Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 27. Juli 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4156 6. Wahlperiode 28.07.2015 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Tino Müller, Fraktion der NPD Gender-Mainstreaming und ANTWORT der Landesregierung Im Zuge der Erstellung des Bildungsplans 2015 für allgemein bildende Schulen in Baden-Württemberg kam es zu erheblichen Protesten gegen die Verankerung des Gesichtspunktes „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ in den Leitprinzipien. 1. Welche Position vertritt die Landesregierung zur bis heute nicht wissenschaftlich belegten theoretischen Annahme (Gender-These), dass es keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt und infolgedessen das biologische Geschlecht überwunden und das soziale Geschlecht in den Vordergrund gestellt werden muss (bitte die Antwort begründen)? Die Landesregierung differenziert beim Geschlecht zwischen dem biologischen Geschlecht, das chromosonal festgestellt wird, dem psychologischen Geschlecht und dem sozialen Geschlecht, das die Zuschreibung von Aufgaben, Verhaltensweisen und Fähigkeiten der beiden Geschlechter Frau und Mann bezeichnet. Sie setzt sich dafür ein, dass Menschen in Mecklenburg-Vorpommern gleichberechtigt und ohne Angst vor Ausgrenzung und Anfeindung , unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität, leben können. Die Landesregierung lehnt jede Form der Diskriminierung ab und tritt für die gesellschaftliche Akzeptanz der unterschiedlichen geschlechtlichen Identitäten ein. Drucksache 6/4156 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Wann und wo wurde Gender-Mainstreaming (in MecklenburgVorpommern zur Querschnittsaufgabe aller Politikfelder erklärt) aus Sicht der Landesregierung infolge einer ausgewogenen gesellschaftlichen Debatte erstmalig demokratisch legitimiert? Auf seiner Sitzung am 3. März 1999 hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern auf Antrag der Fraktionen der PDS und der SPD beschlossen, dass die Landesregierung eine Konzeption zur Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land erarbeiten soll. Diese Konzeption sollte neben grundsätzlichen Aussagen zur Umsetzung der Chancengleichheit Maßnahmen zur Verbesserung der Gleichstellung in allen politischen Bereichen beinhalten. Mit diesen ausdrücklichen inhaltlichen Vorgaben für die von der Landesregierung zu erstellenden Konzeption hat der Landtag deutlich gemacht, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern im Land Mecklenburg-Vorpommern eine Querschnittsaufgabe ist. Die Entscheidung des Landtages, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein Thema der Geschäftsbereiche aller Ministerien sein muss, leitet sich aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes und Artikel 13 der Verfassung des Landes ab, die ausdrücklich die Förderung und Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern vorsehen, sowie aus dem Amsterdamer Vertrag (EGV). Dieser war am 1. Mai 1999 in Kraft getreten und bildete die Grundlage für die Umsetzung frauenpolitischer Forderungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Insbesondere Artikel 3 Absatz 2 EGV bestimmt, dass die Gemeinschaft darauf hinwirkt, dass auf den Gebieten der Handelspolitik, dem Binnenmarkt, der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik, der Verkehrspolitik, der Angleichung innerstaatlicher Rechtsvorschriften , der Sozial- und Umweltpolitik, der Forschung und so weiter die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern beseitigt und deren Gleichstellung gefördert wird. 3. Wie ist der aktuelle Bearbeitungsstand des für Ende 2015 angekündigten Landesaktionsplans zur Gleichstellung und Akzeptanz sexueller Vielfalt? a) Welche Akteure sind unter welcher fachkundigen Begleitung in welchem zeitlichen Rahmen an der Erarbeitung beteiligt? b) Welche Kosten entstehen