Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 17. September 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4128 6. Wahlperiode 18.09.2015 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE Zukunft der Produktionsschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Die Produktionsschulen sind seit Jahren auch in MecklenburgVorpommern ein erfolgreiches Instrument der Jugendberufshilfe, insbesondere für Jugendliche in der Altersgruppe der 15- bis 20-Jährigen. Produktionsschulen sind entsprechend des SGB VIII Teil der Jugendhilfeplanung . Produktionsschulen arbeiten vorrangig nach dem pädagogischen Modell des produktiven Lernens in Werkstätten unter betriebsähnlichen Bedingungen und (eigentlich) nicht mit Maßnahme gebundenen Zuweisungen . Jugendliche bewerben sich und kommen freiwillig zur Produktionsschule , um Hilfen zur Integration in die Berufsausbildung oder in den Arbeitsmarkt in Anspruch zu nehmen. Durch den Einkauf von Plätzen durch die Agenturen für Arbeit und/oder die Jobcenter im Land wird das Prinzip der Produktionsschulen bereits jetzt schon empfindlich durchbrochen. Unter anderem entsteht ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand und es prallen unterschiedliche Systeme aufeinander: das der freiwilligen Teilnahme und das der sanktionsbewährten Zuweisung. Für den Förderzeitraum von 2007 bis 2013 wurden für fünf vom Land geförderte Produktionsschulen 10,220 Mio. Euro aus dem ESF geplant und mehr als 14 Mio. Euro verausgabt. Für den Förderzeitraum von 2014 bis 2020 wurden für nunmehr sieben vom Land geförderte Produktionsschulen bzw. Produktionsschulstandorte 10,0 Mio. Euro beim ESF angemeldet . Drucksache 6/4128 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung des Verwaltungsaufwandes in den Produktionsschulen aufgrund der aktuellen Mischfinanzierung aus ESF-Mitteln, Mitteln der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Kommunen und der Träger? Hinsichtlich der Entwicklung des Verwaltungsaufwandes in den Produktionsschulen gibt es keine grundsätzlichen Änderungen. 2. Inwieweit ist es zutreffend, dass die aus der Produktion und dem Verkauf erwirtschafteten Mittel bzw. Überschüsse künftig nicht mehr bei den Produktionsschulen verbleiben, sondern auf die Förderung angerechnet werden? a) Mit welcher Begründung und ab wann sollen die eigenerwirtschafteten Mittel bzw. Überschüsse auf die Förderung angerechnet werden? b) Aus welchen Mitteln sollen die Produktionsschulen nach Auffassung der Landesregierung künftig Investitionen tätigen, wenn diese Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen? Zu 2 und a) Es ist zutreffend, dass die mit dem Verkauf der in den Produktionsschulen erzeugten Produkte und den erbrachten Dienstleistungen realisierten Einnahmen auf die Förderung „angerechnet werden“. Hintergrund sind zuwendungsrechtliche Regelungen, wonach mit dem Zuwendungszweck zusammenhängende Einnahmen zur Finanzierung der mit dem Zuwendungszweck zusammenhängenden Ausgaben einzusetzen sind. Erlöse aus Produktverkäufen sind seit je Teil der Kalkulation der Gesamtfinanzierung. Schon in der Vergangenheit waren die realisierten Erlöse für die Finanzierung der zuwendungsfähigen Ausgaben einzusetzen. Allerdings war deren Berücksichtigung insoweit modifiziert, als dass die Berücksichtigung sich auf den mit den Bescheiden festgelegten Mindesterlös beschränkte. Darüber hinaus gehende Erlöse konnten im Ausnahmefall unter Mitwirkung der Wirtschaftsbeiräte in den Produktionsschulen sowie des zuständigen Fachministeriums für Ausgaben außerhalb des Finanzierungsplanes verwendet werden. Hiervon wurde in wenigen Fällen Gebrauch gemacht. Für das Bewilligungsjahr 2015 besteht eine solche Möglichkeit nicht. Zu b) Die Förderung der Produktionsschulen erfolgt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF). Die Bestimmungen des Europäischen Sozialfonds lassen innerhalb der Projekte eine Finanzierung investiver Ausgaben nicht zu. