Der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 3. September 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4411 6. Wahlperiode 07.09.2015 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abstandsregelungen für Windkraftanlagen und ANTWORT der Landesregierung Durch die Einführung einer Länderöffnungsklausel in § 249 des Baugesetzbuches werden die Bundesländer ermächtigt, bis zum 31. Dezember 2015 spezifische Abstandsregelungen für Windkraftanlagen zur Wohnbebauung festzulegen. Eine Volksinitiative fordert derzeit in Mecklenburg-Vorpommern die Vergrößerung des Mindestabstandes von Windkraftanlagen zu Wohnsiedlungen auf das Zehnfache der Anlagenhöhe (sog. 10H-Regelung). Bei der Höhe moderner Anlagen (um die 200 Meter) würden Abstände von 2.000 Metern zur Wohnbebauung erforderlich. Mit einem parallel gestarteten Volksbegehren fordern die Initiatoren gleichzeitig, das Landesplanungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern dergestalt zu ändern, dass bei Gebietsausweisungen für Windenergieanlagen ein Abstand der Anlagen zur Wohnbebauung sicherzustellen ist, der 2.000 Meter nicht unterschreitet. 1. Wie bewertet die Landesregierung Forderungen nach einer Abstandsregelung zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung von 2.000 Metern? Die Forderung nach der Einführung eines 2000 Meter-Mindestabstandes ist sowohl aus fachlicher als auch aus rechtlicher Sicht umstritten. Der Festlegung der Eignungsgebiete für Windenergieanlagen in den Regionalen Raumentwicklungsprogrammen (RREP) ist ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde zu legen, in deren Ergebnis der Windenergienutzung substanzieller Raum zu verschaffen ist. Drucksache 6/4411 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Hierbei ist der Siedlungsabstand als eines der sogenannten „weichen Tabukriterien“, also ein Abwägungskriterium, zu berücksichtigen. Nach vorliegenden Erfahrungen aus Genehmigungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen der derzeit üblichen Leistungsklasse und Bauhöhen (bis zu 200 Metern) aus Gründen des Immissionsschutzes (Lärm, Schattenwurf, Schall) sowie der anzunehmenden optisch bedrängenden Wirkung ist ein Mindestabstand zu Wohngebieten von 500 bis 800 Metern erforderlich. Aufgrund des Vorsorgeprinzips und in der Erwartung größerer und leistungsstärkerer Anlagen wurde dieser Schutzabstand in Mecklenburg-Vorpommern als einem der ersten Bundesländer flächendeckend bereits auf 1000 Meter erweitert. Dieser Abstand wurde mittlerweile auch in vielen anderen Bundesländern eingeführt und hat sich auch dort in der Planungs- und Genehmigungspraxis bewährt. Für den Schutz besonders sensibler Nutzungen (Erholungs-, Tourismus- und Gesundheitsgebiete) wird ebenfalls ein Schutzabstand von 1000 Meter für erforderlich gehalten. Da nach der einschlägigen Rechtsprechung der 1000 Meter-Siedlungsabstand bereits einen hinreichenden Schutz vor den von Windenergieanlagen ausgehenden Immissionen und der optisch bedrängenden Wirkung gewährleistet, ist zweifelhaft, ob es gelingt, die generelle Einführung eines 2000 Meter-Mindestabstandes rechtssicher zu begründen. Des Weiteren wird auf die Antworten zu den Fragen 5 a) und b) verwiesen. 2. Welchen Einfluss hätte die Einführung entsprechender gesetzlicher Abstandsregelungen auf geltende und in Fortschreibung befindliche Regionalpläne? Die Einführung eines höhenbezogenen Mindestabstandes (sogenannte 10H - Regelung) hätte auf die geltenden und in Fortschreibung befindlichen RREP zunächst keinen Einfluss, denn es handelt sich hierbei nicht um ein Kriterium, das bei der Festlegung der für die Windenergienutzung geeigneten Flächen anzuwenden ist. Die Einführung eines höhenbezogenen Mindestabstandes würde vielmehr einer pauschalen Höhenbegrenzung gleichkommen und die Nutzung der Eignungsgebiete einschränken. Insbesondere in den Randbereichen der Eignungsgebiete könnten nur kleine, nicht so ertragsreiche, Windenergieanlagen errichtet werden. Bei einer landesweiten Festlegung eines Mindestabstandes von 2000 Metern würde, bei Beibehaltung der weiteren aktuellen Kriterien, kaum noch Raum für moderne Windenergieanlagen verbleiben. Auch ein Repowering von Windenergieanlagen wäre vielfach nicht mehr möglich. Die energiepolitischen Ziele der Landesregierung wären damit nicht mehr realisierbar. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4411 3 3. Welchen Umfang haben die aktuell in den Regionalen Raumentwicklungsprogrammen für die Windenergiegewinnung ausgewiesenen Eignungsgebiete (bitte tabellarisch für die vier Planungsregionen jeweils in ha und prozentualem Anteil an der Regionsfläche angeben)? Planungsregion Eignungsgebietsfläche in Hektar Prozentualer Anteil an der Fläche der Planungsregion Westmecklenburg 3.700 0,53 Region Rostock 2.300 0,64 Mecklenburgische Seenplatte 2.400 0,44 Vorpommern 4.700 0,66 4. Welchen Umfang haben die im Rahmen der aktuellen Teilfortschreibung der Regionalen Raumentwicklungsprogramme als potenzielle Windeignungsflächen ausgewiesenen Gebiete (bitte tabellarisch aktuellen Stand der Planungen für die vier Planungsregionen jeweils in ha und prozentualem Anteil an der Regionsfläche angeben)? Planungsregion Stand der Fortschreibung des RREP Eignungsgebietsfläche beziehungsweise Potentialsuchraum in Hektar entsprechend dem derzeitigen Stand der Fortschreibung der RREPs Prozentualer Anteil an der Fläche der Planungsregion Westmecklenburg* Es liegt noch kein Entwurf vor (lediglich Ermittlung des Potentialsuchraumes) 7.700 (einschließlich Überprüfung der Altgebiete) 1,10 Region Rostock 2. Beteiligungsverfahren abgeschlossen neu geplant 1.100; Altgebiete 2.300 (im Rahmen des 3. Beteiligungsverfahrens erfolgt eine Überprüfung der Altgebiete) 1,00 Mecklenburgische Seenplatte 1. Beteiligungsverfahren abgeschlossen 4.100 (die in den 4.100 Hektar enthaltenen Altgebiete sollen im Rahmen des 2. Beteiligungsverfahrens überprüft werden) 0,75 Vorpommern 2. Beteiligungsverfahren wird derzeit durchgeführt 6.260 (einschließlich Überprüfung der Altgebiete) 0,88 * Der Regionale Planungsverband Westmecklenburg setzt auch für Einzelhäuser/Splittersiedlungen im Außenbereich einen Mindestabstand von 1.000 Metern an. In den drei anderen Planungsregionen beträgt dieser Mindestabstand 800 Meter. Drucksache 6/4411 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Welche Auswirkungen hätte die landesweite Festlegung eines Mindestabstandes von 2.000 Metern zur Wohnbebauung auf den Ausbau der Windkraft in Mecklenburg-Vorpommern? a) Welches Flächenpotenzial stünde noch für die Ausweisung von Windeignungsgebieten im Land zur Verfügung (bitte tabellarisch für die vier Planungsregionen jeweils in ha und prozentualem Anteil an der Regionsfläche angeben)? b) Würde der Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern damit nach Auffassung der Landesregierung noch „substanziell“ Raum verschafft? Zu 5) und 5 b) Nach Auffassung der Landesregierung würde bei Einführung eines Mindestabstandes von 2000 Metern unter Beibehaltung der weiteren aktuellen Kriterien der Windenergienutzung in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr genügend substanzieller Raum verschafft werden können. Zu 5 a) Planungsregion Eignungsgebietsfläche in Hektar bei einem 2000 Meter–Abstand* prozentualer Anteil an der Fläche der Planungsregion Westmecklenburg 600 0,09 Region Rostock 0 0,00 Mecklenburgische Seenplatte 100 0,01 Vorpommern 0 0,00 * Bei der Berechnung wird davon ausgegangen, dass der Mindestabstand zu Einzelhäusern/Splittersiedlungen im Außen-bereich bei 800 Metern bleibt. Bei einer zusätzlichen Erhöhung dieses Mindestabstandes (siehe Antwort zu Frage 4 für die Planungsregion Westmecklenburg) wären die verbleibenden Potentialflächen noch wesentlich kleiner.