durch die Erstellung des Aktionsplanes und wer trägt diese? Aktuell wird die Ressort- und Verbandsanhörung des Landesaktionsplans durchgeführt. Zu a) Ende 2013 hat die Landesregierung eine ressortübergreifende Planungsgruppe einberufen, die das koordinierte und themenbezogene Zusammenwirken aller Politikbereiche bei der Erarbeitung des Landesaktionsplans zum Ziel hatte. Parallel wurde eine Planungsgruppe mit außerministeriellen Experten und Akteuren (Betroffene, Verbände, Vereine, Interessenvertretungen …) eingerichtet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4156 3 Die ersten Treffen der beiden Planungsgruppen fanden im März 2014 statt. Dabei erfolgte eine Einigung auf die im Landesaktionsplan wiederzufindenden Handlungsfelder. Bei den weiteren Arbeitstreffen wurden insbesondere die Handlungsbedarfe und die Maßnahmen der einzelnen Handlungsfelder diskutiert. Das abschließende Beteiligungstreffen beider Planungsgruppen fand am 19. November 2014 statt. Zu b) Die Federführung der außerministeriellen Arbeitsgruppe wurde von einem durch das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales geförderten (Zuwendung in Höhe von 47.500 Euro) und beim Landesverband der Lesben und Schwulen in MecklenburgVorpommern „Gaymeinsam“ eingetragener Verein angegliederten Projektkoordinator übernommen . Die Umsetzung der Maßnahmen im Landesaktionsplan erfolgt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und Stellen. Ein Mehrbedarf für die Haushaltsjahre 2016/2017 ist nicht angemeldet. 4. In welcher Art und Weise werden in Mecklenburg-Vorpommern Rahmenpläne und Unterrichtsinhalte, Schulmaterialien und Schulbücher , sowie Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte von GenderMainstreaming -Inhalten beeinflusst? Die Umsetzung des Gender Mainstreamings in Rahmenplänen und Unterrichtsinhalten, Schulmaterialien und Schulbüchern sowie in Weiterbildungsangeboten für Lehrkräfte erfolgt als durchgängiges Prinzip aller Bildungsstufen von der frühkindlichen Bildung bis zur Berufsausbildung auf der Basis des Schulgesetzes Mecklenburg-Vorpommern. Es wird insbesondere auf § 2 Absatz 1 sowie § 4 Absatz 3 und Absatz 6 des Schulgesetzes verwiesen. Auf dieser Grundlage bauen die Rahmenpläne, die „Bildungskonzeption für 0- bis 10-jährige Kinder in M-V“ sowie die Rahmenkonzeption „Berufe haben kein Geschlecht“ auf. 5. Welche wissenschaftlichen Bewertungen gibt es und/oder sind künftig geplant hinsichtlich der Auswirkungen einer inhaltlichen Befassung mit Gender-Mainstreaming im Unterricht auf die Schüler in Mecklenburg-Vorpommern? Diesbezügliche wissenschaftliche Bewertungen sind der Landeregierung nicht bekannt und ihrerseits nicht geplant. Drucksache 6/4156 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 6. Das Regionalbüro der WHO für Europa gab ein Dokument unter dem Titel: „Standards für die Sexualaufklärung in Europa“ heraus. In dem Dokument ist unter anderem zu lesen, dass die Masturbation in der Kindesentwicklung förderlich sei. Außerdem werden Hinweise erteilt, wie man Kinder zu verschiedenen sexuellen Tätigkeiten heranführen kann. Welche Position vertritt die Landesregierung zu diesem Dokument bzw. zum Thema Frühsexualisierung von Kindern und inwieweit sind die beschriebenen Praktiken aus Sicht der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern anwendbar (bitte die Antwort begründen)? Die ersten Lebensjahre stellen eine besondere Entwicklungsphase dar, in der sich wichtige Basiskompetenzen und Verhaltensweisen herausbilden. In diesem Lebensabschnitt werden die entscheidenden Weichen für die Entwicklung der Persönlichkeit und für die Gesundheit im Erwachsenenalter gestellt. Die Landesregierung distanziert sich von dem Begriff der „Frühsexualisierung“. Kinder sollen befähigt werden, ihren eigenen Körper wert zu schätzen, ihren Sinnen und Gefühlen zu vertrauen. So können sie später selbstverständlicher Verantwortung für ihre sexuelle Gesundheit übernehmen. Eine Ich-stärkende Sexualerziehung im Vorschulalter ist somit die beste Prävention für den Schutz vor sexueller Gewalt. 7. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in BadenWürttemberg hat eine umstrittene Aufklärungsbroschüre: „Lesbische und schwule Lebensweisen - ein Thema für die Schule“ herausgegeben . Unter anderem geht es darum, wie man mit gezielten Fragestellungen die Heterosexualität von Schülern infrage stellen kann. Wie beurteilt die Landesregierung den Inhalt der Broschüre und inwieweit wäre eine Anwendung der Inhalte auch für MecklenburgVorpommern vorstellbar? Materialien einer Gewerkschaft ohne konkreten Bezug zu Schulen in MecklenburgVorpommern werden seitens der Landesregierung weder kommentiert noch bewertet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4156 5 8. Kann sich die Landesregierung vorstellen, dass künftig (wie in anderen Bundesländern geplant) auch in Mecklenburg-Vorpommern Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender als ehrenamtliche Referenten in Schulklassen sexuelle Aufklärungsgespräche durchführen (bitte die Antwort begründen)? Aufgrund der Regelungen in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes und in Artikel 5 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern hält die Landesregierung im Rahmen der schulrechtlichen Möglichkeiten solche Aufklärungsgespräche in Schulklassen durch ehrenamtliche Referenten, gleich welcher sexuellen Orientierung, grundsätzlich für positiv. Über den Einsatz ehrenamtlicher Referenten entscheidet die Schule. Die sexuelle Orientierung einer Referentin oder eines Referenten ist aus Sicht der Landesregierung unerheblich. 9. Laut den Aussagen von „Intersexuelle Menschen e. V.“ gibt es rund 4.000 Varianten von geschlechtlicher Differenzierung. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Anzahl der Varianten von geschlechtlicher Differenzierung und inwieweit wird das Thema in den Lehrplänen des Landes behandelt (bitte die Antwort begründen)? Der Deutsche Ethikrat hat sich in seiner Stellungnahme vom 23. Februar 2012 zur Intersexualität unter anderem auch mit der Geschlechtszuordnung und Geschlechtsidentität befasst. Dabei ist das Geschlecht kein eindimensionales Merkmal. Vielmehr handelt es sich dabei um eine komplexe Kennzeichnung, die sich aus der Kombination mehrerer, ganz unterschiedlicher Eigenschaften ergibt. Diese treten auf der genetischen, hormonellen und anatomischen Ebene in Erscheinung. Hinzu kommen die Selbstwahrnehmung der betreffenden Menschen, die sich einem Geschlecht, beiden Geschlechtern oder keinem Geschlecht als zugehörig empfinden sowie ihre soziale Zuordnung zu einem Geschlecht, das heißt die Einordnung durch andere. Die Landesregierung schließt sich dieser Auffassung des Deutschen Ethikrates an. Daher haben die Länder sowohl auf der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz als auch auf der Jugend- und Familienministerkonferenz die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates ausdrücklich begrüßt und sich dafür ausgesprochen, Feststellungen und Resultate in die zukünftige fachliche Arbeit einzubeziehen und zu berücksichtigen. Drucksache 6/4156 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 10. Wie beurteilt die Landesregierung die von Gender-Befürwortern vorangetriebene Umformung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und deren Auswirkungen auf Mecklenburg-Vorpommern, z. B. weiblich quotierte Straßennamen, Unisex-Toiletten, gendergerechte Spielplätze oder „Ampelweibchen“? Die Landesregierung fördert und unterstützt die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen und setzt sich für die Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Mecklenburg-Vorpommern ein. Eine damit einhergehende Veränderung des gesellschaftlichen Zusammenlebens wird ausdrücklich befürwortet.