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4128 3 3. Inwieweit ist es zutreffend, dass Produktionsschülerinnen und Produktionsschüler unter 18 Jahren an zwei Tagen verpflichtet sind, die Berufsschule zu besuchen? a) Womit wird die Berufsschulpflicht begründet? b) Inwieweit sind die Lehrpläne der Beruflichen Schulen mit Blick auf das Ziel, im Rahmen des Besuchs der Produktionsschule einen Schulabschluss zu erreichen, aufeinander abgestimmt? c) Wie ist die verpflichtende Teilnahme am Berufsschulunterricht damit vereinbart, dass es sich bei Produktionsschülerinnen und Produktionsschüler häufig um schulaversive Jugendliche handelt, die aufgrund ihrer individuellen Probleme ja gerade ein alternatives, anders ausgerichtetes Angebot benötigen? Zu 3 und a) Gemäß § 41 Absatz 1 des Schulgesetzes unterliegt der Schulpflicht, wer im Land Mecklenburg -Vorpommern seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungs- oder Arbeitsstätte hat. Die Schulpflicht ist durch den Besuch einer Schule in öffentlicher Trägerschaft oder einer Ersatzschule mit Ausnahme der Abendgymnasien zu erfüllen. Die Schulpflicht kann mit Genehmigung der zuständigen Schulbehörde an einer Ergänzungsschule erfüllt werden (§ 41 Absatz 3 Schulgesetz). Da Produktionsschulen nicht zu den zuvor genannten Schulen gehören, kann die Schulpflicht nicht an Produktionsschulen erfüllt werden. Bei Produktionsschulen handelt es sich nicht um Schulen im Sinne des Schulgesetzes. Im Sekundarbereich II ist die Schulpflicht durch den Besuch einer Schule gemäß § 11 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c bis e oder Nummer 2 Buchstabe a bis e des Schulgesetzes zu erfüllen (§ 42 Absatz 1 Schulgesetz). Nach § 42 Absatz 2 des Schulgesetzes beginnt die Pflicht zum Besuch einer beruflichen Schule gemäß § 11 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a bis e des Schulgesetzes nach Verlassen einer Schule des Sekundarbereichs I und dauert (1.) bei Bestehen eines Berufsausbildungsverhältnisses bis zum Ende der Ausbildungszeit, (2.) ohne Bestehen eines Berufsausbildungsverhältnisses drei Schuljahre, jedoch längstens bis zum Ende des Schulhalbjahres, in dem die Schülerin oder der Schüler das 18. Lebensjahr vollendet. Da sich Schülerinnen und Schüler an Produktionsschulen in keinem Berufsausbildungsverhältnis befinden, sind sie gemäß § 42 Absatz 2 Nummer 2 des Schulgesetzes schulpflichtig. Beim Besuch eines berufsvorbereitenden Bildungsganges ist die Schulpflicht an zwei Tagen pro Woche zu erfüllen. Bei Durchführung einer Berufsvorbereitungsmaßnahme übernimmt die Produktionsschule die Rolle der außerbetrieblichen Bildungseinrichtung (praktische produktive Ausbildung) und meldet wie in der dualen Ausbildung die schulpflichtigen Jugendlichen zur Berufsschule [Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BVB)-Klasse] an. Es gilt das gleiche Verfahren wie für andere Träger von Berufsvorbereitungsmaßnahmen . Hier ist keine Befreiung von der Schulpflicht erforderlich, da die Berufsschule besucht wird. Eine Schulpflichtbefreiung muss allenfalls dann erfolgen, wenn die Schülerin beziehungsweise der Schüler vom zweitägigen Besuch der Berufsschule befreit werden soll. Drucksache 6/4128 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Zu b) Produktionsschulen können keine schulischen Abschlüsse vergeben. Produktionsschüler unter 18 Jahren, die an Maßnahmen der BVB-Pro teilnehmen, sollen regulär in Berufsschulen beschult werden. Hierfür gilt der Lehrplan der beruflichen Schule. Ein Abschluss an der Berufsschule wird unter den Voraussetzungen von § 9 Absatz 1 der Berufsschulverordnung erworben. Entsprechend dem Landeskonzept für den Übergang von der Schule in den Beruf „… werden junge Menschen mit einem Alter von über 18 Jahren ohne Schulabschluss in den Produktionsschulen auf einen externen Schulabschluss vorbereitet.