Der Innenminister hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/45 6. Wahlperiode 27.10.2011 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Peter Ritter und Dr. Hikmat Al-Sabty, Fraktion DIE LINKE Kommunale Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie lange leben die Asylbewerberinnen/Asylbewerber und ehemaligen Asylbewerberinnen/Asylbewerber mit Duldung durchschnittlich in der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf? Der für die Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf zuständige Landkreis Mecklenburgische Seenplatte teilte mit, dass es nicht möglich sei, durchschnittliche Aufenthaltszeiten zu ermitteln, da hierzu keine statistischen Erhebungen vorgenommen werden. 2. Wie lange lebt die am längsten dort aufhältige Person schon in der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf? Die am längsten in der Gemeinschafsunterkunft registrierte Person bezog die Einrichtung nach Mitteilung des Landkreises am 21.06.2004. Jedoch hält sich diese Person seit geraumer Zeit dort nicht mehr tatsächlich auf. Drucksache 6/45 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 3. Wie viele Personen leben in der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf in einem Raum (bitte minimale, maximale und durchschnittliche Belegungszahl angeben)? Der Landkreis teilte hierzu mit, dass in der Gemeinschaftsunterkunft ein bis maximal zwei Personen in einem Raum leben. Allerdings könne er nicht sagen, wie die durchschnittliche Belegung sei, da sich einige Familien auch Zimmer teilen. Jedoch bekämen die Familien entsprechend viele Zimmer zur Verfügung gestellt, sodass auch in diesen Fällen sich maximal zwei Personen einen Raum teilen müssten. 4. Wie viele Personen müssen sich durchschnittlich einen Herd mit Backofen sowie eine Dusche und Toilette teilen? Die Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf besitzt eine Aufnahmekapazität von insgesamt 240 Plätzen, von denen aufgrund der familiären und ethnischen Zusammensetzung der Flüchtlinge tatsächlich nur rund 180 (75 %) belegt werden können. Insgesamt sind in der Einrichtung 32 Herde mit je einer Backröhre und vier Kochstellen installiert. Bei einer Belegung mit 180 Personen stünden somit für rund 6 Personen ein Herd zur Verfügung. Zusätzlich werden in den drei Teeküchen je zwei Doppelkochplatten bereitgestellt. Ferner stehen in der Gemeinschaftsunterkunft 16 Duschen und 18 Toiletten für die weiblichen Bewohner sowie 14 Duschen und 14 Toiletten für die männlichen Bewohner zur Verfügung. 5. Wie wird gewährleistet, dass die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen ihrer Schulpflicht nachkommen können? Sobald eine Familie mit schulpflichtigen Kindern der Gemeinschaftsunterkunft in Jürgenstorf zugewiesen wird, wird über den Betreiber der Einrichtung der Kontakt zur Schule hergestellt, so dass alle schulpflichtigen Kinder ihrer Schulpflicht nachkommen können. Die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen aus der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf werden derzeit in der Reuterstädter Gesamtschule Stavenhagen beschult. Die Gesamtschule Stavenhagen bietet die Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund seit dem Jahr 2000 an. Von 2005 bis 2009 beteiligte sich die Schule als eine von vier Modellschulen in Mecklenburg- Vorpommern am Modellprogramm „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund“ und verfügt dadurch über gute Erfahrungen in der Integration und Sprachförderung dieser Zielgruppe. Die ersten Schüler aus ehemaligen Förderklassen haben bereits das Abitur abgelegt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/45 3 Im Interesse einer kontinuierlichen Zusammenarbeit mit den Eltern der Schülerinnen und Schüler führt die Schule Elternversammlungen in der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf durch, da die Eltern in der Regel nicht alle in die Schule kommen. Diese Veranstaltungen werden durch Dolmetscher des Migrationsdienstes Greifswald begleitet. Zur Absicherung der Erfüllung der Schulpflicht wurden den Familien folgende Hilfestellungen gegeben: Für berechtigte Bedarfsfälle von Fehltagen haben die Eltern Muster für Entschuldigungen. Auch die Schülerinnen und Schüler sind über die Einhaltung ihres individuellen Stundenplanes belehrt worden und ihre Anwesenheit wird wie bei allen Schülern der Schule überprüft. Das Verfahren bei Versäumnissen wird grundsätzlich für alle Schülerinnen und Schüler der Schule gleich gehandhabt. Es beinhaltet die Information an die Eltern, pädagogische Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen, im Ergebnis versäumten Unterrichts die Registrierung der Fehlstunden und bei Bedarf die Nacharbeit. 6. Wie wird gewährleistet, dass noch nicht schulpflichtige Kinder ihren Anspruch auf einen Kindergartenplatz realisieren können? Nach § 3 Absatz 1 des Kindertagesförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KiföG M-V) haben Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Mecklenburg-Vorpommern ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Eintritt in die Schule einen Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung. Die landesgesetzliche Regelung des § 3 Absatz 1 Kindertagesförderungsgesetzes Mecklenburg -Vorpommern entspricht der bundesgesetzlichen Regelung des § 24 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII), wonach ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt einen Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung hat. Im Übrigen unterscheidet das Kindertagesförderungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht zwischen Kindern mit oder ohne Migrationshintergrund. Nach § 6 Absatz 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch können Ausländer Leistungen nach dem SGB VIII nur beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Der gewöhnliche Aufenthalt ist definiert als der Ort, an dem sich eine Person unter Umständen aufhält, die objektiv erkennen lassen, dass sie an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt. Er ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn und solange der Aufenthalt nicht auf Beendigung angelegt, sondern zukunftsoffen ist. Die Feststellung, ob ein tatsächlicher Aufenthaltsort gewöhnlicher Aufenthalt im Rechtssinn ist, erfordert eine Prüfung im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung subjektiver, objektiver, tatsächlicher und rechtlicher Umstände. Drucksache 6/45 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Tatsächlich sind zuständig für die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung des Kindertagesförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern die Landkreise und kreisfreien Städte in ihrer Eigenschaft als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte hat hierzu mitgeteilt, dass durch den in Jürgenstorf gelegenen Kindergarten grundsätzlich auch die Kinder von Asylbewerberinnen /Asylbewerben und ehemaligen Asylbewerberinnen/Asylbewerbern mit Duldung aufgenommen werden. Bei berufstätigen Eltern werden deren Kinder besonders berücksichtigt . Kinder im Vorschulalter werden regelmäßig im Kindergarten aufgenommen. 7. Wie ist der Zugang zu Fachärztinnen/Fachärzten, insbesondere zu Psychologinnen/Psychologen sichergestellt? Die Bewohner der Unterkunft können sich durch ihre Hausärztin/ihren Hausarzt an eine Psychologin beziehungsweise einen Psychologen überweisen lassen. Die Notwendigkeit der Behandlung durch eine Spezialärztin oder durch einen Spezialarzt wird bei Empfängern von Leistungen nach §§3 fortfolgende Asylbewerberleistungsgesetz dann durch das Sozialamt in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt des Landkreises unter Beachtung der Regelungen in den §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz geprüft. Wird im Ergebnis der Prüfung festgestellt, dass die Behandlung notwendig ist, wird diese auch sichergestellt. Die erforderlichen Behandlungs- und Fahrtkosten werden vom Landkreis übernommen. Die Krankenbehandlung von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz , die nicht versichert sind, wird gemäß § 264 Absatz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch von der Krankenkasse übernommen. 8. Wie ist gewährleistet, dass die in der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf untergebrachten Personen ihre Belange, Bedürfnisse und Befindlichkeiten unmissverständlich zum Ausdruck bringen können? In der Regel werden die Bewohner durch Rechtsanwälte vertreten, die die Interessen ihrer Mandanten gegenüber der Ausländerbehörde und dem Sozialamt oder anderen Ämtern zum Ausdruck bringen. Darüber hinaus nutzen Bewohner, die sich nicht hinreichend in der deutschen Sprache artikulieren können, auch deutsch sprechende Landsleute, die ebenfalls in der Unterkunft wohnen oder dort zu Besuch sind. Ferner verfügen die Betreuerinnen über englische und russische Sprachkenntnisse im Sinne der Nummer 5.1 der Richtlinie für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung der Bewohner. Im Übrigen haben die Bewohner die Möglichkeit, in der Gemeinschaftsunterkunft einen Deutschkurs zu besuchen, der durch die Volkshochschule angeboten wird. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/45 5 9. Inwieweit wird bei der Unterbringung auf individuelle Bedürfnisse sowie fluchtspezifische Problemlagen der Heimbewohnerinnen /Heimbewohner wie Traumatisierungen und Gewalterfahrungen Rücksicht genommen? Im Rahmen der Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft in Jürgenstorf wird versucht, hinsichtlich der Belegung (nationenbedingt) Konfliktsituationen zu vermeiden und auf entsprechende Bedürfnisse einzugehen. 10. Inwieweit verfügt das Personal vor Ort über interkulturelle Kompetenzen (Kommunikations-, Handlungs- und Konfliktlösungsfähigkeiten ) sowie sichere Fremdsprachenkenntnisse? Aufgrund der langjährigen Erfahrungen in der Betreuung von Bewohnern von Gemeinschaftsunterkünften verfügen die vor Ort eingesetzten Betreuerinnen über die erforderlichen Kompetenzen. Ihnen gelingt es, Vertrauen aufzubauen und Konfliktsituationen weitestgehend zu vermeiden. Im Übrigen wird auf Satz 3 der Antwort zu Frage 8 verwiesen.