Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 27. August 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4406 6. Wahlperiode 31.08.2015 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jürgen Suhr und Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ersatzfreiheitsstrafen und ANTWORT der Landesregierung Zum Stichtag 30. November 2014 verbüßten in den Justizvollzugsanstalten Mecklenburg-Vorpommerns von den insgesamt 1.117 Häftlingen 93 eine Ersatzfreiheitsstrafe. So nennt das Strafgesetzbuch (StGB) in § 43 die Freiheitsstrafe, die an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt. Verhängt wird eine Geldstrafe gemäß § 40 StGB in Tagessätzen . Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens 30.000 Euro festgesetzt. Zum Vergleich: Die Kosten für einen Hafttag wurden von der Landesregierung im Jahr 2014 bei 123,81 Euro angesetzt. 1. Wegen welcher Straftaten wurden die 93 Häftlinge jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt? 2. Wie hoch waren die Geldstrafen, zu denen die 93 Häftlinge jeweils verurteilt wurden (bitte aufschlüsseln nach Anzahl und Höhe der Tagessätze)? Drucksache 6/4406 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 3. Wie hoch war im Einzelfall der durch die Straftat entstandene Schaden? Die Fragen 1, 2 und 3 werden mit nachfolgender Tabelle im Zusammenhang beantwortet. In der Spalte 2 der Tabelle sind die zur Verurteilung geführten Straftaten aufgeführt, Spalte 3 enthält die Anzahl der verhängten Tagessätze, Spalte 4 die Höhe eines Tagessatzes in Euro und Spalte 5 den durch die Tat entstandenen Schaden, soweit dieser bezifferbar ist. Sofern sich Verurteilte für Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer in Justizvollzugsanstalten des Landes Mecklenburg-Vorpommern befunden haben, kann die Frage zur Schadenshöhe mangels Kenntnis der Vorgänge und fehlender Zuständigkeit der Landesregierung für diese Fälle nicht beantwortet werden. zu Frage 1 zu Frage 2 Zu Frage 3 Lfd. Nr. Straftaten Höhe der Geldstrafe Anzahl der Tage Tagessatz in EUR Schaden in EUR Spalte 1 Spalte 2 Spalte 3 Spalte 4 Spalte 5 1 Freiheitsberaubung 100 5,00 nicht bezifferbar 2 Missbrauch von Notrufen 80 15,00 nicht bezifferbar 3 Körperverletzung 105 15,00 nicht bezifferbar 4 Betrug 35 15,00 1515,28 5 Falsche uneidliche Aussage 120 4,00 nicht bezifferbar 6 Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung 30 15,00 nicht bezifferbar 7 Diebstahl 30 30,00 360,00 8 Trunkenheit im Verkehr 25 30,00 nicht bezifferbar 9 Erschleichen von Leistungen 102 10,00 4,00 10 Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz u.a. 120 15,00 nicht bezifferbar 11 Vergehen gegen das Aufenthaltsgesetz 70 20,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 12 Diebstahl geringwertiger Sachen 30 10,00 2,99 13 Körperverletzung 96 12,00 nicht bezifferbar 14 Sachbeschädigung 70 15,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 15 Trunkenheit im Verkehr 20 10,00 nicht bezifferbar 16 Erschleichen von Leistungen 45 10,00 2,00 17 Fahren ohne Fahrerlaubnis 80 25,00 nicht bezifferbar 18 Fahren ohne Fahrerlaubnis 180 15,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 19 Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung 38 30,00 95,00 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4406 3 zu Frage 1 zu Frage 2 Zu Frage 3 Lfd. Nr. Straftaten Höhe der Geldstrafe Anzahl der Tage Tagessatz in EUR Schaden in EUR 20 Vortäuschen einer Straftat 80 11,00 nicht bezifferbar 21 unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln 53 15,00 nicht bezifferbar 22 Betrug 160 22,00 1500,00 23 Erschleichen von Leistungen 50 30,00 1,50 24 Erschleichen von Leistungen 39 15,00 1,50 25 Verstoß gegen die Abgabenordnung 90 8,00 2174,20 26 Betrug 29 15,00 175,00 27 Unterschlagung 25 30,00 109,70 28 Diebstahl geringwertiger Sachen 60 30,00 4,98 29 Erschleichen von Leistungen 39 10,00 3,00 30 Erschleichen von Leistungen 41 30,00 1,50 31 Betrug 35 30,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 32 Erschleichen von Leistungen 101 15,00 4,50 33 Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz 50 10,00 nicht bezifferbar 34 Erschleichen von Leistungen 