Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 11. August 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4209 6. Wahlperiode 12.08.2015 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Prof. Dr. Fritz Tack, Fraktion DIE LINKE Situation der Aquakultur in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Der Begriff Aquakultur bezeichnet die kontrollierte Aufzucht und Bewirtschaftung aquatischer Organismen, hier im Besonderen von Fischen. Für die Erhebung statistischer Daten zur Aquakultur, die nach den Vorgaben der europäischen Aquakulturstatistikverordnung (EG 762/2008) erfasst werden, ist das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern zuständig. Das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LALLF) erhebt jährlich von den Aquakulturbetrieben des Landes auf freiwilliger Basis entsprechende Produktionsdaten. Die nachfolgend genannten anonymisierten Angaben wurden diesen Erhebungen und dem jährlichen Binnenfischereibericht der Bundesrepublik Deutschland entnommen. Die Nachfrage nach Frischfisch und Fischprodukten steigt. Der Ausbau der Aquakultur ist eine Möglichkeit, den Bedarf in hoher Qualität zu decken. Eine gemeinsame Sitzung des Fischereibeirates und des Tierschutzbeirates in Altkalen und Levitzow am 15.07.2015 diente der Analyse des erreichten Standes und der noch zu lösenden Aufgaben auf diesem Gebiet. 1. Wie hat sich der Produktionsumfang der Aquakultur seit 2010 im Land Mecklenburg-Vorpommern entwickelt? Im Jahr 2010 wurden in der Aquakultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern 596 Tonnen Speisefisch produziert, im Jahr 2014 waren 1.123 Tonnen. Drucksache 6/4209 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Wie viel Aquakulturanlagen sind gegenwärtig in Betrieb, mit welcher Produktion (bitte Standorte benennen)? Aktuell sind in Mecklenburg-Vorpommern 22 Aquakulturproduktionsanlagen mit einer Jahresproduktion von rund 1.100 Tonnen in Betrieb. Die Produktion erfolgt insbesondere an den Standorten Boek, Broda, Wilsen, Strassen, Woltow, Demmin, Born, Abtshagen, Altkalen und in der Lewitz. 3. Nach welchem technologischen Prinzip arbeiten die Anlagen a) nach dem Kreislaufprinzip oder b) nach anderen Prinzipien? Die Fragen 3 a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. In Mecklenburg-Vorpommern werden zurzeit sieben Teichwirtschaften, fünf Durchlaufanlagen und zehn Kreislaufanlagen zur Aufzucht von Fischen bewirtschaftet. Im Unterschied zu Teichen mit einem weitestgehend stagnierenden Wasserkörper sind Durchlaufanlagen durch einen permanenten, geregelten Durchfluss oder eine teilweise Kreislaufführung des Haltungswassers gekennzeichnet. Bei Kreislaufanlagen erfolgt eine annähernd vollständige Zirkulation und Mehrfachnutzung des Produktionswassers, was durch Einrichtungen zur mechanischen und biologischen Wasseraufbereitung ermöglicht wird. 4. Welche Fischarten werden in den Anlagen gehalten? In den Aquakulturbetrieben des Landes Mecklenburg-Vorpommern werden neben Karpfen und Forellen insbesondere auch afrikanische Welse, Zander und Ostseeschnäpel produziert. 5. Welcher Anteil der Anlagen mit welchem Produktionsvolumen befindet sich in landwirtschaftlichen Betrieben? Fünf der 22 Aquakulturanlagen stehen in Verbindung mit landwirtschaftlichen Betrieben. Im Jahr 2014 wurden in diesen fünf Anlagen 732 Tonnen afrikanische Welse produziert. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4209 3 6. Gehört die Aquakultur zum Bereich des Ministeriums für Landwirtschaft , Umwelt und Verbraucherschutz? Wenn ja, wer ist Genehmigungsbehörde? Die Aquakultur unterfällt als Teil der Fischwirtschaft der Zuständigkeit des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz. Teichanlagen, die durch Abgrabungen und Aufschüttung des Erdbodens hergestellt werden, sind bauliche Anlagen im Sinne des öffentlichen Baurechts. Desgleichen sind Becken-, Rinnen- oder Siloanlagen, wie auch die Schwimmstege, von Netzgehegeanlagen baurechtlich als bauliche Anlagen zu beurteilen. Die Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und der Abbruch baulicher Anlagen bedürfen grundsätzlich der Baugenehmigung. Baugenehmigungsbehörden sind die unteren Bauaufsichtsbehörden. In dieses Verfahren fließen alle sonstigen Genehmigungen mit ein, wie wasserrechtliche, naturschutzfachliche oder immissionsschutzrechtliche Genehmigungen. 