“ Zu c) Produktionsschülerinnen und Produktionsschüler sollen regulär an beruflichen Schulen mit dem Ziel beschult werden, dort die „Berufsreife“ als Schulabschluss zu erlangen. Aus wichtigem Grund, z. B. auch bei schulaversivem Verhalten, ist eine Befreiung von der Schulpflicht im Einzelfall möglich. 4. Unter welchen Voraussetzungen kann aktuell die Verpflichtung zum Besuch der Berufsschule an zwei Tagen ausgesetzt werden und wie beurteilt die Landesregierung den damit verbundenen Aufwand für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Produktionsschulen? Gemäß § 48 Absatz 2 des Schulgesetzes kann eine Befreiung von der Schulpflicht durch die zuständige Schulaufsichtsbehörde erfolgen, wenn ein wichtiger Grund dies rechtfertigt und hinreichend Unterricht oder eine gleichwertige Förderung anderweitig gewährleistet ist. Wichtige Gründe können beispielsweise schulaversives Verhalten, die vorzeitige Ausschulung , die Nichterreichbarkeit der Berufsschule und die abgebrochene Berufsvorbereitungsmaßnahme sein. Der Aufwand für entsprechende Anträge ist daher unabweisbar. Im Übrigen obliegt der Antrag auf Schulpflichtbefreiung den Erziehungsberechtigten. 5. Unter welchen Umständen, zum Beispiel der Beteiligung welcher Dritter und in welchem Umfang, ist die Finanzierung der Produktionsschulen bis zum Jahr 2020 oder bis zu welchem anderen Zeitpunkt an den jetzigen Standort und mit den aktuellen Platzzahlen gesichert? Im Rahmen der Budgetierung des Europäischen Sozialfonds in der Förderperiode 2014 bis 2020 ist die Finanzierung mit 10 Millionen Euro gesichert. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4128 5 6. Inwieweit ist es zutreffend, dass die Produktionsschulen künftig nach der Maßgabe des Landeshaushaltsgesetzes abgerechnet werden sollen? a) Wie sollen die Werkstätten der Produktionsschulen nach Auffassung der Landesregierung bestimmte Leistungen erbringen, wenn z. B. das Leasen von Fahrzeugen oder die Absetzung von Abnutzungen (Afa) künftig nicht mehr möglich sind? b) Inwiefern ist geplant, den Produktionsschulen zumindest eine Übergangslösung anzubieten, damit sie sich auf die neuen Anforderungen einstellen können und wenn nicht, warum nicht? Zuwendungen an die Produktionsschulen Westmecklenburg, Müritz, Vorpommern Greifswald und Vorpommern Rügen werden ab dem 1. Januar 2015 nach den Grundsätzen der §§ 23 und 44 der Landeshaushaltsordnung und den dazu gehörenden einschlägigen Verwaltungsvorschriften gewährt. Zu a) Die Zuwendungen aufgrund der Landeshaushaltsordnung werden nur auf Ausgabenbasis gewährt. Das bedeutet, dass Zuwendungen auf der Grundlage der tatsächlich kassenwirksamen Einnahmen und Ausgaben des Zuwendungsempfängers kalkuliert, bewilligt und abgerechnet werden. Die Ausgaben für das Leasing von Fahrzeugen kommen für eine Bezuschussung in Betracht. Absetzungen für Abnutzung (AfA) bzw. Abschreibungen sind im Jahr 2015 nicht zuwendungsfähig . Die fehlende Möglichkeit, diese Ausgaben im Rahmen der ESF-Förderung abzurechnen, steht einer anderweitigen Finanzierung nicht entgegen. Zu b) Die Förderung für 2015 erfolgt bereits seit Anfang des Jahres nach Maßgabe der Landeshaushaltsordnung und stellt damit eine