90 15,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 35 Missbrauch von Notrufen 80 15,00 nicht bezifferbar 36 Unterschlagung 130 15,00 100,00 37 Fahren ohne Fahrerlaubnis 90 30,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 38 Erschleichen von Leistungen 70 10,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 39 Körperverletzung 96 12,00 nicht bezifferbar 40 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 25 10,00 nicht bezifferbar 41 Trunkenheit im Verkehr 30 15,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 42 Erschleichen von Leistungen 50 10,00 2,00 43 Diebstahl 70 15,00 2600,00 44 Diebstahl 37 25,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 45 Diebstahl 70 15,00 4,95 46 Erschleichen von Leistungen 70 25,00 2,00 Drucksache 6/4406 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 zu Frage 1 zu Frage 2 Zu Frage 3 Lfd. Nr. Straftaten Höhe der Geldstrafe Anzahl der Tage Tagessatz in EUR Schaden in EUR 47 Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz 40 20,00 nicht bezifferbar 48 Erschleichen von Leistungen 65 30,00 1,50 49 Betrug 120 15,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 50 Erschleichen von Leistungen 87 10,00 3,00 51 Erschleichen von Leistungen 115 12,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 52 Diebstahl 87 12,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 53 Betrug 126 27,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 54 Unterschlagung u.a. 38 30,00 150,00 55 Bedrohung, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Hausfriedensbruch 29 15,00 200,00 56 Diebstahl 40 15,00 150,00 57 Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz 50 13,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 58 Diebstahl 70 12,00 2,26 59 Betrug, Unterschlagung 76 15,00 600,00 60 Nötigung 50 20,00 nicht bezifferbar 61 Diebstahl 30 20,00 3,38 62 Diebstahl 30 20,00 236,98 63 Trunkenheit im Verkehr 34 15,00 nicht bezifferbar 64 Diebstahl 57 10,00 400,00 65 Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung 80 15,00 nicht bezifferbar 66 gefährliche Körperverletzung 90 10,00 nicht bezifferbar 67 Körperverletzung 70 15,00 nicht bezifferbar 68 Trunkenheit im Verkehr 100 15,00 nicht bezifferbar 69 Verstoß gegen das Waffengesetz 50 20,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 70 Betrug 83 31,00 654,49 71 Trunkenheit im Verkehr 120 15,00 nicht bezifferbar 72 Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz 72 15,00 nicht bezifferbar Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4406 5 zu Frage 1 zu Frage 2 Zu Frage 3 Lfd. Nr. Straftaten Höhe der Geldstrafe Anzahl der Tage Tagessatz in EUR Schaden in EUR 73 Diebstahl 40 15,00 1500,00 74 Unterschlagung 80 10,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 75 Sachbeschädigung 58 12,00 500,00 76 Verstoß gegen das Straßenverkehrsgesetz 111 30,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 77 Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz 19 15,00 nicht bezifferbar 78 Unterschlagung 130 15,00 764,49 79 Diebstahl mit Waffen 129 5,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 80 Diebstahl im besonders schweren Fall 274 17,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 81 Diebstahl 95 10,00 1500,00 82 Verstoß gegen das Waffengesetz 103 15,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 83 Sachbeschädigung 30 12,00 nicht bezifferbar 84 Diebstahl im besonders schweren Fall 43 15,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 85 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 235 13,00 Vollstreckung aus anderem Bundesland 86 Diebstahl 50 10,00 19,35 87 Urkundenfälschung 49 20,00 nicht bezifferbar 88 Gemeinschaftlicher Diebstahl 50 20,00 100,00 89 Fahren ohne Fahrerlaubnis 30 10,00 nicht bezifferbar 90 Sachbeschädigung 69 10,00 910,00 91 Betrug 150 10,00 2400,00 92 Diebstahl im besonders schweren Fall 90 10,00 100,00 93 Verstoß gegen das Tierschutzgesetz 100 10,00 nicht bezifferbar Drucksache 6/4406 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 4. In wie vielen Fällen überstiegen die Haftkosten die Höhe der Geldstrafe , an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe getreten war? In allen 93 Fällen überstiegen die Haftkosten die Höhe der verhängten Geldstrafen. 