Der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 16. April 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/456 6. Wahlperiode 17.04.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Planungen der Bundesstraße 96n auf Rügen und ANTWORT der Landesregierung Im Zusammenhang mit den Planungen der Bundesstraße 96n auf Rügen werden die Verkehrsprognose für 2025, die von einem Autoverkehrsvolumen von durchschnittlich 25.000 Kfz/Tag ausgeht, und die Planungsannahme , dass ein Ausbau der bestehenden Bundesstraße 96 unter Verkehrslast nicht möglich ist, als Gründe für die Ausführung als Neubau angeführt. 1. Sind dies die beiden maßgeblichen Entscheidungskriterien, die eine Planung als Neubau zwangsläufig vorgaben? a) Welche weiteren maßgeblichen Entscheidungskriterien wurden herangezogen? b) Wie sah die Rangfolge der Priorität zwischen den Entscheidungskriterien aus? Die Fragen 1, 1a) und 1b) werden zusammenhängend beantwortet. Der Bedarf für den Neubau der Bundestraße 96 (B 96n) ist durch den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (2004) als Anlage zum Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen (Fernstraßenausbaugesetz - FStrAbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2005 (BGBl. I S. 201), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833), festgestellt. Drucksache 6/456 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Für den Neubau der B 96 sprechen dabei grundlegende Sachverhalte: Die Verkehrssituation auf Rügen wird durch den touristischen Verkehr bestimmt. In den Monaten Mai bis September sind die Hauptverkehrsstraßen [B 96 und Landesstraße 29 (L 29)], die gleichzeitig auch die Verbindungstraßen zu den touristischen Zentren darstellen, bereits heute stark überlastet. Dies führt zu einer hohen Stauanfälligkeit, erheblichen Zeitverlusten und einer eingeschränkten Erreichbarkeit der Insel Rügen, nicht zuletzt auch für Einsatzfahrzeuge, wie zum Beispiel Krankentransporte oder die Feuerwehr. Für den Bedarf beziehungsweise den Neubau sind nicht nur die absolute Verkehrsmenge, sondern letztlich auch die Besonderheiten des touristischen Verkehrs auf der Insel Rügen maßgebend. Weitere Entscheidungskriterien waren die Entwicklungspotenziale gemäß der aktuellen Landesplanung, wie zum Beispiel des Fährhafens Sassnitz mit den dortigen Gewerbeflächen. Ein Ausbau der bestehenden B 96 hätte zur Folge, dass der Verkehr während der Bauzeit über alternative Strecken auf der Insel geführt werden müsste. Da dies mangels geeigneter Straßen nicht möglich ist, müsste für die Bauzeit temporär eine Ersatzstraße (mit Neu- und Ausbauabschnitten) neben der bestehenden B 96 hergestellt werden. Diese Ersatzstraße würde zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Im Sinne von Prioritäten ist festzustellen, dass die Beseitigung des bestehenden Engpasses auf der B 96 die höchste Priorität hat. Alle Ausbauvarianten leiden an dem Problem der Anbindung des nachgeordneten Straßennetzes und der bereits vorhandenen Zufahrten zur bestehenden B 96, denn insbesondere hierdurch wird der Verkehrsfluss erheblich beeinträchtigt. Ein paralleles Erschließungswegenetz ist kaum umsetzbar, weil die bestehende B 96 gerade dort liegt, wo die aktuellen Zufahrten angebunden werden müssen. Außerdem entstünden bei Einrechnung eines zumindest teilweise neu herzustellenden Erschließungsstraßennetzes deutlich höhere Kosten und eine ebenfalls erheblich größere Gesamt-Versiegelungsfläche. Verzichtet man allerdings auf Erschließungsstraßen, entstehen durch die Vermischung des langsam fahrenden Verkehrs mit dem schnellen Durchgangsverkehr (die Entwurfsgeschwindigkeit beträgt 100 km/h (Kilometer pro Stunde)) erhebliche Risiken für die Verkehrssicherheit. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/456 3 2. Welchen Entscheidungsträgern bzw. welchen von diesen zu vertre- tenden Institutionen wurde die im Februar/März 2012 in Frage 1 angezeigte und erneut validierte Verkehrsprognose zur Bestätigung der bereits vorgenommenen Entscheidungen und zur Weiterverfolgung der aktuellen Planungen vorgelegt? a) Welche regionalen, Mecklenburg-Vorpommern und das Einzugs- gebiet Rügen betreffenden Annahmen bezüglich der Autoverkehrsentwicklung liegen der Prognose zugrunde? b) Welche Annahmen im bundesdeutschen Rahmen liegen der Prognose zugrunde? Die Fragen 2, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Die Verkehrsprognose 2025 (zuletzt aktualisiert im März 2009) wurde im Auftrag der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) auf Veranlassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet und diesem vorgelegt. Grundlage der Verkehrsprognose ist die Verkehrsprognose 2025 des Bundes. Diese bildet die Verkehrsentwicklung und die Verkehrsverflechtung auf der Basis von Kreisregionen (Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern) ab und ist im Rahmen der Bedarfsplanung für Bundesstraßen verbindlich anzunehmen. Der Bericht zur Verkehrsprognose und deren Vielzahl an zugrunde liegenden Annahmen sind auf der Internetseite des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) veröffentlicht (http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/UI/verkehrsprognose-2025.html). 