rechtssichere und verlässliche Grundlage dar. Die Notwendigkeit einer Übergangslösung wird deshalb nicht gesehen. Drucksache 6/4128 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 7. Wann sind in den Jahren 2013, 2014 und 2015 die Bewilligungsbescheide über die ESF-Landesförderung an die jeweiligen Produktionsschulen ergangen und womit wird die teilweise um Monate verzögerte Zustellung im April, Mai oder Juni des laufenden Jahres begründet? a) Inwieweit können vorab Ratenbeträge beantragt und bewilligt werden? b) Wie sollen Träger die Finanzierung bis zur Überweisung der 1. Rate sicherstellen? c) Inwieweit ist beabsichtigt, das Bewilligungsverfahren so zu ändern, dass die Bescheide vor Beginn des neuen Förderzeitraumes ergehen können? Die Zuwendungsbescheide für den Zeitraum 2013 bis 2014 ergingen in drei Fällen am 20. Dezember 2012 und in jeweils einem Fall am 10. Mai 2013 sowie am 27. Mai 2013. Für das Jahr 2015 erging der Zuwendungsbescheid für eine Produktionsschule am 2. April 2015, vier weitere Zuwendungsbescheide werden derzeit vorbereitet. Die Bescheide werden stets dann erteilt, wenn die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Verzögerungen in 2015 gehen insbesondere auf den Wechsel der Europäischen Sozialfonds-Förderperioden 2007 bis 2013/2014 bis 2020 zurück. Zu a) Eine Auszahlung von Haushaltsmitteln vor Erlass und grundsätzlich auch vor Bestandskraft eines Zuwendungsbescheides ist nach den Regelungen der Landeshaushaltsordnung nicht zulässig. Zu b) Die Zuwendungsbescheide regeln im Auszahlungsverfahren, dass für die erste Mittelanforderung minimale Anforderungen gestellt werden. Damit wird die Grundlage für eine schnelle Auszahlung der notwendigen Zuwendungsmittel an die Träger geschaffen. Zu c) Es ist beabsichtigt, die Zuwendungsbescheide ab 2016 so früh wie möglich zu erlassen. Dafür wird den Trägern der Produktionsschulen ein Zeitplan zur Antragstellung für 2016 einschließlich der Förderkonditionen rechtzeitig zur Kenntnis gegeben. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4128 7 8. Bis wann soll vom zuständigen Ministerium über die Anträge der Produktionsschulen auf Anerkennung als Ersatzschulen entschieden werden? a) Was ist der Grund für die Verzögerung bezüglich der Entscheidung zu den eingereichten Zulassungsanträgen? b) Welche Konsequenz hat die zeitliche Verzögerung der Erteilung der Zulassung der Produktionsschulen als Ersatzschulen für den Zeitpunkt der Aufnahme der Arbeit als Ersatzschule? c) Welche rechtlichen Vorgaben bezüglich des maximal zulässigen Zeitraumes zwischen dem Eingang der Antragsunterlagen und der Entscheidung über derartige Anträge gibt es? Zu 8, a) und b) Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens waren durch die Antragsteller Nachbesserungen am pädagogischen Konzept erforderlich, die zu Verzögerungen bei der Entscheidung zu den eingereichten Zulassungsanträgen führten. Zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen gehärte auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des geplanten Schulbetriebes. Denn der Staat darf seine Leistungen von einer hinreichend soliden Existenzbasis der Ersatzschule abhängig machen, die der Gründung Aussicht auf dauerhaften Bestand verleiht (vgl. LVerfG M-V, Urteil vom 09.12.2010 - LVerfG 6/09 - S. 11f). Daher muss jeder Ersatzschulträger eine angemessene Eigenleistung erbringen und kann nicht vom allgemeinen unternehmerischen Risiko freigestellt werden (vgl. BVerwG 79, S. 154). Die Genehmigung als Ersatzschule - Berufsschule - würde nach derzeitigem Kenntnisstand an der Unwirtschaftlichkeit des Schulbetriebes, die gemäß § 1 Abs. 1 Nummer 8 der Privatschulverordnung