Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 7. April 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5234 6. Wahlperiode 08.04.2016 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE Umgang mit sogenannten Reichsbürgern in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Von Teilen sogenannter Reichsbürger wird nicht nur die völkerrechtliche Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt, sondern die Legitimität von Hoheitsakten der mittelbaren und unmittelbaren staatlichen Gewalt des Bundes und der Länder. Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft sind ein Teil dieser Problematik. Bundesweit sind Gruppierungen und einzelne Bürgerinnen und Bürger als „Reichsbürger“ aktiv; rechtsextreme Organisationen interessieren sich zwar nicht für die verquere Ideologie der „Reichsbürger“, dafür aber für das Milieu, das klammheimlich hinter diesen steht (vgl. SVZ.de, 24. Februar 2016). Sogenannte Reichsbürger sprechen der Bundesrepublik Deutschland die völkerrechtliche Souveränität ab und vertreten die Auffassung, dass sie das „Deutsche Reich“ als „Reichsregierung“ vertreten würden. 1. Welche Organisationen in Mecklenburg-Vorpommern werden nach Kenntnis der Landesregierung den sogenannten Reichsbürgern zugeordnet ? In Mecklenburg-Vorpommern sind gegenwärtig keine Organisationen bekannt, die der „Reichsbürger“-Bewegung zuzurechnen wären. Vielmehr handelt es sich in Mecklenburg- Vorpommern um Einzelpersonen, die die Argumentationslinien der „Reichsbürger“ nutzen. Drucksache 6/5234 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Sie agieren in der Regel als Einzelpersonen oder Kleinstgruppierung unter selbstgewählten Bezeichnungen (zum Beispiel „staatenlos.info“, „Deutsches Amt für Menschenrechte“, „Mitglied des Freistaates Danzig“), sind aber nicht als Organisationsformen anzusehen. Bekannt sind weiterhin Anhänger von Gruppierungen (zum Beispiel „Deutsches Polizeihilfswerk “), die ihre Hauptwirkung in anderen Bundesländern entfalten. 2. Welche inhaltlichen und personellen Überschneidungen der „Reichsbürger “ mit anderen Strukturen, Organisationen oder Parteien in Mecklenburg-Vorpommern sind der Landesregierung bekannt (soweit möglich, bitte nach Landkreisen bzw. kreisfreien Städten getrennt aufführen)? Wie zu Frage 1 ausgeführt, sind in Mecklenburg-Vorpommern gegenwärtig keine Organisationen bekannt, die der "Reichsbürger"-Bewegung zuzurechnen wären. Daher ist die Frage nach Überschneidungen mit anderen Strukturen, Organisationen und Parteien insoweit gegenstandslos. Ob einzelne der in der Antwort zu Frage 1 genannten Einzelpersonen in anderen Strukturen, Organisationen und Parteien in Mecklenburg-Vorpommern vertreten sind, ist der Landesregierung nicht bekannt. Verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse liegen dazu nicht vor. Da für eine Erfassung nach den Vorschriften des Landesverfassungsschutzgesetzes entweder eine Aktivität in einem oder für einen Personenzusammenschluss - die es hier in diesem Kontext nicht gibt - oder ein gewaltorientiertes Handeln erforderlich ist, liegt eine rechtliche Befugnis zur Erfassung personenbezogener Daten solcher Einzelpersonen in aller Regel nicht vor. 3. Wurden an die Landesregierung seit 2011 Anfragen gestellt, wie seitens der (kommunalen) Verwaltungen mit „Reichsbürgern“ umgegangen werden soll (vgl. „Der Überblick“ Heft 2/2015, S. 53 für entsprechende Vorgänge im Land Brandenburg)? a) Wenn ja, auf welchen Sachverhalten beruhten diese Anfragen? b) Wie wurden diese Anfragen inhaltlich beantwortet? Ja. Auch der Verfassungsschutz wurde gelegentlich durch kommunale Behörden informiert, dass es zu Kontakten mit „Reichsbürgern“ gekommen ist. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5234 3 Zu a) Seit etwa 10 Jahren werden vermehrt Anträge von Personen, die der "Reichsbürger"- Bewegung zuzurechnen sind, auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsurkunden gestellt. Andere Anträge beziehen sich zum Teil auf Eintragung einer erfundenen Staatsangehörigkeit, zum Teil auf Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit. Auch kommt es vor, dass Bürger ihren Pass oder Personalausweis zurückgeben wollen oder eine Neuausstellung von Personalausweisen oder Pässen mit gesetzlich nicht vorgesehenem Inhalt verlangen. Hintergrund aller Anträge ist die Leugnung der souveränen Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer daraus erwachsenden Handlungs- und Entscheidungsbefugnis. Zu b) Das Ministerium für Inneres und Sport hat im Jahr 2012 ein Rundschreiben an die Staatsangehörigkeitsbehörden, die Pass- und Personalausweisbehörden und die Ordnungsbehörden herausgegeben, in dem die Hintergründe der „Reichsbürger"-Gedankenwelt dargestellt und Verfahrenshinweise gegeben werden. Die Landesregierung sieht keine Veranlassung, mit „Reichsbürgern“ über deren Thesen zu diskutieren, da diese jeglicher rechtlichen und historischen Grundlage entbehren. Den Behörden wurde empfohlen, auf konkrete Anträge mit kurzen Mitteilungen über die Rechtslage zu reagieren. Strafrechtlich relevantes Verhalten sollte unverzüglich den Strafverfolgungsbehörden angezeigt und Schreiben mit rechtsextremistischen Inhalten sollten der Verfassungsschutzabteilung des Ministeriums für Inneres und Sport übermittelt werden. Auf Erklärungen und Proklamationen inhaltlich einzugehen, hat sich nicht als sinnvoll erwiesen. 4. Geht nach Auffassung der Landesregierung von der „Reichsbürgerbewegung “ eine Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung aus (Antwort bitte begründen)? „Reichsbürger“ treten in Mecklenburg-Vorpommern als Einzelpersonen in Erscheinung, denen es nach Einschätzung der Landesregierung in der Regel an einer ernstzunehmenden politischen Zielsetzung fehlt. Insoweit ist diese Frage zu verneinen. Es handelt sich nicht um Bestrebungen im Sinne des § 5 Absatz 1 in Verbindung mit § 6 Landesverfassungsschutzgesetz . Drucksache 6/5234 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Welche Ermittlungsverfahren gegen sogenannte Reichsbürger wurden seit 2011 in Mecklenburg-Vorpommern eingeleitet und (falls bereits geschehen) mit welchen Ergebnissen abgeschlossen? Welche Handreichungen, Hinweise, Empfehlungen oder ähnliches zum Umgang mit „Reichsbürgern“ hat die Landesregierung bisher an Behörden und Verwaltungen des Landes herausgegeben? Gegen sieben Personen, die als „Reichsbürger“ bekannt sind, wurden seit 2011 Ermittlungsverfahren , zum Teil mehrfach, eingeleitet. Folgende Straftaten sind seit 2011 im Zusammenhang mit sogenannten „Reichsbürgern“ bekannt: Jahr Verletzte Rechtsnorm Ausgang des Verfahrens 2016 § 90a Strafgesetzbuch Die Ermittlungen dauern an. § 339 Strafgesetzbuch Einstellung gemäß §§ 170 Absatz 2, 152 Absatz 2 Strafprozessordnung 2015 § 187 Strafgesetzbuch Einstellung gemäß § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung § 164 Strafgesetzbuch Einstellung gemäß § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung § 123 Strafgesetzbuch Die Ermittlungen dauern an. § 21 Straßenverkehrsgesetz Verurteilung zu einer Geldstrafe, 50 Tagessätze zu je 15 Euro, 12 Monate Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis § 21 Straßenverkehrsgesetz Verurteilung zu einer Geldstrafe, 45 Tagessätze zu je 15 Euro, 12 Monate Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis 2014 § 26 Versammlungsgesetz Anklageerhebung noch nicht terminiert § 26 Versammlungsgesetz Anklageerhebung noch nicht terminiert 2013 § 86a Strafgesetzbuch Einstellung gemäß § 154 Absatz 1 Strafprozessordnung § 86a Strafgesetzbuch Erwirkung eines Strafbefehls, nach Einspruch des Angeklagten bislang keine Terminierung § 86a Strafgesetzbuch Erwirkung eines Strafbefehls, nach Einspruch des Angeklagten bislang keine Terminierung § 86a Strafgesetzbuch Erwirkung eines Strafbefehls, nach Einspruch des Angeklagten bislang keine Terminierung § 86a Strafgesetzbuch Erwirkung eines Strafbefehls, nach Einspruch des Angeklagten bislang keine Terminierung § 86a Strafgesetzbuch Erwirkung eines Strafbefehls, nach Einspruch des Angeklagten bislang keine Terminierung § 86a Strafgesetzbuch Einstellung gemäß § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung § 99 Strafgesetzbuch Staatsanwaltschaft Rosenheim § 185 Strafgesetzbuch Verurteilung zu einer Geldstrafe, 30 Tagessätze zu je 25 Euro § 240 Strafgesetzbuch Verurteilung zu einer Geldstrafe, 30 Tagessätze zu je 20 Euro Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5234 5 Jahr Verletzte Rechtsnorm Ausgang des Verfahrens § 21 Straßenverkehrsgesetz Einstellung gemäß § 153 Absatz 1 Strafprozessordnung 2012 § 240 Strafgesetzbuch Staatsanwaltschaft Brandenburg § 267 Strafgesetzbuch Einstellung gemäß § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung und Abgabe nach § 43 Ordnungswidrigkeitsgesetz zur Verfolgung als Ordnungswidrigkeit an das Bundesverwaltungsamt Köln 2011 § 240 Strafgesetzbuch Verurteilung - Verwarnung mit Strafvorbehalt, 40 Tagessätze zu je 30 Euro, ausgesetzt für 2 Jahre zur Bewährung § 90a Strafgesetzbuch Verurteilung zu einer Geldstrafe, 30 Tagessätze zu je 20 Euro Zum zweiten Teil der Frage wird auf die Antwort zu Frage 3b verwiesen. Weiterhin werden die für die in der Antwort zu Frage 3 a) genannten Themenbereiche zuständigen Behörden in verwaltungsinternen Arbeitsberatungen zum Umgang mit Reichsbürgern geschult. Die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Güstrow bietet Seminare für den Umgang mit „Reichsbürgern“ an, und der Verfassungsschutz gibt seine Expertise bei Vortragsveranstaltung , zum Beispiel beim „Kommunalen Studieninstitut M-V“, weiter. Darüber hinaus wurde die Problematik der „Reichsbürger“ im Rahmen von jährlichen Sicherheitsgesprächen des Verfassungsschutzes mit den Landkreisen und kreisfreien Städten erörtert. Das Justizministerium hat seinem Geschäftsbereich folgende Handreichungen und Hinweise zur Erleichterung des Umgangs mit sogenannten Reichsbürgern übersandt: September 2013 - den von der Landesjustizverwaltung Niedersachsen empfohlenen Aufsatz aus der Verwaltungsrechts-Zeitschrift LKV, 22. Jahrgang, 12/12, Seiten 529 - 535, Caspar/ Neubauer „Wie Reichsbürger den Fortbestand des Deutschen Reiches beweisen wollen“ - das von der Landesjustizverwaltung Schleswig-Holstein zur Verfügung gestellte für den eigenen Geschäftsbereich entworfene Informationspapier August 2015 - Hinweise zum Umgang mit fingierten Forderungen von sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern gegen Justizbedienstete des Landes - Hinweis auf die Möglichkeit der Übernahme von Verfahrenskosten entsprechend dem Erlass des Innenministers über den Rechtsschutz in Straf- und Zivilsachen für Landesbedienstete vom 22.09.1994 - II 240 - Amtsblatt M-V 1994 S. 1012, wenn Justizbedienstete des Landes mit Forderungen bzw. Klagen von sog. „Reichsbürgern“ überzogen werden. Drucksache 6/5234 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 6. Hält es die Landesregierung für angebracht bzw. sinnvoll, dem Beispiel Brandenburgs (vgl. Der Überblick, o. a. O.) folgend, die Herausgabe eines „Handbuches zum Umgang mit Reichsbürgern“ auch in Mecklenburg-Vorpommern zu initiieren (Antwort bitte begründen)? Nein. Zur Begründung wird auf die Antworten zu den Fragen 1, 3 b) und 5 verwiesen.