5. Ist die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe aus Sicht der Landesregierung auch in den Fällen sinnvoll, in denen die Haftkosten die Höhe der ursprünglich verhängten Geldstrafe übersteigen, und wenn ja, warum? Ja, wobei die Frage vor dem Hintergrund der vorangestellten Antwort zu Frage 3 hypothetisch erscheint. Nach § 43 Strafgesetzbuch tritt an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe Freiheitsstrafe, wobei einem Tagessatz Geldstrafe ein Tag Freiheitsstrafe entspricht. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe setzt voraus, dass die Geldstrafe uneinbringlich ist. Die regelmäßige Folge der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, wobei diese grundsätzlich durch freie Arbeit abgewendet werden kann. Für Mecklenburg-Vorpommern ist dies in der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit vom 23. Februar 1993, geändert durch Verordnung vom 6. Mai 2002, geregelt. Führt auch dieses Angebot an den Verurteilten nicht zum Erfolg, stellt die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe die erforderliche und geeignete Maßnahme zur Durchsetzung des Strafanspruchs des Staates dar. 6. In wie vielen Fällen gelang im vergangenen Jahr die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit im Sinne der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit? Im Jahr 2014 haben nach den Daten des statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern in Strafvollstreckungsverfahren der Staatsanwaltschaften des Landes MecklenburgVorpommern insgesamt 1.969 Personen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ganz oder teilweise durch unentgeltliche gemeinnützige Arbeit abgewendet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4406 7 7. Wie bewertet die Landesregierung Forderungen nach einer Absenkung der Stundenzahl, die nach § 7 der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit zur Tilgung eines Tagessatzes der Geldstrafe zu leisten ist, von sechs auf drei Stunden? Vor dem Hintergrund, dass jeder Tag einer Vollstreckung einer Freiheitsstrafe einen schwerwiegenden Einschnitt in das Leben des Betroffenen darstellt, ist auch die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitstrafe angemessen zu gestalten. Eine grundsätzliche Verringerung auf drei Stunden zur Tilgung des Tagessatzes stünde dazu in keinem Verhältnis. Neben der Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ist die Zielsetzung der freien gemeinnützigen Arbeit die Übernahme von Verantwortung für eigenes Handeln. Gemeinnützige Arbeit soll auch im Rahmen der Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Kontext der wiedereingliederungsorientierten und wiedergutmachenden Strafrechtspflege gesehen und entsprechend ausgestaltet werden. In Mecklenburg-Vorpommern wird dies über Zuwendungen im Rahmen des Projektes „Ausweg“ gemäß Richtlinie für die Förderung der Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie, gemeinnützige Arbeit vom 19.06.2002 (Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern 2002 Seite 679) gewährleistet. Durch die umfassende Betreuung innerhalb des Projektes rückt der Beitrag zur Wiedereingliederung der Verurteilten in die Gesellschaft in den Fokus und rechtfertigt grundsätzlich eine Stundenanzahl von sechs Stunden zur Tilgung eines Tagessatzes der Geldstrafe unter Berücksichtigung der besonderen Klientel. In Ausnahmefällen kann die Vollstreckungsbehörde den Anrechnungsmaßstab bereits jetzt bis auf drei Stunden herabsetzen. Ein Ausnahmefall liegt in der Regel vor, wenn die oder der Verurteilte als Schwerbeschädigte oder Schwerbeschädigter anerkannt ist, die Arbeit im Falle der Berufstätigkeit am Wochenende geleistet wird oder die Arbeitszeit zur Nachtzeit erfolgt (vergleiche § 7 Absatz 1 Sätze 2 und 3 der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe vom 23. Februar 1993, geändert durch Verordnung vom 6. Mai 2002). Die bestehende Regelung ist sachgerecht und hat sich bewährt. 8. Wie bewertet die Landesregierung Forderungen nach einer Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen.