Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 11. Februar 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5129 6. Wahlperiode 12.02.2016 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE Aktuelle Zahlen zur Kinderarmut in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Am 12. und 13. Januar 2015 fand der Bundeskongress „Kinderarmut bekämpfen! Chancen und Grenzen der Kinder- und Jugendhilfe“ in Hamburg statt. Am 11. Januar 2016 veröffentlichte die Hans-Böckler- Stiftung eine weitere Auswertung zur Verteilung der Kinderarmut in Deutschland, bei der Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor auf den hinteren Plätzen rangiert. Eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist dringend geboten und sie zeigt, dass die Anstrengungen von Seiten der Gesellschaft und Politik nach wie vor unzureichend sind und deutlich verstärkt werden müssen. 1. Wie schätzt die Landesregierung die aktuell veröffentlichten Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung vor dem Hintergrund der Landtagsdebatte im Januar 2014 „Alarmierende Armutsentwicklung in Mecklenburg- Vorpommern - umgehend wirksame Maßnahmen zur Armutsbekämpfung initiieren“ ein, wonach eine Interpretation der Daten sich immer nur auf die Tendenz mehrerer Jahre beziehen solle und nicht auf das Ergebnis eines einzelnen Jahres? Die veröffentlichten Zahlen der Verteilung und Entwicklung der Kinderarmut im Verteilungsmonitor „Kinderarmut in Deutschland“ (Forschungsstudie Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI); Januar 2016; www.wsi.de/verteilungsmonitor) analysieren die Entwicklung der Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen der letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik. Drucksache 6/5129 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Aufgrund der ermittelten Daten ist für Mecklenburg-Vorpommern rückblickend ein positiver Trend abzulesen, auch wenn die „25 Prozent-Marke“ noch nicht unterschritten wurde. Die Armutsquoten der Kinder unter 18 Jahren sanken von im Jahr 2005 34,2 Prozent auf 26,9 Prozent im Jahr 2014. Die Landesregierung schätzt ein, dass diese Entwicklung insbesondere dem positiven Trend der Arbeitsmarktentwicklung geschuldet ist. Sie sieht hierin insbesondere eine Bestätigung der eigenen Arbeitsmarktpolitik sowie der politischen Unterstützung der Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung. 2. Welche Zahlen liegen der Landesregierung bezüglich der Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg- Vorpommern vor? Eingangs wird auf die Vorbemerkung in der Antwort zur Kleinen Anfrage 6/2640 verwiesen. Die Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen ist eng verbunden mit der Beschäftigungssituation der Eltern sowie der Familienform, in der sie mit ihren Eltern leben. Das größte Armutsrisiko tragen Kinder, deren Eltern nicht oder nur geringfügig beschäftigt sind. Insoweit nutzt die Landesregierung die Statistischen Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit sowie die Erhebungen des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern. Folgende Daten liegen unter anderem der Landesregierung zur Einschätzung der Armutsgefährdung vor: - Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II - Kinder in Bedarfsgemeinschaften , Juni 2015 http://statistik.arbeitsagentur.de/nn_31990/SiteGlobals/Forms/Rubrikensuche/Rubrikensuche _Form.html?view=processForm&resourceId=210368&input_=&pageLocale=de&top icId=416186&year_month=201506&year_month.GROUP=1&search=Suchen - Arbeitsmarkt in Zahlen - Strukturen der Arbeitslosigkeit und Hilfebedürftigkeit von Alleinerziehenden, September 2015 http://statistik.arbeitsagentur.de/nn_31990/SiteGlobals/Forms/Rubrikensuche/Rubrikensuche _Form.html?view=processForm&resourceId=210368&input_=&pageLocale=de&top icId=326952&year_month=201509&year_month.GROUP=1&search=Suchen - Beschäftigungsverhältnisse - Die aktuellen Entwicklungen in Kürze - Januar 2016 http://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach- Themen/Beschaeftigung/Beschaeftigung-Nav.html - Einkommen der privaten Haushalte 2000-2013 http://www.statistikmv .de/cms2/STAM_prod/STAM/de/ep/Veroeffentlichungen/index.jsp?para=e-BiboInter Th11&linkid=110402&head=1104 - Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte - Ergebnisse der Revision 2014, Tabelle 1 http://www.statistikmv .de/cms2/STAM_prod/STAM/de/er/Veroeffentlichungen/index.jsp?para=e-BiboInter Th04&linkid=040106&head=0401 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5129 3 3. Wie begründet sich die Einschätzung und welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung daraus? In der Betrachtung der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II - Kinder in Bedarfsgemeinschaften, Juni 2015 (Bundesagentur für Arbeit) ergibt sich ein Rückgang der Hilfequote der Kinder unter drei Jahren in Bedarfsgemeinschaften im Vergleich des Monats Juni 2010 zum Monat Juni 2015 um 7,9 Prozentpunkte und bei den Kindern unter 15 Jahren um 3,7 Prozentpunkte. Ableitend davon schätzt die Landesregierung die Entwicklung positiv ein. Trotzdem sieht sie die Armutsbekämpfung nach wie vor als eine wichtige Aufgabe in Mecklenburg-Vorpommern an. Vor dem Hintergrund, dass in Mecklenburg-Vorpommern das geringste Nettoeinkommen der privaten Haushalte deutschlandweit erzielt wird und demzufolge mit am wenigsten Möglichkeiten für private Konsumausgaben und zum Sparen zur Verfügung stehen, werden gezielt Maßnahmen umgesetzt, die unmittelbar oder mittelbar die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen verbessern helfen; beispielhaft seien Folgende genannt: - Investitionen in die frühe Förderung und Bildung von Kindern, weitere Entwicklung der Betreuungsqualität sowie anteilige Elternentlastung an den Beiträgen der Kindertagesförderung , - Veränderung des Berufswahlverhaltens von jungen Frauen und Männern durch Erweiterung auf geschlechtsuntypische Berufe, - Senkung der Schulabbrecher-Quote, - Vermittlung von langzeitarbeitslosen Eltern in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse , - Umsetzung des Mindestlohnes. Diese Maßnahmen zielen darauf, belasteten Familien und Alleinerziehenden Unterstützung zu bieten und so existenzsichernde und auskömmliche Beschäftigungen zu erreichen, nachhaltig die Teilhabe am Arbeitsmarkt und am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen sowie deren Kindern die Teilhabechancen zu erhöhen. 4. Was sind Ursachen sind für die Absenkung der Armutsquote? Folgende Ergebnisse werden unter anderem als Ursachen für die Absenkung der Armutsquote betrachtet: - Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohnes, - Erhöhung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, - Rückgang der Arbeitslosenquote, - Rückgang der Bedarfsgemeinschaften und der Menschen, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten. Drucksache 6/5129 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Wie stellt sich die Armutsgefährdung bei Flüchtlingskindern in Mecklenburg-Vorpommern konkret dar? Der Landesregierung liegen dazu keine statistischen Erkenntnisse vor. 6. Welche Entwicklungen sind angesichts der Zunahme von Flüchtlingskindern zu erwarten? Die Mehrzahl der Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Mecklenburg-Vorpommern stammen aus Syrien und erhalten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach kurzer Zeit einen Aufenthaltstitel. Mit dem Erhalt wechseln sie in aller Regel aus dem Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes in den Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Da sich Kinderarmut aus der Einkommens- und Vermögensituation der Eltern ableitet, ist ein Anstieg der Kinderarmut in ganz Deutschland in Abhängigkeit des Zeitraums bis zum Gelingen der beruflichen Integration ihrer Eltern zu erwarten. 