Der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 7. April 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5256 6. Wahlperiode 08.04.2016 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bohrschlämme in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Seit der Erstellung der ersten Tiefbohrungen in den 1960er-Jahren hat sich die Handhabung der Bohrrückstände grundlegend geändert. Die Entwicklungen in der Bohr- und Spülungstechnik erfordern zur Kontrolle und Sicherung von Tiefbohrungen leistungsstarke Spülungssysteme . Aktuelle Tiefbohrarbeiten verwenden deshalb ausschließlich geschlossene Systeme. Die modernen Anlagen trennen und reinigen das Bohrklein aus der Bohrspülung, um es einer fachgerechten Entsorgung zuzuführen. Eingesetzte Bohrspülungen werden weitestgehend wiederverwendet und am Ende der Bohrarbeiten ordnungsgemäß beseitigt. In DDR-Zeiten wurden solche Bohrabfälle wie Bohrspülungen und Bohrklein in unmittelbarer Nähe der Bohrstelle in ausgebaggerten Spülgruben aufbereitet, gelagert und deponiert. Im Rahmen der Tiefbohrarbeiten wurden diese einfachen Gruben speziell zur Ablagerung von Grabungs- oder Bohrrückständen angelegt. Folglich entstanden neben tieferen Bohrungen oft mehrere „Schlammgruben“, da die Rückstände nicht sofort verwertet wurden. Das Stoffspektrum dieser Bohrschlammgruben ergibt sich aus verwendeten Spülungszusätzen und möglichen Einträgen aus den erbohrten Zielhorizonten. Zu DDR-Zeiten wurde im Regelfall zum Zeitpunkt des Betriebsendes eine „Wiederurbarmachung“ mit Verbleib des Bohrschlamms an Ort und Stelle bei gleichzeitiger Rekultivierung durchgeführt. In vielen Fällen erfolgte kein vollständiger Rückbau dieser Schlammgruben, sodass der Bohrschlamm am Entstehungsort zurückblieb. Solche neben einer Bohrstelle ausgebaggerten Schlammgruben, wie sie zu DDR-Zeiten bei Tiefbohrungen auf Kohlenwasserstoffe eingesetzt wurden, sind unter heutigen Rahmenbedingungen nicht mehr zulassungsfähig. Drucksache 6/5256 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Im Zuge der Erdgas- und Erdölförderung bzw. -erkundung in Deutschland blieben nach Medienberichten 1.400 sogenannte Bohrschlammgruben mit giftigen und zum Teil krebserregenden Rückständen zurück. (Quelle: Tagesschau vom 07.03.2016, http://www.tagesschau.de/ausland/bohrschlamm-101.html) 1. Wie viele Bohrschlammgruben der Erdgas- und Erdölförderung bzw. Erdgas- und Erdölerkundung sind der Landesregierung für das Land Mecklenburg-Vorpommern bekannt? a) Wie viel dieser Bohrschlammgruben stehen im Verdacht, giftige Bohrrückstände zu enthalten? b) Wurden einzelne Bohrschlammgruben auf Zusammensetzung der darin enthaltenen Rückstände untersucht, wenn ja, wie viele und mit welchen Ergebnissen? c) Welche anorganischen bzw. organischen Verbindungen, Substanzen und Stoffe wurden und werden in den Bohrschlammgruben im Land Mecklenburg-Vorpommern festgestellt? Zu a) Vor der politischen Wende im Jahr 1989 wurden in Mecklenburg-Vorpommern auf 430 Betriebspunkten Tiefbohrungen abgeteuft. Die genaue Anzahl der Schlammgruben lässt sich aus der Anzahl der Betriebspunkte (Bohrlokationen) oder Bohrungen nicht eindeutig ableiten, da an den Betriebspunkten keine, eine oder teilweise mehrere Schlammgruben angelegt wurden. Die meisten Betriebspunkte wurden im Zusammenhang mit der Erdöl- und Erdgasaufsuchung der ehemaligen DDR angelegt. Nur bei Bohrungen ist davon auszugehen, dass Bohrspülungen in größeren Mengen eingesetzt wurden und somit Rückstände in einer Größenordnung anfielen, die das Anlegen von Schlammgruben erforderten. Seit 