Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 11. August 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4212 6. Wahlperiode 12.08.2015 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Regine Lück, Fraktion DIE LINKE Umzugsaufforderungen bei KdU-Leistungen und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Bevor die einzelnen Fragen beantwortet werden können, ist auf Folgendes hinzuweisen: Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für Mieter und Eigentümer von Wohneigentum nach einheitlichen Grundsätzen zu bewerten. Bei der Angemessenheitsprüfung gelten insbesondere die gleichen Wohnflächengrenzen . Die Möglichkeit einer Kostensenkung setzt voraus, dass der Betroffene von der Unangemessenheit seiner Aufwendungen für Unterkunft und Heizung Kenntnis hat und dem Ergreifen geeigneter Maßnahmen keine sonstigen Gründe entgegenstehen. Um den Leistungsberechtigten über die Unangemessenheit seiner Unterkunfts- und Heizkosten in Kenntnis und die Sechsmonatsfrist in Gang zu setzen, erhält er vom Leistungsträger in der Regel ein Informationsschreiben mit der Aufforderung, seine Unterkunfts- und Heizkosten zu senken. Drucksache 6/4212 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Hierbei handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt (Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, Aktenzeichen: B 7b AS 10/06 R). Insoweit kommt der Kostensenkungsaufforderung allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion zu, damit Leistungsberechtigte Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage erhalten. Rechtsfolgen sind an die Kostensenkungsaufforderung selbst unmittelbar nicht geknüpft. Diese treten erst ein, wenn der Leistungsberechtigte seiner Pflicht zur Kostensenkung nicht nachgekommen ist und mit einem Bescheid nur noch die abgesenkten Leistungen bewilligt werden (siehe Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 22, Rn. 125 ff.). § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II nennt drei Alternativen einer Kostensenkung: den Wohnungswechsel , das Vermieten oder eine Kostensenkung auf andere Weise. Insoweit haben - entgegen der Formulierung der Einleitung und den Fragen der Kleinen Anfrage - Kostensenkungsaufforderungen nicht den Charakter von reinen Umzugsaufforderungen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass von Kostensenkungsaufforderungen wegen unangemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II die Frage, inwieweit Wohneigentum als Vermögen im Sinne des SGB II zu berücksichtigen ist, getrennt werden muss. Insoweit kann als Voraussetzung zum Erhalt von Leistungen nach dem SGB II bei Wohneigentum eine Verwertung in Betracht kommen, wenn die selbstgenutzte Immobilie aufgrund einer nicht angemessenen Größe nicht mehr der vermögensrechtlichen Schutzvorschrift des § 12 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 SGB II unterliegt. Bei Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern werden mir gegenüber Aufforderungen zum Umzug wegen nicht den Richtlinien entsprechender Wohnkosten bzw. nicht als angemessen bezeichneten Wohnraums/Grundstücken beklagt. Die Betroffenen sind verzweifelt und hilflos. 1. Wie entwickelte sich die Anzahl der Umzugsaufforderungen seit Inkrafttreten der aktuellen KdU-Richtlinien jeweils in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten? Da die kreisfreien Städte und Landkreise (kommunale Träger) die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 6a Absatz 1 und 2 SGB II nach § 1 Absatz 1 Landesausführungsgesetz SGB II (AG-SGB II) als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises durchführen, hat das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales eine Abfrage bei den kommunalen Trägern durchgeführt. Aus den Antworten folgt, dass Kostensenkungsaufforderungen bei den kommunalen Trägern grundsätzlich nicht statistisch erfasst werden. Lediglich die Hansestadt Rostock teilte mit, dass in den Jahren 2013/2014 jeweils 193 Kostensenkungsverfahren eingeleitet wurden, von denen 143 beziehungsweise 166 erfolgreich abgeschlossen worden sind. In 2015 sind es bisher 97 Verfahren, wovon 78 erfolgreich abgeschlossen worden sind. Der Landkreis Vorpommern-Rügen teilte mit, dass die Anzahl der eingeleiteten Kostensenkungsverfahren gesunken ist. Das Umzugsvolumen aufgrund durchgeführter Kostensenkungsverfahren beträgt circa 2 vom Hundert (v. H.) aller Umzüge. Zirka 80 v. H. der Umzüge finden aufgrund von Trennungen beziehungsweise Zusammenzügen statt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4212 3 2. Was sind die Hauptursachen der Umzugsaufforderungen, liegt dies eher an steigenden Heizkosten oder steigenden Kaltmieten (bitte Verhältnis angeben)? Die aufgeführten kommunalen Träger haben folgende Gründe für Kostensenkungsverfahren benannt: - Hansestadt Rostock - Kaltmiete 75 v. H, Heizkosten 25 v. H., - Landkreis Rostock (Mitteilung des Jobcenters Güstrow) - Bereich Güstrow Kaltmiete 60 v. H., Heizkosten 40 v. H., Bereich Teterow 50:50, - Landkreis Nordwestmecklenburg - überwiegend Bruttokaltmiete, - Landkreis Vorpommern-Rügen - gestiegene Kosten 5 v. H., Trennung, Auszug der Kinder 95 v. H., - Landkreis Vorpommern-Greifswald - überwiegend Kaltmiete. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Welche der Umzugsaufforderungen aus Frage 1 wurden tatsächlich umgesetzt und wie erfolgte dies? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Bei welchen der Umzugsaufforderungen aus Frage 1 konnte ein Verbleib in der Wohnung bzw. im Haus erreicht werden (bitte angeben, ob dauerhaft oder vorübergehender Verbleib)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Welche Landkreise und kreisfreien Städte erwägen nach Kenntnis der Landesregierung in absehbarer Zeit eine erneute Anpassung der KdURichtlinien ? Gemäß § 22c Absatz 2 SGB II müssen die Kreise und kreisfreien Städte die durch Satzung bestimmten Werte für die Unterkunft mindestens alle zwei Jahre und die durch Satzung bestimmten Werte für die Heizung mindestens jährlich überprüfen und gegebenenfalls neu festsetzen. Diese Regelung ist analog auf die Fortschreibung von KdU-Richtlinien zu übertragen. Die Landkreise und kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpommern kommen dieser gesetzlichen Forderung nach. Drucksache 6/4212 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 6. Beabsichtigt die Landesregierung bei vorgesehener Änderung der KdU-Richtlinien durch die kommunale Ebene sich beratend für die Einführung einer Klimakomponente bzw. eines Klimabonus einzusetzen mit dem Ziel, bei geringerem Heizenergieverbrauch eine höhere Bruttokaltmiete zuzulassen und so die energetische Sanierung des Gebäudebestandes voranzubringen? Die Landesregierung beabsichtigt nicht, die kommunalen Träger bei der Fortschreibung der KdU-Richtlinien im Sinne der Fragestellung zu beraten. Sie vertritt die Auffassung, dass die energetische Sanierung des Gebäudebestandes keine Aufgabe darstellt, die mit Hilfe der bestehenden Sozialleistungssysteme zu realisieren ist. Um die Energieeffizienz weiter zu erhöhen und den Verbrauch zu senken, müssen Lösungswege außerhalb der Sozialleistungssysteme gefunden werde. Mit dem durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) in § 22 Absatz 1 SGB II eingefügten Satz 4 wurde klargestellt, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Kostensenkung der Wohnkosten erfolgen soll, auch Wirtschaftlichkeitserwägungen angestellt werden können. Eine Absenkung der unangemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung muss seitdem nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Die Einbeziehung von Wirtschaftlichkeitserwägungen eröffnet auch einen Spielraum bei der Übernahme von für sich genommen unangemessenen Kosten der Unterkunft für energetisch sanierte Wohnungen. Stellen sich die Kosten der Unterkunft einerseits und die Kosten der Heizung andererseits insgesamt als wirtschaftlich dar, kann von der Kostensenkungsaufforderung abgesehen werden. Insoweit bietet der bereits bestehende rechtliche Rahmen ein ausreichendes Instrumentarium, um innerhalb der Einzelfallprüfung auch Entscheidungen im Sinne der Fragestellung zu treffen. 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Forderung, die Kosten für eine Mitgliedschaft im örtlichen Mieterverein bei Grundsicherungsbezug zu übernehmen mit dem Ziel, fehlerhafte Betriebskostenabrechnungen aufzudecken und im Ergebnis Sozialausgaben zu senken und Umzüge zu verhindern? Eine generelle Kostenübernahme der Kosten für eine Mitgliedschaft im örtlichen Mieterverein wird durch die Landesregierung abgelehnt. Es liegt in der Entscheidungskompetenz der kommunalen Träger, im Einzelfall diese Kosten zu übernehmen, wenn ein mietrechtlicher Sachverhalt hierzu Veranlassung bietet.