7. Welche Fördermöglichkeiten gibt es für den weiteren Ausbau der Aquakultur? Die künftige Förderung erfolgt aus Mitteln des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF). Dabei werden sowohl Investitionen zur Modernisierung, zum Ausbau oder der Errichtung neuer Anlagen als auch die Entwicklung neuer Produktionsmethoden förderfähig sein. Die Höhe der jeweiligen Förderung kann nach Verabschiedung aller rechtlichen Grundlagen durch die Europäische Union und Veröffentlichung einer neuen Förderrichtlinie des Landes voraussichtlich im ersten Quartal 2016 bekannt gegeben werden. 8. Wie wird der Futteraufwand gegenüber der Fleischproduktion durch andere Nutztiere eingeschätzt? Da Fische poikilotherm sind, haben sie im Vergleich zu landlebenden monogastrischen Nutztieren einen niedrigen Futteraufwand. Es erfolgt eine deutlich bessere Umsetzung des Futters in tierisches Protein. Der direkt nutzbare Proteinanteil, die Schlachtausbeute, ist höher. Der durchschnittliche Futterquotient laut FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) liegt beim Lachs bei 1,3 Kilogramm Futter pro Kilogramm Zuwachs. Im Vergleich dazu beträgt dieser Futterquotient beim Schwein 2,9 und beim Rind 8 kg Futter/kg Zuwachs. Drucksache 6/4209 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 9. Welche Forschungsarbeiten zur Aquakultur werden im Land Mecklenburg-Vorpommern geleistet? Federführend durch das Institut für Fischerei der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA) werden teilweise in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf, dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) Riems und der Universität Rostock Forschungsthemen bearbeitet, die zur Entwicklung einer regionalen wettbewerbsfähigen Aquakultur in Mecklenburg-Vorpommern führen sollen. Aktuell werden folgende Themen bearbeitet: - „Ausbau und Weiterentwicklung der Ostseeschnäpel - Aquakultur (Coregonus maraena) in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2013 - 2015“ (LFA), - „Überprüfung von Möglichkeiten zur Senkung des Frischwasserbedarf süßwassergespeister Kaltwasserkreislaufanlagen zur Salmonidenproduktion“ (LFA), - „Nährstoffaustragesysteme unter Brackwasserbedingungen“ (LFA), - „Aufbau und Entwicklung einer Zanderaquakultur (Sander lucioperca L.) in MecklenburgVorpommern in den Jahren 2012 bis 2015“ (LFA), - „Einbindung einer Edelkrebsaquakultur in ein integriertes Aquakultursystem am Standort Hohen Wangelin in den Jahren 2012 - 2015“ (LFA), - „Die Etablierung von Nutzfischmodellen am Standort Born zur Entwicklung hoch produktiver und robuster Zuchtlinien für die regionale Aquakultur, am Beispiel des Schnäpels (Coregonus maraena), in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2013 - 2015“ (LFA), - „Biotechnologische Prüfung auf Robustheit selektierter Regenbogenforellen (Stamm BORN) auf Eignung als Standortlinie und Tiermodell in differenten regionalen Aquakulturanlagen “ (FBN Dummerstorf, LFA, FLI Riems), - „Fischzuchtlinien für standortgerechte Aquakultur! Die BORN-Forelle als Standortlinie und Tiermodell für vergleichende Analysen zur genetischen, immunologischen und phänotypischen Anpassung von Nutzfischen an regionale Aquakulturbedingungen“ (FBN Dummerstorf, LFA, FLI Riems), - „Biotechnologische Analysen zum Nachweis der Eignung des Ostseeschnäpels (Coregonus maraena) für eine nachhaltige regionale Aquakultur“ (FBN Dummerstorf, LFA), - „Entwicklung eines Zooplankton-Reaktors zur Unterstützung der Fischlarvenaufzucht relevanter Zielfischarten in Mecklenburg-Vorpommern“ (Universität Rostock), - „Modulares Gewächshausanbausystem zur aquaponischen Produktion von Warmwasserfischarten unter minimalem Ressourcenverbrauch in Mecklenburg-Vorpommern - Eine Innovationsinitiative zur energie- und nährstoffeffizienten Nahrungsmittelproduktion“ (Universität Rostock), - „Verfahrensentwicklung einer Integrierten Multi Tropischen Aquakultur für die Küstengewässer Mecklenburg-Vorpommern“ (Universität Rostock). Daneben werden aquakulturgestützt folgende Besatzprogramme auch forschungsseitig durch die LFA begleitet: - „Aquakulturgestütztes Fischereimanagement der Maränenbestände - Große Maräne (Coregonus lavaretus L.) und Ostseeschnäpel (Coregonus maraena) - in den Binnenseen und Küstengewässern des Landes Mecklenburg-Vorpommern“ und - Störbesatzprogramm“. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4209 5 10. Welches Potenzial wird für die Aquakultur in MecklenburgVorpommern gesehen? Das derzeitige Potenzial der Aquakultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern liegt bei einer Jahresproduktion von 1.000 bis 1.500 t. Die Erweiterung der Produktion auf 10.000 bis 15.000 t/a ist denkbar.