Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 1. September 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4403 6. Wahlperiode 03.09.2015 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vollendete Tötungsdelikte im Phänomenbereich PMK-Rechts und ANTWORT der Landesregierung Seit dem Jahr 1990 sind nach Angaben der Bundesregierung im Phänomenbereich der PMK-Rechts 69 politisch motivierte Gewalttaten verübt worden, bei denen insgesamt 75 Opfer zu Tode gekommen sind, fünf davon in Mecklenburg-Vorpommern. Bis zu der Nachmeldung der Landesregierung vom 2. Dezember 2014 waren es offiziell nur vier. Das ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag auf Drucksache 18/5639. Auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN im Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat der Minister für Inneres und Sport, Lorenz Caffier, den Innenausschuss am 27. Februar 2014 über die laufende Überprüfung von versuchten und vollendeten Tötungsdelikten auf einen möglichen politisch rechten Hintergrund unterrichtet . Damals sagte der Minister für Inneres und Sport, es sei selbstverständlich , dass dem Innenausschuss über weitere Überprüfungen und Erkenntnisse berichtet werde. Die Nachmeldung vom 2. Dezember 2014 wurde dem Innenausschuss jedoch nicht zur Kenntnis gegeben. 1. Warum wurde die Nachmeldung vom 2. Dezember 2014 nicht dem Innenausschuss zur Kenntnis gegeben? 2. Wie kam es zu der neuen Bewertung dieses Falles? Zu 1 und 2 Die Ausführungen des Ministers für Inneres und Sport auf der Sitzung des Innenausschusses am 27. Februar 2014 bezogen sich - wie dort vorgetragen - auf die bundesweit abgestimmte Prüfung von Altfällen versuchter und vollendeter ungeklärter Tötungsdelikte auf einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund aus dem Zeitraum 1990 bis 2011. Drucksache 6/4403 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Das in Rede stehende Tötungsverbrechen ereignete sich dagegen am 1. Oktober 2012. Insoweit handelt es sich nicht um einen nachträglich überprüften Fall, sondern um einen solchen, der für die gegebenenfalls vorzunehmende Klassifizierung erst nach Vorlage der mit dem 13. November 2014 datierten Ausgabe des rechtskräftigen Urteils durch die Landespolizei bewertet werden konnte. Zuvor lagen keine Erkenntnisse vor, wonach eine Klassifizierung als PMK-Rechts hätte erfolgen müssen. 3. Wie war der Tathergang des am 2. Dezember 2014 nachgemeldeten Falles? Am 30. September 2012 verließen kurz nach 22.00 Uhr der wegen Totschlags Verurteilte und die wegen Beihilfe zur Körperverletzung und des Totschlags durch Unterlassen verurteilte Tochter des Geschädigten die Wohnung des Verurteilten in Züssow und fuhren von dort aus mit dem PKW der verurteilten Tochter nach Butzow. Der nähere Tathergang stellt sich ausweislich des Urteils des Landgerichts Stralsund vom 8. November 2013 - 21 Ks 2/13 - wie folgt dar: In Butzow gegen 22.30 Uhr angekommen, suchte der Verurteilte im alkoholisierten Zustand das Haus des Geschädigten auf und wurde von diesem freiwillig durch die Haustür in das Haus gelassen. Im Haus konfrontierte der Verurteilte den Geschädigten mit dem Verdacht, dessen Tochter in deren Kindheit sexuell missbraucht zu haben. Der Geschädigte versuchte den Verurteilten aus dem Haus zu drängen, erhielt aber im Zuge dessen von dem Verurteilten zahlreiche, mit Bleisandhandschuhen ausgeführte Faustschläge in das Gesicht, in deren Folge er zu Boden ging und liegen blieb. Der Verurteilte verließ unter Mitnahme eines Schlüsselbundes mit dem Haustürschlüssel das Haus und begab sich zu der in der Nähe des Hauses in ihrem PKW wartenden Tochter des Geschädigten. Er fragte sie, ob sie ihren Vater noch einmal sehen wollte, was diese verneinte. Daraufhin äußerte der Verurteilte, dass er die Sache jetzt klären werde. Die Tochter schloss aus der Ankündigung des Verurteilten zwar nicht eindeutig, dass dieser beabsichtige, ihren Vater zu töten. Sie befürchtete jedoch, dass die Ankündigung in dieser Weise gemeint gewesen sein könnte. Gleichwohl unternahm sie nichts, um den Verurteilten von seinem Vorhaben abzubringen oder die für möglich gehaltene Tötung auf andere Weise zu verhindern. Der Verurteilte begab sich wieder in den Hausflur des Hauses des Geschädigten, wo dieser immer noch reglos auf dem Boden lag, und von dort in die Küche, wo er aus einer Schublade ein circa 32 cm langes Brotmesser entnahm. Er ging zurück zu dem Geschädigten und stieß die circa 20 cm lange Klinge des Messers in den Brustkorb des Geschädigten. Infolge der durch den Stich herbeigeführten mehrfachen Organverletzungen verstarb der Geschädigte binnen kürzester Zeit. Nach der Tat begab sich der Verurteilte zu der weiterhin im PKW wartenden Tochter des Geschädigten und zeigte ihr seine blutbefleckten Handschuhe. Ohne den Verurteilten zu fragen, was mit ihrem Vater geschehen sei, startete die verurteilte Tochter ihr Fahrzeug und fuhr mit dem Verurteilten zurück nach Züssow. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4403 3 4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu den Tatmotiven vor? Ausweislich der Gründe des Urteils des Landgerichts Stralsund vom 8. November 2013 hat den Verurteilten zur Fahrt zum Tatort motiviert, die mitverurteilte Tochter des Opfers zu beschützen und ihre Interessen gegenüber ihrem Vater zu verteidigen. Hinsichtlich des tödlichen Messerstichs ist die Motivation des Verurteilten nach den Urteilsgründen unklar geblieben. 5. Inwiefern erfüllt der am 2. Dezember 2014 nachgemeldete Fall die Kriterien des Phänomenbereichs der PMK-Rechts? Im Urteil wurde eine „politisch ‚rechte‘ Gesinnung bzw. Weltanschauung“ sowie „ein nicht substanz-, sondern weltanschaulich bedingter Hass“ des Angeklagten auf sogenannte Kinderschänder festgestellt und die nicht substanz-, sondern persönlichkeitsbedingte Bereitschaft des Angeklagten, gegen solche Kinderschänder Selbstjustiz zu üben. Insoweit waren die entsprechenden Kriterien des Phänomenbereichs PMK-Rechts erfüllt. 6. Werden derzeit weitere an sich bereits geklärte Tötungsdelikte einer erneuten Überprüfung unterzogen und wenn ja, welche? Überprüft werden gegenwärtig alle Tötungsdelikte im Zeitraum 1990 bis 2011, bei denen eine tatverdächtige Person festgestellt werden konnte, es aber nicht zu einer Verurteilung gekommen ist.