1990 wurden unter Aufsicht des Bergamtes Stralsund insgesamt 112 dieser ehemaligen Betriebspunkte untersucht, gesichert und vorhandene ehemalige Schlammgruben nach Feststellung eines Sanierungserfordernisses aufwendig saniert. Im Rahmen der Arbeiten erfolgte eine gutachterliche Begleitung, um festgelegte Grenzwerte sicherzustellen und einzuhalten. Die verbleibenden Betriebspunkte wurden vom Bergamt Stralsund kategorisiert, um zukünftig eine Priorisierung für weitere Untersuchungsarbeiten zur Ermittlung des Sanierungsbedarfs vorzunehmen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5256 3 Zu b) und c) Auf Grundlage von umweltanalytischen Untersuchungen wurden diese zum größten Teil überdeckten Schlammgruben an den Betriebspunkten erkundet und untersucht. Das mögliche Schadstoffspektrum in den Bohrschlämmen resultiert sowohl aus eingesetzten Spülungszusätzen und möglichen Einträgen aus den lagerstättengeologischen Zielhorizonten. Mit dem Standortgutachten wird betriebspunktbezogen das jeweilige konkrete Untersuchungsspektrum festgelegt. Die häufigsten Belastungen stellen mineralische Kohlenwasserstoffe (MKW) aus Erdölbohrungen sowie Salze (vor allem Chloride) aus Spülungszusätzen dar. Begleitend werden des Weiteren in der Regel Schwermetalle sowie organische Parameter untersucht. Die Untersuchungsflächen erstreckten sich in Abhängigkeit von den Erkundungsergebnissen auch auf angrenzende Nachbarschaftsflächen, um mittels Rammkernsondierungen und Einzelproben das Schadstoffpotenzial zu ermitteln. Die Wiederherstellung der dem Umfeld entsprechenden uneingeschränkten Nutzung der zurückzubauenden Schlammgrubenflächen prüft das Bergamt Stralsund unter Beteiligung der zuständigen Behörden auf Grundlage des umweltanalytischen und bodenmechanischen Gefährdungspotentials. Dabei sind die betroffenen Gemeinden, Landkreise, Ämter für Raumordnung und Landesplanung, das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie sowie die örtlich zuständigen Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt am Verfahren beteiligt. Handlungsbedarf zur Sanierung besteht, wenn der kontaminierte Bohrschlamm mit hohem Schadstoffinventar sich im Hauptwurzelraum ackerbaulicher Kulturen befindet und es dadurch zu Beeinträchtigungen des Pflanzenwachstums kommt oder wenn infolge des geringen Grundwasserflurabstandes unmittelbarer Kontakt zwischen Grundwasser und Bohrschlamm besteht und keine ausreichende Tragfähigkeit für die Befahrung mit landwirtschaftlicher Gerätetechnik gegeben ist. Die Ergebnisse sind in den jeweiligen Standortgutachten der Betriebspunkte zusammengefasst und liegen den zuständigen Behörden im Rahmen der Beteiligung am Verfahren vor. Diese Standortgutachten bilden auch die Grundlage, um die Verwertung des Bohrschlamms zu prüfen. Ist dies nicht möglich, erfolgt die allgemeinwohlverträgliche Beseitigung des Materials in dafür zugelassenen Anlagen. Drucksache 6/5256 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 2. In welchem Umfang sind nach Untersuchungen bzw. sachverständigen Schätzungen die Rückstände an Bohrschlämmen in Mecklenburg-Vorpommern nach den abfallrechtlichen Vorschriften behandlungsbedürftig bzw. müssen auf Sondermülldeponien verbracht werden (bitte Abfallklassifizierung und jeweilige Mengen angeben)? Grundsätzlich werden im Zuge der bergrechtlichen Wiedernutzbarmachung umweltanalytische Standortgutachten für jeden Bohrschlammgrubenstandort erstellt. Die Ergebnisse erhält das Bergamt Stralsund im Zusammenhang mit einem Betriebsplan zur Genehmigung des beabsichtigten Rückbaus, wenn dieser