Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/4692 6. Wahlperiode 22.12.2015 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Jürgen Suhr, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schutz und Pflege von Hochwasserschutzdünen und ANTWORT der Landesregierung Im Rahmen einer Petition an den Petitionsausschuss des Landtages Mecklenburg-Vorpommern kritisierten Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Zingst mangelhafte Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen für Hochwasserschutzdünen an der Außenküste Mecklenburg-Vorpommern. Ziel der Bürgerinnen und Bürger ist es, dass die für Küstenschutz zuständige Behörden die ordnungsgemäßen Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen für die Hochwasserschutzdünen gewährleisten. Dazu gehören sichtbare Abgrenzungen über die üblichen Drahtabspannungen, regelmäßige Nachpflanzungen mit Strandhafer und sichtbare Informationen für Strandbesucherinnen und -besucher über die Bedeutung und den notwendigen Schutz der Dünen. 1. Welche Maßnahmen sind notwendig, um die Schutzfunktion von Hochwasserschutzdünen dauerhaft zu erhalten? Hochwasserschutzdünen müssen das Durchbrechen der See bei Sturmfluten in das Dünenhinterland verhindern. Entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass sie ein ausreichendes Sandvolumen besitzen. Dieses lagert sich bei Sturmfluten aus der Düne in Strand und Vorstrand um und erzeugt dadurch eine Strandausgleichsneigung vor der Düne, auf der sich die Kraft der Brandung abbaut. Das Sandvolumen der Düne muss so bemessen sein, dass auch bei Eintritt der Bemessungssturmflut (ein Ereignis, das statistisch einmal in 200 Jahren eintritt ) am Ende der Sturmflut noch ein Restquerschnitt der Düne vorhanden ist und das Wasser nicht in das Hinterland eindringen kann. Zentrale Aufgabe der Dünenunterhaltung ist es deshalb, das Sandvolumen der Dünen in einer Kubatur zu halten, die zur Kehrung der Bemessungssturmflut erforderlich ist. Drucksache 6/4692 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Da sich die meisten Hochwasserschutzdünen in Küstenabschnitten befinden, die natürlichen Küstenrückgang aufweisen, ist der Ausgleich des natürlichen Sedimentdefizits dieser Küstenabschnitte durch künstliche Sandzufuhr mittels Aufspülung aus marinen Sandlagerstätten die wichtigste Maßnahme zur Erhaltung der Schutzfunktion der Dünen. Ergänzend dazu muss verhindert werden, dass der Sand aus Strand und Dünen in das Dünenhinterland verweht, da er dort für die Schutzfunktion wirkungslos wird. Dazu sind die Dünen mit Strandhafer bepflanzt. Bei Dünenverstärkungen durch Sandaufspülung erfolgen Strandhaferbepflanzungen . Ein guter Strandhaferbestand bewirkt, dass vom Wind bewegter Sand im Dünenbereich akkumuliert und dadurch die Dünenhöhe zunimmt. Außerdem verhindert er Auswehungen in der Düne, die zu lokalen Schwachstellen führen könnten. Die Kontrolle des Dünenbewuchses und die Nachpflanzung von Fehlstellen sind daher ebenfalls notwendige Dünenunterhaltungsmaßnahmen . Dem Schutz des Dünenbewuchses dient auch das im Landeswassergesetz normierte Betretungsverbot der Dünen, das bisher durch das Ziehen eines Absperrdrahtes auch optisch verdeutlicht wurde. 2. Wie entwickelten sich die finanziellen Aufwendungen für Schutz und Pflege von Hochwasserschutzdünen an den Küsten des Landes in den letzten drei Haushaltsperioden? Für die wasserwirtschaftliche Unterhaltung waren im Landeshaushalt - seit 2010 zu circa einem Drittel aus dem Wasserentnahmeentgelt - folgende Mittel eingeplant: Jahr eingeplante Mittel (in Mio. Euro) 2010 5,508 2011 5,442 2012 5,042 2013 5,042 2014 5,543 2015 5,643 Entsprechend der notwendigen Prioritätensetzung wurden von diesen Haushaltsmitteln folgende Summen für Dünenpflegearbeiten eingesetzt: Jahr eingesetzte Mittel für Dünenpflegearbeiten (in TEUR) 2010 425 2011 464 2012 481 2013 318 2014 323 2015 (Stand: November 2015) 84 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4692 3 3. Kann die Landesregierung die Pflege und Erhaltung der Hochwasserschutzdünen mit den zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Mitteln sicherstellen und wenn nicht, in welchen konkreten Küstenabschnitten sind Defizite durch z. B. mangelnde Bepflanzung, zu starke touristische Nutzung, unvollständige Abgrenzung und Ausschilderung bekannt? a) Wenn die Landesregierung die Pflege und Erhaltung der Hochwasserschutzdünen mit den zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Mitteln nicht allumfassend sicherstellen kann, welche finanziellen und personellen Mitteln wären im Vergleich mit dem aktuellen Haushaltsansatz notwendig, um diese Aufgabe umfänglich zu bewältigen? b) Wenn die für den Schutz der Dünen zuständigen Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt aus personellen bzw. finanziellen Gründen den Schutz und die Pflege der Hochwasserschutzdünen nicht umfänglich sicherstellen können, welche Möglichkeiten bestehen, um z. B. Kommunen bei der Sicherung der Dünen vor z. B. starker touristischer Nutzung zu unterstützen? Zu 3 und a) Die Dünenunterhaltung ist eine Teilaufgabe der wasserwirtschaftlichen Unterhaltung, die von den Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt durchgeführt wird. Die dafür zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Ressourcen erfordern bei der Aufgabenerfüllung eine Prioritätensetzung. Die Maßnahmen der Dünenunterhaltung sind daher im Gesamtkontext der wasserwirtschaftlichen Unterhaltung zu sehen. Durch die Einstellung der Dünenabzäunung ist landesweit eine Häufung von Verstößen gegen das Dünenbetretungsverbot zu verzeichnen. Bislang ist es dadurch aber nicht zu einer Abnahme der Leistungsfähigkeit der Dünen gekommen. Die Funktionsfähigkeit der Hochwasserschutzdünen ist nach aktuellem Stand überall gegeben. Die weitere Entwicklung muss beobachtet und fortlaufend neu bewertet werden. Im Fall von auftretenden Schäden, die die Leistungsfähigkeit der Dünen beeinträchtigen, muss die Priorität von Gegenmaßnahmen (zum Beispiel die erneute Abzäunung) im Kontext der gesamten wasserwirtschaftlichen Unterhaltungsaufgaben neu beurteilt werden. Zu b) Die Unterhaltung der Dünen ist eine gesetzliche Pflichtaufgabe, die mit dem Landeswassergesetz primär Küstenschutzverbänden zugewiesen wurde. Aufgrund einer Übergangsregelung bis zur Errichtung dieser Küstenschutzverbände obliegt die Aufgabe gegenwärtig den Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt. Eine freiwillige Übernahme von Dünenpflegearbeiten durch die Kommunen ist daher nach kommunalem Haushaltsrecht ausgeschlossen . Drucksache 6/4692 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Als örtliche Ordnungsbehörden könnten die Kommunen Verstöße gegen das Dünenbetretungsverbot aufnehmen und zur Verfolgung und Ahndung an die für Ordnungswidrigkeiten nach dem Landeswassergesetz zuständigen Landräte oder Oberbürgermeister der kreisfreien Städte weiterleiten. Diesbezügliche Kontrollen der rund 100 Kilometer Hochwasserschutzdünen können derzeit weder von den Kommunen noch von der Gewässeraufsicht der Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt geleistet werden. Dies gilt auch für die Verfolgung und Ahndung. 4. Hochwasserschutzdünen sind nach § 20 Naturschutzausführungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern geschützte Biotope. In welchem Maße wurden in den letzten zehn Jahren Flächen dieser Dünen durch anderweitige Nutzung und nach entsprechenden naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen in Anspruch genommen bzw. dauerhaft zerstört (bitte Veränderung der Gesamtflächen von Hochwasserschutzdünen im Jahresvergleich angeben)? Hochwasserschutzdünen sind als anthropogen überformte Dünen den gesetzlich geschützten Biotopen nach § 20 Naturschutzausführungsgesetz (NatSchAG M-V) nur in denjenigen Fällen zuzuordnen, in denen natürliche Merkmale der Düne überwiegen. In den letzten zehn Jahren wurden keine naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen für Inanspruchnahme oder dauerhafte Zerstörung solcher gesetzlich geschützten Biotope erteilt. 5. In welchem Umfang werden die für den Schutz vor Extremereignissen notwendigen Kronenbreiten bei Dünen von 40 bis 45 Meter (Quelle: Generalplan Küsten- und Hochwasserschutz Mecklenburg- Vorpommern, 1994; Landesministerium für Bau, Landesentwicklung und Umwelt M-V) auf der gesamten Länge der Hochwasserschutzdünen an den Küsten des Landes erreicht? Die Angaben des Generalplans, den 2010 das Regelwerk Küstenschutz ersetzte, wurden zwischenzeitlich durch Berechnungen konkretisiert, die die lokalen Bedingungen (Exposition des Küstenabschnitts, Tiefenverhältnisse im Vorstrandbereich, Windeinwirklänge, Körnung von Strand und Düne) berücksichtigen. Diese konkretisierten Solldünenabmessungen sind die Grundlage für deren Sicherheitsüberprüfung. Sobald Dünen infolge des natürlichen Küstenrückgangs nur noch die Solldünenabmessung aufweisen, muss der seewärts davon angeordnete Dünenverschleißteil durch künstliche Sandvorspülung wiederhergestellt werden. Der Verschleißteil wird so bemessen, dass er - in Abhängigkeit von den eintretenden hydrodynamischen Belastungen - für circa fünf bis zehn Jahre die Sandverluste infolge des natürlichen Küstenrückgangs ausgleichen kann. Danach muss die nächste Wiederholungssandvorspülung erfolgen. Gegenwärtig besitzen alle Hochwasserschutzdünen die erforderliche Solldünenabmessung und Verschleißteile in unterschiedlichen Abarbeitungsstadien. Die Funktionsfähigkeit der Hochwasserschutzdünen ist damit überall gegeben.