Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 21. April 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5248 6. Wahlperiode 22.04.2016 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Silke Gajek, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schülerbeförderung im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes und ANTWORT der Landesregierung Zahlreichen Eltern der Waldorfschule in Schwerin wurde mit Bescheid der Landeshauptstadt Schwerin mitgeteilt, dass die bisherige Übernahme von Schülerbeförderungskosten aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) eingestellt wird. In den Bescheiden begründet die Landeshauptstadt Schwerin die Ablehnung wie folgt: Für den Besuch einer Waldorfschule lägen die Voraussetzungen zur Gewährung von Schülerfahrkosten im Rahmen des BuT nicht vor, da es sich bei der Beschulung in einer Waldorfschule nicht um einen „eigenständigen Bildungsgang“ im Sinne des § 28 Absatz 4 SGB II bzw. des § 11 Absatz 3 Schulgesetz M-V handle. In der Begründung verweist die Landeshauptstadt Schwerin weiterhin auf zuletzt im September 2015 überarbeitete „Handlungsempfehlungen zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaktes in Mecklenburg-Vorpommern“ des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern, die explizite Ausführungen zur Thematik der Schülerbeförderungskosten bei Besuch einer Waldorfschule enthielten. 1. Welche konkreten Ausführungen zur Kostenbeförderungserstattung, speziell für Schülerinnen und Schüler an Waldorfschulen, werden in den oben genannten Handlungsempfehlungen gemacht? Unter Punkt 3.1 der Handlungsempfehlungen - Übernahme der Schülerbeförderungskosten zur weiter entfernten Waldorfschule - wird Folgendes ausgeführt: „Bei dem Besuch einer Waldorfschule handelt es sich nicht um einen „eigenständigen Bildungsgang“ i. S. d. § 28 Abs. 4 SGB II bzw. des § 11 Abs. 3 SchulG M-V. Drucksache 6/5248 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Ein Bildungsgang ist gemäß § 11 Abs. 3 SchulG M-V „ein schulisches Lehrangebot, dessen Unterrichtsorganisation und Anforderungen das Erreichen eines bestimmten Abschlusses bezwecken“. Einen bestimmten, von der örtlich zuständigen Schule abweichenden Abschluss sieht eine Waldorfschule jedoch nicht vor.“ Die Aufnahme dieses Hinweises in die aktuellen Handlungsempfehlungen erfolgte vor folgendem Hintergrund: Gemäß § 28 Absatz 4 SGB II werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Die nächstgelegene Schule ist die Schule, die (aufgrund der verfügbaren Verkehrswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln) am besten zu erreichen ist. Die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen sind insoweit hinsichtlich ihrer Höhe dadurch begrenzt, dass Aufwendungen für Schülerbeförderung nur soweit erstattet werden, wie sie für die Beförderung zur nächstgelegenen Schule notwendig sind. Der Begriff „Bildungsgang“ beschreibt die schulische Laufbahn zu dem jeweils gewählten Schulabschluss (zum Beispiel Grund-, Haupt-, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Gemeinschaftsschule, Fachoberschule). Ob auch besondere Schulformen (zum Beispiel bei sonderpädagogischem Förderbedarf), Schulen in besonderer Trägerschaft (zum Beispiel Montessori-, Waldorf-, Konfessionsschule) oder Schulen mit besonderem Profil (zum Beispiel Sportschule, altsprachliches Gymnasium) zur Differenzierung des gewählten Bildungsganges herangezogen werden können, wurde in der Fachliteratur unterschiedlich kommentiert. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. vertrat bereits in seinen 2. Empfehlungen zur Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe die Rechtsauffassung, dass hierfür die landesschulrechtlichen Bestimmungen ausschlaggebend sind. Im Rahmen der Beratungen der AG Bildung und Teilhabe beim Landkreistag Mecklenburg- Vorpommern wurde die Frage der Kostenübernahme von Schülerbeförderungskosten für den Besuch von Waldorfschulen bereits 2013 thematisiert. Auf Anfrage des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales stellte das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur klar, dass es sich bei einer Waldorfschule nicht um einen eigenständigen Bildungsgang im Sinne des § 28 Absatz 4 SGB II beziehungsweise des § 11 Absatz 3 SchulG M-V handelt (Schreiben vom Oktober 2013). Damit war klargestellt, dass Waldorfschulen keinen eigenständig wählbaren Bildungsgang begründen, sondern es sich vielmehr um freiwillig wählbare Optionen innerhalb des aufgrund des Alters des Schülers allein wählbaren Bildungsgangs handelt (siehe hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. September 2012 – L 14 BK 2/12 B ER). Die Prüfung der Übernahme von Schülerbeförderungskosten zu Waldorfschulen hat entsprechend der dargestellten Rechtslage zu erfolgen. Dies wurde den kommunalen Trägern mitgeteilt. Insoweit war bereits seit Anfang 2014 eine einheitliche Rechtsanwendung in Mecklenburg-Vorpommern gesichert. Eine Aufnahme des Hinweises in die zuletzt veröffentlichten Handlungsempfehlungen erfolgte der Vollständigkeit halber und ist dem Umstand geschuldet, dass bedingt durch Verwaltungsumstrukturierungen zwischenzeitlich bei den kommunalen Trägern zum Teil neue Mitarbeiter für Bildung und Teilhabe zuständig sind. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5248 3 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es sich bei der Nichtgewährung von Beförderungskosten für Waldorfschülerinnen und -schüler aus dem BuT-Paket um eine Ungleichbehandlung von Eltern dieser Schülerinnen und Schüler handle, die sich explizit wegen der besonderen Bildungsinhalte der Waldorfschulen und bei freier Schulwahl für den Besuch dieser staatlich anerkannten Ersatzschulen entschieden haben? Falls sie diese Auffassung nicht teilt, wie lautet die entsprechende Begründung? Die Landesregierung teilt unter Hinweis auf die Antwort zu Frage 1 diese Auffassung nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2010 festgestellt, dass der Besuch einer privaten Ausbildungseinrichtung nicht von Verfassung wegen durch die Gewährung staatlicher Mittel ermöglicht oder erleichtert werden muss (BVerfG 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09 - Rn 15). 3. Welche Möglichkeiten bestehen aus Sicht der Landesregierung, um betroffenen Schülerinnen und Schülern bzw. deren Eltern, denen die Erstattung von Beförderungskosten über das BuT-Paket seit September 2015 versagt wird, die jedoch grundsätzlich einen Anspruch auf BuT-Leistungen haben, Entlastung und Unterstützung zu gewähren? Die Landeshauptstadt Schwerin hat die Handlungsempfehlung jetzt in der Form rechtlich interpretiert, dass Kosten für die Schülerbeförderung zu einer Waldorfschule nicht übernommen werden können. Der Landeshauptstadt Schwerin wurde daher mit Hinweis auf die geltende Rechtslage empfohlen, alle früheren gleichgelagerten Verwaltungsentscheidungen ebenfalls zu überprüfen. Um zukünftig Fehlinterpretationen auszuschließen, wird das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales bei der nächsten Veröffentlichung der Handlungsempfehlungen weiterführende Ausführungen zur Kostenübernahme der Schülerbeförderungskosten im Rahmen der Leistungen für Bildung und Teilhabe machen.