3. Was ist unter einer qualifizierten Bürgermeinung, wie Sie für Herrn Minister Schlotmann nach Aussage von dem Verantwortlichen für Planung und Ausführung der Bundesstraße 96n im Ministerium wichtig sei, zu verstehen und wie wird die qualifizierte Bürgermeinung angesichts der Tatsache, dass es im Fall der Bundesstraße 96n weder einen Bürgerentscheid noch einen eindeutigen Beschluss des Kreistages gegeben hat, erfasst? 4. Wie ist die qualifizierte Bürgermeinung gemäß Frage 3 in das Planfeststellungsverfahren zur Trassenführung der Bundesstraße 96n eingeflossen und in welchen einzelnen Fällen war die qualifizierte Bürgermeinung gemäß Frage 3 für das Planfeststellungsverfahren maßgeblich? Die Fragen 3 und 4 werden zusammenhängend beantwortet. Eine Form des qualifizierten Bürgerwillens ist nach Auffassung der Landesregierung die Beschlusslage der maßgeblichen Vertretungsgremien. Sowohl der Kreistag des Landkreises Rügen als auch die Gemeindevertretungen der hauptsächlich betroffenen Gemeinden Rambin und Samtens haben dem Neubau der B 96n zugestimmt. Ablehnende Beschlusslagen anderer Gemeinden sind der Landesregierung nicht bekannt. Drucksache 6/456 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Insoweit ist der Bürgerwille in die Entscheidung zum Neubau der B 96n auf der Insel Rügen in die Planung eingegangen. Der Plan zum Neubau der B 96n fußt auf dem vom Deutschen Bundestag festgestellten vordringlichen Bedarf für diese Maßnahme. Diese Gesetzeslage wird insoweit durch die Landesregierung, vertreten durch das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung , nach Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes vollzogen. Ein Bürgerentscheid über den Bau der B 96n wäre nach dem geltenden Bundes- und Landesrecht nicht zulässig. 5. Wie lautet der aktuelle Stand zu den Baukosten? a) Mit welchen Mehrkosten ist nach heutigem Stand zu rechnen (absolut und prozentual)? b) Welche Auswirkungen haben die veränderten Kalkulationen auf den 2. Bauabschnitt? c) Gibt es Möglichkeiten angesichts der aktuellen Kostensteigerungen zwischen Altefähr und Samtens noch Veränderungen an den Planungen vorzunehmen und wenn ja, wie können die Bürger auf diese Veränderungen der Planung Einfluss nehmen? Die Fragen 5 und a) werden zusammenhängend beantwortet. Zum aktuellen Stand der Kosten wird zunächst auf die Antwort zu Frage 5 b) der Kleinen Anfrage auf Drucksache 6/151 vom 16.01.2012 verwiesen. Seit Ende März liegt der Entwurf der Kostenfortschreibung der DEGES vor, der nunmehr geprüft und sodann zur Genehmigung dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zugeleitet wird. Nach der Mitteilung der DEGES erhöhen sich die Baukosten für den Südabschnitt von Altefähr bis Samtens auf rund 80,3 Mio. Euro. Grund hierfür ist zum einen ein veränderter Maßnahmenzuschnitt. Aus verkehrlicher Sicht war es erforderlich, die Umfahrung Samtens vollständig und nicht, wie ursprünglich geplant, nur bis zur Landesstraße 30 herzustellen. Zum anderen sind hierfür Baupreissteigerungen, vor allem bei den bituminösen Baustoffen, und die aus naturschutzfachlichen Gründen erforderliche Ausführung der Bahnquerung bei Scharpitz als Trogbauwerk ursächlich. Die durch das Trogbauwerk bedingten deutlich höheren sicherheitsrelevanten Vorkehrungen und weitere Folgemaßnahmen, wie zum Beispiel die bauzeitliche Verlegung der Bahntrasse in einem Teilbereich und damit einhergehende zusätzliche Arbeiten an den Oberleitungen und der Signaltechnik, verursachen zusätzliche Kosten. Zu b) und c) Der Planfeststellungsbeschluss ist bestandskräftig. Es sind derzeit keine das Baurecht betreffenden Änderungen geplant, die eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in einem Planfeststellungsverfahren vorsehen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/456 5 6. Welche Auswirkungen haben die veränderten Kalkulationen auf andere Bauvorhaben in Mecklenburg-Vorpommern? Erhöhte Ausgaben bei einem Bauvorhaben haben angesichts begrenzter Haushaltsmittel Einfluss auf andere Baumaßnahmen, wie zum Beispiel längere Bauzeiten oder spätere Baubeginne. 7. Liegen für den zum Schutze der lokalen Vogelwelt vor Lärm- und Sichtemissionen im Osten Rambins auf mehreren hundert Metern errichteten, in Tropenholz ausgeführten Bausichtzaun Holzzertifikate vor (z. B. FSC), die ausschließen, dass es sich um Holz aus unverantwortlicher Forstwirtschaft, d. h. um Raubbauholz handelt und liegen für die weiteren Holzbaumaterialien, wie z. B. Schalungsholz, derartige Nachweise vor? Grundlage der Ausschreibung der Bauleistungen für den Schutzzaun war die damals verbindlich anzuwendende Fassung der „Zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau“ (ZVB/E-StB). Sie sah die Vorlage eines Zertifizierungsnachweises für Holzprodukte nicht als Bauvertragsbestandteil vor (unabhängig davon weist der Lieferschein als Material der Pressspanplatten die im Herstellungsland Brasilien nicht heimische, aber in Plantagen angebaute Pinus elliottii aus). Alle zeitlich an den Schutzzaunbau anschließenden Ausschreibungen beziehen sich auf die aktuell gültige Fassung der ZVB/E-StB, die die Vorlage eines Zertifikates des Forest Stewardship Council® (FSC) oder des PEFC Deutschland e. V. (PEFC für: Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes (Programm für die Anerkennung von Forstzertifizierungssystemen)) beziehungsweise eines Gleichwertigkeitsnachweises für Holzprodukte vom Auftragnehmer verlangt.