Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 23. November 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4682 6. Wahlperiode 24.11.2015 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Karen Stramm, Fraktion DIE LINKE Psychotherapeutische Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Entsprechend den Antworten der Landesregierung auf meine Kleinen Anfragen auf den Drucksachen 6/3572 und 6/4548 verfügt die Landesregierung über keine Zahlen der durchschnittlichen Wartezeiten auf psychotherapeutische Behandlungen in Mecklenburg-Vorpommern. Ab dem 23.01.2016 muss nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz jedem Versicherten über die Terminservicestellen ein Behandlungstermin bei einem Facharzt innerhalb von vier Wochen angeboten werden. 1. Welche Organisation verfügt über Zahlen und Fakten zu den Wartezeiten auf psychotherapeutische Behandlung in Mecklenburg- Vorpommern? Die individuellen Wartezeiten für Ersttermine in Psychotherapeutischen Praxen werden nach Kenntnis der Landesregierung von keiner zentralen Stelle oder Organisation erfasst. Anfragen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KVMV) und der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer (OPK) waren diesbezüglich negativ. Drucksache 6/4682 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Warum liegen der Landesregierung keine konkreten Zahlen über die durchschnittlichen Wartezeiten auf psychotherapeutische Behandlung vor? Die individuelle Wartezeit auf ein psychotherapeutisches Erstgespräch oder auf die erste Therapiestunde kann von Natur aus nicht valide erfasst werden. Alle Aussagen zu mittleren Werten oder Durchschnitten basieren auf Befragungen von Patienten oder Therapeuten. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat 2011 zuletzt eine solche Befragung bei 18.149 niedergelassenen Psychotherapeuten durchgeführt. Mit mittleren 20 Wochen bis zur ersten Therapiestunde lagen die 67 Therapeuten aus Mecklenburg-Vorpommern, die sich aktiv an der Befragung beteiligten, auf Bundesdurchschnitt und in Bezug auf das Erstgespräch mit 12 Wochen bis zum Erstgespräch deutlich höher als der Bundesdurchschnitt (8 Wochen). In einer Befragung der AOK-Nordost unter Facharztpraxen für Psychosomatik und Psychotherapie wurden Wartezeiten von durchschnittlich 12 Tagen bis zu einem ersten Termin erhoben, in einem zusätzlich befragten Psychotherapie-Institut wurden mittlere 9 Tage angegeben. Die veröffentlichten statistischen Ergebnisse der genannten Erhebungen sind jedoch bei der angewendeten Methodik der retrospektiven Befragung nur als Schätzungen aus der subjektiven Sicht der einzelnen Therapeuten zu interpretieren. Die Spanne zwischen den einzelnen Psychotherapieanbietern von wenigen Tagen bis mehrere Wochen oder gar Monaten lässt sich frei interpretieren. Die wahre Wartezeit kann im Einzelfall für den Betroffenen erheblich länger oder kürzer sein. Befragungen von Therapiesuchenden und Patienten sind grundsätzlich methodisch und aus datenschutzrechtlichen Gründen noch schwieriger. Die anonyme Umfrage „Wie lange dauert es, bis ein Psychotherapieplatz gefunden ist?“ wandte sich in 2011 auf der Internetseite www.depressionsliga.de direkt an Betroffene. Die Ergebnisse wurden auf der Homepage veröffentlicht. Demnach kamen circa 48% innerhalb 4 Wochen zu einem Erstgespräch, weitere 16% innerhalb 4-8 Wochen, weitere 16% innerhalb 2-4 Monaten. Unter den 367 Teilnehmern waren nur vier aus Mecklenburg-Vorpommern, sodass keine konkreten Rückschlüsse auf die Landessituation gezogen werden können. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich die psychotherapeutische Versorgung in unserem Bundesland seit den oben genannten Erhebungen weiter verbessert hat, da mit der Änderung der Bedarfsplanungsrichtlinie zum Jahr 2013 in Mecklenburg-Vorpommern zusätzlich zu den bereits vorhandenen circa 200 Therapeuten rund 100 weitere eine Zulassung erhalten haben. Die Psychotherapeuten bilden damit in der Gesamtzahl die zweitgrößte Gruppe nach den Hausärzten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4682 3 3. Wo gibt es in Mecklenburg-Vorpommern psychotherapeutische Sprechstunden gemäß der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses bzw. bis wann sollen entsprechende Sprechstunden wo eingerichtet werden? Gemäß § 92 Absatz 6a Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt worden, in den Psychotherapie-Richtlinien Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zu Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Gutachter- und Antragsverfahrens zu treffen. Diese Regelungen liegen aber noch nicht vor. Der Gesetzgeber hat eine Umsetzung bis zum 30. Juni 2016 vorgesehen. Die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern hat im Vorgriff auf die zu erwartenden Beschlüsse des G-BA mit der Technikerkrankenkasse einen Sondervertrag zur Förderung der psychotherapeutischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern geschlossen. Dieser Vertrag beinhaltet unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen die Aufhebung des Gutachterverfahrens, die Förderung der Gruppenpsychotherapie, das Angebot von Sprechstunden sowie ein Konzept zur Überweisungssteuerung für einen schnelleren Zugang. 