nachzuweisen ist, scheitern. Ein derartiger Nachweis müsste eine Darstellung der Haushaltsplanung enthalten, die eine vollständige Sicht auf alle zur Verfügung stehenden Einnahmen und auf alle zu erwartenden Ausgaben, einschließlich ihrer Ist- und Prognosewerte erlaubt. Dieser Nachweis ist von den Antragstellern bisher nicht erbracht worden. Die jeweiligen Darstellungen berücksichtigen nicht, dass Schüler im Bildungsgang Berufsvorbereitungsjahr überhaupt nicht durch ESF-Mittel finanziert werden können. Folglich müssten die Anträge auf Errichtung und Betrieb einer Ersatzschule als Berufsschule abgelehnt werden. Die drei antragstellenden Vereine, zugleich auch Träger der Produktionsschulen , wurden in der 29. Kalenderwoche über die rechtlichen Gegebenheiten (rechtliches Gehör gemäß § 28 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes) informiert. Sie haben in der 31. Kalenderwoche zu den Tatsachen Stellung genommen. Diese wird derzeit ausgewertet, das Verwaltungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern wird angesichts der erfahrungsgemäß benötigten Zeit für schulische und personelle Vorbereitungen zum Start in ein Schuljahr keine kurzfristigen Entscheidungen treffen. Deshalb wäre eine Genehmigung für eine Ersatzschule als Berufsschule frühestens zum 01.08.2016 möglich. Drucksache 6/4128 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 8 Zu c) Einer rechtlichen Würdigung, das heißt einer Rechtsentscheidung darüber, ob ein Vorhaben zu genehmigen ist oder nicht zu genehmigen ist, geht eine umfassende Sachverhaltsaufklärung durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur MecklenburgVorpommern voraus. Diese gibt dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern nicht die Befugnis, auf eine ihr durch die entsprechenden Vorschriften aufgegebene Sachverhaltsermittlung zu verzichten, indem sie diese auf den Antragsteller eines beantragten Vorhabens überträgt (so das Bundesverwaltungsgericht, NVwZ 1991, 303; BVerwG DÖV 1988, 299, 230; BVerwG DÖV 1992, 30) und bei jeder fehlenden gesetzlichen Voraussetzung Auflagen in die Bescheide aufnimmt. Vielmehr obliegt dem jeweiligen Antragsteller des Vorhabens eine Mitwirkungslast (§§ 13, 26 Landesverwaltungsverfahrensgesetz), die vor der rechtlichen Würdigung zu erfüllen ist, weil Auflagen einer rechtlichen Entscheidung die vom Gesetzgeber zwingend vorgeschriebenen Betriebserlaubnisvoraussetzungen nicht zu ersetzen vermögen. 9. Welche Folgen hätte die Anerkennung als Ersatzschule a) für die Arbeit der Produktionsschulen aus rechtlicher Sicht, b) für die Finanzierung der Produktionsschulen im Allgemeinen sowie für die Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter an der Finanzierung der Produktionsschulen im Speziellen , c) für das in den Produktionsschulen tätige Personal, sofern es sich dabei nicht um ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer handelt? Zu a) Aus rechtlicher Sicht hätte die Anerkennung als Ersatzschule für die Arbeit der Produktionsschulen keine Folgen. Die drei vorliegenden Anträge sind als Anträge auf Genehmigung einer Ersatzschule als Berufsschule mit dem Bildungsgang Berufsvorbereitungsjahr gemäß § 25 Absatz 5 des Schulgesetzes gestellt worden. Zu b) Die Finanzierung einer Ersatzschule als Berufsschule richtet sich nach dem §§ 127, 128 und 128a des Schulgesetzes. Dementsprechend würde eine Berufsschule als Ersatzschule mit dem Bildungsgang Berufsvorbereitungsjahr nach einer dreijährigen Wartefrist Anspruch auf Finanzhilfe in Höhe von 50 Prozent des Schülerkostensatzes haben. Nach derzeitigen Berechnungen würde der Schülerkostensatz bei rund 8.000 Euro die Finanzhilfe damit bei