7. Welche Vorhaben plant die Landesregierung, um der Kinderarmut von Flüchtlingskindern entgegenzuwirken? Die Landesregierung wird große Anstrengungen unternehmen, um den in unserem Land schutzsuchenden Frauen, Männern und Kindern eine lebenswerte Perspektive in unserem Land anzubieten. Einzelpersonen sowie Familien mit Bleibeabsicht in Mecklenburg- Vorpommern sollen bereits aus der Erstaufnahmeeinrichtung heraus mit einem gezielten Integrationsansatz ausgewählten Gemeinden zugewiesen werden, die die für Familien notwendige Infrastruktur (unter anderem Möglichkeiten der Kindertagesförderung, Schulbesuche, Qualifizierungsmöglichkeiten/Arbeitsmarktzugang für Eltern) bieten. Die Sprachförderangebote des Bundes sollen durch Sprachförderung des Landes komplettiert werden. Sie richtet sich an Personen mit einer individuellen Bleibeperspektive, die von den Integrationskursen des Bundes nicht profitieren. Das Erlernen der deutschen Sprache ist Voraussetzung für das Gelingen einer sozialen und einer Arbeitsmarktintegration. Ein gutes Beherrschen der deutschen Sprache bestimmt auch die Qualität des Einstiegs in den Arbeitsmarkt. Die Beratungsangebote zur sozialen und zur Arbeitsintegration werden landesweit ausgebaut und verstärkt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5129 5 Ebenso soll ein Ausbau des psychosozialen Beratungsangebotes erfolgen, um Eltern und Kindern, die posttraumatisch belastet sind, die Möglichkeit zu geben, das Erlebte zu verarbeiten. 8. Inwieweit ist die Bundesregierung bereits an die Länder und Kommunen herangetreten, um ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit konkreten Zielvorgaben zu erarbeiten, mit dem der Kinderarmut wirkungsvoll begegnet werden kann? Um Armutsrisiken zu verringern, zielt das Maßnahmepaket des Bundes insbesondere auf die Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität von Familien ab. Unter dieser Zielsetzung arbeiten Bund und Länder koordiniert und abgestimmt zusammen. Wie bereits in den Antworten auf die vorangestellten Fragen aufgezeigt, stehen hinsichtlich der Reduzierung von Kinderarmut die Familien im Fokus. Die Bundesregierung setzte sich in den letzten Jahren für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Mit einer Neuen Vereinbarkeit soll die partnerschaftliche Aufteilung von Beruf und Sorgearbeit in der Familie für Mütter und Väter ermöglicht werden. Eine möglichst umfängliche Erwerbstätigkeit beider Eltern senkt das Armutsrisiko erheblich. Mit dem gesetzlichen Mindestlohn hat die Bundesregierung auch die Familien mit geringen Einkommen in den Blick genommen, die aufgrund des geringen Einkommens Armutsrisiken aufweisen. Die Förderung der Kindertagesbetreuung ist hierbei eine der wichtigsten Maßnahmen. Ohne die Bereitstellung entsprechender Kinderbetreuungsangebote wären rund 100.000 Mütter mit jüngstem Kind unter drei Jahren in der Bundesrepublik nicht erwerbstätig und würden kein Einkommen erzielen. Bund, Länder und Kommunen haben sich auf gemeinsame Maßnahmen und Programme verständigt, um die Ausbauziele quantitativ und qualitativ zu erreichen. Die Bundesregierung unterstützt Familien auch direkt mit Geldleistungen. Die Familienleistungen tragen erheblich dazu bei, Armutsrisiken in Familien zu verringern. Das Armutsrisiko von Kindern läge ohne Familienleistungen und Sozialtransfers in der Bundesrepublik doppelt so hoch wie heute. Familienleistungen unterstützten Eltern darin, die Kosten zu tragen, die ihnen durch Kinder entstehen. Sie ermöglichen vielen Familien unabhängig von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu leben (zum Beispiel durch Kindergeld, Kinderzuschlag, Elterngeld und so weiter). Der Kinderzuschlag unterstützt zielgenau Familien mit geringem Einkommen, der steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende unterstützt deren Erwerbstätigkeit; der Unterhaltsvorschuss bewahrt Alleinerziehende vor SGB II-Bezug und senkt Armutsrisiken (verbesserte Leistungen sind zum Beispiel der Kinderfreibetrag, das Kindergeld, der Kinderzuschlag). Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, ist nicht nur eine Frage der finanziellen beziehungsweise wirtschaftlichen Situation von Familien; es geht auch um Teilhabe und gute Entwicklungschancen für Kinder durch die Bereitstellung und Förderung unterstützender Infrastrukturen. Bund und Länder fördern gemeinsam kommunale Unterstützungsstrukturen, zum Beispiel mit dem Bildungs- und Teilhabepaket, dem Programm Elternchance II (bundesweite Ausbildung von Elternbegleitern), den Unterstützungsnetzwerken für Alleinerziehende (in den Lokalen Bündnissen für Familie) und anderen Maßnahmen.