4. Wie will Mecklenburg-Vorpommern gewährleisten, dass jeder Versicherte auch bei der psychotherapeutischen Versorgung ab 2016 einen Behandlungstermin innerhalb von vier Wochen erhält? Mit der Aufnahme ihrer Tätigkeit Ende Januar 2016 wird die Vermittlung von Terminen bei Psychotherapeuten noch nicht zum Aufgabenbereich der bei der Kassenärztlichen Vereinigung einzurichtenden Terminservicestellen gehören. Dies hat der Gesetzgeber vielmehr zeitlich mit dem Vorliegen der Novellierung der Psychotherapie-Richtlinien des GBA verknüpft. Mithin wird dies voraussichtlich zum 01.01.2017 umgesetzt (siehe Gesetzbegründung zu § 75 Absatz 1a SGB V). Die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KVMV) hat schon seit vielen Jahren eine Mitarbeiterin, die aufgrund freiwilliger Angaben der Psychotherapeuten freie Therapieplätze vermittelt. Die Kontaktdaten sind auf der Homepage der KVMV veröffentlicht. Grundsätzlich ist Terminvergabe für ein psychotherapeutisches Gespräch nur bedingt mit der Vergabe eines Facharzttermins vergleichbar. Bereits für den Erstkontakt sind durch Therapeut und Patient Auswahlentscheidungen zu treffen, die wiederum Vorlaufzeit beanspruchen. Drucksache 6/4682 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Wie will die Landesregierung die Umsetzung des GKV- Stärkungsgesetzes bei den Wartezeiten auf psychotherapeutische Versorgung mangels Daten kontrollieren? Eine sichere Erfassung und Kontrolle seitens der Landesregierung von individuellen Wartezeiten ist entsprechend den Ausführungen zu Frage 1 und 2 nicht möglich. Nach Einrichtung der Terminservicestellen wird jedoch die dann hierüber erfolgte Vermittlung zeitlich messbar sein. 6. Wie erfolgt gegenwärtig die psychotherapeutische Versorgung von Menschen in akuten psychischen Notlagen? Für die psychiatrische, psychosomatische und psychotherapeutische Versorgung und Notversorgung stehen in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche ambulante und stationäre Institutionen zur Verfügung. Aktuell sind 72 ärztliche und 230 psychologische Psychotherapeuten (darunter 62 Kinderund Jugendpsychotherapeuten) im Land in Niederlassung tätig. Daneben bestehen drei weitere persönliche fachärztliche Ermächtigungen. Hinzu kommen Ärzte und Psychologen in 25 psychiatrischen Institutsambulanzen. Genannte Berufsgruppen mit entsprechender Approbation aber ohne eigene Zulassung seitens der KVMV können im Bedarfsfall auf Kostenerstattung gemäß § 13 Absatz 3 SGB V tätig werden. Hierzu ist ein Antrag seitens des Versicherten bei seiner Krankenkasse erforderlich. Zusätzlich sind auch Psychotherapien bei Therapeuten mit einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz möglich, deren Kostenerstattung im Einzelfall zu klären ist. Eine ergänzende Möglichkeit für insbesondere soziale Konfliktlagen stellt die psychologische Beratung nach § 1 Absatz 3 Satz 3 des Psychotherapeutengesetzes außerhalb der Heilkunde dar, wie sie in öffentlichen, kirchlichen und städtischen Beratungsstellen kostenfrei oder gegen ein kleines Entgelt angeboten wird. Für die stationäre psychotherapeutische Behandlung nach SGB V stehen zwei Kliniken für Psychosomatik und zehn Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie zur Verfügung. Die teilstationäre psychotherapeutische Behandlung kann in drei Tageskliniken für Psychosomatik und in 35 Tageskliniken für Psychiatrie und Psychotherapie abgesichert werden. Des Weiteren stehen im Land neun psychosomatische Fachkliniken zur Verfügung, welche gemäß Sechstes Buch Sozialgesetzbuch und Siebtes Buch Sozialgesetzbuch durch Krankenkassen, Unfallkassen und Rentenversicherungsträger belegt werden. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4682 5 Ein Spezialangebot sind die sechs Trauma-Ambulanzen, in denen für Opfer nach Gewalttaten gemäß Opferentschädigungsgesetz fünf bis elf Therapiesitzungen vom Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern übernommen werden. Im Falle ursächlichen, mitursächlichen oder komorbiden Substanzmissbrauchs, Suchterkrankung oder Substanzgebrauchsstörung stehen zusätzlich die zahlreichen und umfänglichen psychotherapeutischen Hilfsangebote der stationären und ambulanten Suchthilfe zur Verfügung. 7. Wie lange müssen diese Menschen zurzeit auf eine psychotherapeutische Behandlung in Mecklenburg-Vorpommern warten? Die unter 6. aufgeführten Institutionen stehen für fachliche Hilfen den Betroffenen mittelbar und unmittelbar zur Verfügung. Inwieweit im Rahmen dieser Hilfen eine psychotherapeutische Behandlung tatsächlich indiziert ist, bedarf in jedem Falle einer soliden diagnostischen Abklärung. Wenn seitens der Landes- und Bundesverbände der Psychotherapeuten ein generelles Primat der Psychotherapie zur Behandlung aller psychischen Störungen postuliert wird, bedeutet dies nicht, dass eine psychotherapeutische Behandlung zeitlich an erster Stelle steht beziehungsweise sofort stattfinden muss. Stattdessen ist die reine Psychotherapie vielmehr in Ergänzung und Erweiterung zur psychiatrischen, psychosomatischen und allgemeinmedizinischen hausärztlichen Behandlung zu etablieren. Wie bereits den Drucksachen 6/3572 und 6/4548 sowie den Ausführungen zu Frage 2 zu entnehmen ist, kann diese Frage gegenwärtig nicht weiter beantwortet beziehungsweise nicht mit konkreten Zahlen unterlegt werden.