989 3 Die durch die Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014 - 2020 zulässige Ausnahme zur Beihilfe- höchstintensität in C-Fördergebieten, nach Ziffer 176 der Regionalleitlinien, wird durch das Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus vollständig ausgeschöpft. Danach darf in Nuts-3-Regionen (ehemalige Landkreise Ostvorpommern und Uecker-Randow), die an ein A- Fördergebiet (hier Polen) grenzen, die Beihilfehöchstintensität bei Bedarf angehoben werden, solange die Differenz zwischen den beiden Beihilfeintensitäten nicht mehr als 15 Prozent- punkte beträgt. Vorhaben in den beiden vorgenannten Altlandkreisen können so mit einem erhöhten Förder- satz unterstützt werden. Eine darüber hinausgehende, generell erhöhte Förderung für den Landesteil Vorpommern ist beihilferechtlich nicht zulässig. Strukturellen und sozioökonomischen Besonderheiten von Teilräumen Mecklenburg- Vorpommerns begegnet die Landesregierung mit der Regionalisierung eines Teils der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Partnerschaftlich zusammengesetzte Regional- beiräte entscheiden auf der Grundlage regionalspezifischer Handlungskonzepte und konkreter Auswahlkriterien darüber, welche Vorhaben die höchsten Effekte für die Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Berufsbildungsförderung sowie für die Regional- und Strukturentwick- lung erwarten lassen und deshalb finanziell gefördert werden. 3. Inwiefern verstieße eine besondere Förderung des Landesteils Vorpommern ggf. gegen europäisches Recht? 4. Unter welchen Voraussetzungen kann eine besondere Förderung des Landesteils Vorpommern europarechtskonform gestaltet werden? Die Fragen 3 und 4 werden zusammenhängend beantwortet. Ob und inwieweit eine besondere Förderung des Landesteils Vorpommern gegen euro- päisches Recht verstieße beziehungsweise europarechtskonform gestaltet werden könnte, hängt davon ab, welche Maßnahmen zur Förderung im Einzelnen ergriffen werden sollen und kann daher nicht pauschal beantwortet werden. Beispielsweise wären die beihilferechtlichen Vorschriften der Europäischen Union (EU) und insbesondere die Leitlinien für Regionalbeihilfen zu beachten. Die Beihilfehöchstintensität ist nach diesen Leitlinien in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Mecklenburg- Vorpommerns grundsätzlich gleich und kann nicht einseitig vom Land für bestimmte Gebiete angehoben werden. In den unmittelbar an Polen grenzenden bisherigen Landkreisen Ostvorpommern und Uecker- Randow ist die Beihilfehöchstintensität allerdings aufgrund der EU-rechtlichen Vorgaben gegenüber den übrigen Gebieten des Landes um 5 Prozentpunkte beziehungsweise ab 1. Januar 2018 um 10 Prozentpunkte erhöht, um das Fördergefälle zu Polen zu mindern. Drucksache 6/3989 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Eine besondere Förderung aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben erfährt die Grenzregion zu Polen über die Europäische territoriale Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds durch das Kooperationsprogramm INTERREG A mit Brandenburg und Polen. In Mecklenburg-Vorpommern umfasst das Programmgebiet für die Förderperiode 2014 - 2020 beide vorpommerschen Landkreise sowie den Landkreis Mecklen- burgische Seenplatte. 5. Welche besonderen Förderungen von Landesteilen sind der Landesregierung in anderen Bundesländern bekannt und inwiefern könnten diese beispielgebend für die Förderpolitik in Mecklenburg- Vorpommern sein? Die Förderung von strukturschwachen Regionen wird in Deutschland bestimmt durch die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Sie dient insbesondere dem grundgesetzlichen Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland. Inhaltliche Schwerpunktsetzungen erfolgen auf Länder- ebene maßgeblich durch Festlegungen der Förderwürdigkeit bestimmter Branchen und Diffe- renzierungen der Fördersätze durch Bonussysteme. Eine darüber hinausgehende Priorisierung von Landesteilen innerhalb eines einheitlichen Fördergebietes in anderen Bundesländern ist der Landesregierung nicht bekannt. 6. Inwiefern beabsichtigt die Landesregierung, den Landesteil Vorpommern bzw. Regionen mit besonderen strukturellen und sozio- ökonomischen Problemen besonders zu fördern? Im Rahmen der Förderung der gewerblichen Wirtschaft aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) können Vorhaben in besonders strukturschwachen Regionen, unabhängig von der Lage der Landesteile, mit einer Bonus- förderung unterstützt werden. Aufgrund der teilweise größeren Strukturschwäche im Landes- teil Vorpommern kann dieser Landesteil grundsätzlich stärker von dieser Bonusförderung profitieren. Letztlich ist es die Entscheidung eines Unternehmens, in welchem Landesteil es eine Investition durchführt. Die sozioökonomische Analyse im Vorfeld der Erstellung des Entwicklungsprogramms für den Ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern 2014 - 2020 hat für die relevanten Förder- ansätze des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die ländliche Entwicklung (ELER) keinen generell höheren Förderbedarf für Vorpommern ergeben. Bei den grundsätzlich für die ELER-Investitionsförderung im Vorfeld der Förderung festzulegenden Projektauswahl- kriterien spielen insbesondere bei den Infrastrukturvorhaben örtliche und regionale Aspekte eine Rolle. Daraus kann sich eventuell auch eine verstärkte Auswahl von Fördervorhaben in Vorpommern ergeben.