rund 4.000 Euro liegen. Damit ergibt sich pro Schülerin bzw. pro Schüler aller Voraussicht nach ein Finanzierungsdefizit , welches nicht durch Schulgeld gedeckt werden kann. Für Menschen über dem 18. Lebensjahr, geht die Landesregierung weiterhin davon aus, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter Qualifizierungsplätze einkaufen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4128 9 Zu c) Das im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von den drei Antragstellern beschriebene Personal, das derzeit mehrheitlich an den Produktionsschulen tätig ist und über eine Qualifikation mindestens als Meister oder höherwertig, nicht aber über eine Lehrbefähigung verfügt, kann an einer Ersatzschule gemäß Teil 3 des Schulgesetzes (Berufsschule) als Fachpraxislehrer oder Fachlehrer gemäß § 5 Ziffer 3 und 4 der Verordnung über die Laufbahnen der Fachrichtung Bildungsdienst im Land Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt werden. 10. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Landesregierung für und welche Gründe sprechen gegen eine Zulassung der Produktionsschulen als Ersatzschulen? Wie vereinbaren sich insbesondere auch das Prinzip bzw. die Grundsätze der Produktionsschulen mit denen einer Ersatzschule? Das spezielle Angebot der Produktionsschulen richtet sich besonders an Jugendliche, bei denen zu erwarten ist, dass die üblichen schulischen Bildungsmaßnahmen, wie die Einstiegsqualifizierung von Schülern in Unternehmen durch die Berufsorientierung während der Schulzeit, das Berufsvorbereitungsjahr oder andere berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen aufgrund schulaversiven Verhaltens oder aufgrund fehlender Vermittlungsperspektive keinen Erfolg versprechen. Den Produktionsschulen kommt im Übergangssystem zwischen Schule und Beruf also eine ergänzende Funktion zu: Sie bieten Jugendlichen mit lebensgeschichtlichen Brüchen die Chance, sich in einem praxisnahen Beschäftigungsfeld zu erproben und zu bewähren sowie Verantwortung für den eigenen Lebensentwurf zu übernehmen und Selbstkontrollstrategien zu entwickeln. Anders als im Bereich der allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen, die ein strukturiertes, leistungsorientiertes Fächer- und Unterrichtsangebot vorhalten, welches zu einem allgemein bildenden oder beruflichen Abschluss führt, erhalten junge Menschen in den Produktionsschulen die Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Insoweit unterscheiden sich die Produktionsschulen sowohl hinsichtlich ihrer Zielgruppe als auch hinsichtlich ihres pädagogischen Profils erheblich von den berufsvorbereitenden Angeboten der berufsbildenden Schulen. Produktionsschulen sind ein Bestandteil des Übergangssystems zwischen Schule und Beruf. Als solche haben Sie in das „Landeskonzept für den Übergang von der Schule in den Beruf“ Eingang gefunden. Sie stellen eine Perspektive für junge Menschen mit aktuell eingeschränkten Vermittlungschancen dar. Daneben besteht im Übergangssystem eine Vielzahl weiterer Maßnahmen und Angebote. Produktionsschulen sind weder als Schulart noch als Bildungsgang im Schulgesetz definiert. Drucksache 6/4128 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 10 Bei den Produktionsschulen in der bestehenden Form steht der Hilfegedanke der Jugendhilfe und nicht der Bildungs- und Erziehungsauftrag des Schulgesetzes im Vordergrund. Die schulorganisatorisch-pädagogische Gesamtkonstruktion der Produktionsschulen unterscheidet sich wesentlich von den in Teil 3 des Schulgesetzes abschließend benannten Schularten, insbesondere von denen der beruflichen Schulen. Produktionsschulen sind somit nicht ersatzschulfähig.