erforderlich ist. Der zugelassene Betriebsplan legt für das Rückbauvorhaben unter Berücksichtigung standortrelevanter Anforderungen Sanierungszielwerte fest. Die Schlammgruben sind in der Regel bis zur Grubensohle und in Flankenbereichen bis an den gewachsenen Boden unter gutachterlicher Begleitung auszukoffern (flächenartiger Aushub von Boden). Die sanierungsbegleitenden beziehungsweise zum Nachweis des Sanierungserfolges zu entnehmenden Bodenproben werden durch ein akkreditiertes Labor untersucht und bewertet. Die in den Schlammgruben aufgefundenen Fremdmaterialien (Beton, Gummi- und Metallabfälle) werden der Verwertung zugeführt oder als Störstoffe fachgerecht beseitigt. Der umweltanalytischen Beprobung der ausgekofferten Grubenkörper schließt sich nach Freigabe durch das Bergamt eine Verfüllung mit unbelastetem und zertifiziertem Boden an. Die abfallrechtliche Klassifikation erfolgt gemäß der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung - AVV) vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3379), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. März 2016 (BGBl. I, S. 382). Sie findet für die Bezeichnung von Abfällen Anwendung. Ist eine Verwertung des Bohrschlamms nicht möglich, so erfolgt die allgemeinwohlverträgliche Beseitigung des Materials. Entsprechend ihrer Herkunft können für ölhaltige Bohrschlämme die Abfallschlüsselnummer 010505* (ölhaltige Bohrschlämme und -abfälle), für andere Bohrschlämme die Abfallschlüsselnummer 010506* (Bohrschlämme und andere Bohrabfälle, die gefährliche Stoffe enthalten) herangezogen werden. 3. Sind der Landesregierung Bohrschlammgruben bekannt, die undicht sind und aus denen giftige Verbindungen in die Umgebung, z. B. ins Grundwasser, gelangen? Der Landesregierung ist ein Standort einer ehemaligen Schlammgrube bekannt, der zu DDR- Zeiten (von 1986 bis 1990) als Schadstoffdeponie genutzt wurde. Durch die Einlagerung verschiedener Abfälle nicht bergbaulichen Ursprungs gelangten Schadstoffe der deponierten Abfälle ins Grundwasser. Die Schadstoffdeponie inklusive Schlammgrube wurde bereits zurückgebaut. Außerdem erfolgte eine umfangreiche Sanierung des Untergrundes durch eine Grundwassersanierung. Der betroffene Bereich wird gegenwärtig mit einem vom Bergamt Stralsund beauflagten Grundwassermonitoring überwacht. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5256 5 4. In welcher Region bzw. welchen Regionen des Landes sind gehäuft Bohrschlammgruben zu verzeichnen? Vorwiegend sind die ehemaligen Schlammgruben in den Landkreisen Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald sowie Ludwiglust-Parchim zu finden, da hier zu DDR-Zeiten umfangreiche Tiefbohrarbeiten zur Lagerstättenerkundung stattfanden. 5. Wer trägt die Verantwortung für den Rückbau von Bohrschlammgruben aus DDR-Zeiten? Aus welchen Haushaltspositionen des Bundes und der Länder werden die Rückbau- und Sanierungsvorhaben bei Bohrlöchern finanziert? Das Bergamt Stralsund agiert im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Abwehr von Gefahren aus früherer bergbaulicher Tätigkeit in Bereichen stillgelegter bergbaulicher Anlagen, die nicht mehr der Bergaufsicht unterliegen gemäß § 1 der Verordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr in Altbergbauen (Altbergbauezuständigkeitsverordnung - AltBZVO M-V) vom 27. Februar 1998, (GVOBl. M-V S. 378). Der Rückbau von Bohrschlammgruben, die der Vereinbarung zwischen Erdöl-Erdgas- Gommern GmbH (EEG), deren derzeitiger Rechtsnachfolger die ENGIE E&P Deutschland GmbH ist, und dem Land Mecklenburg-Vorpommern unterliegen, wird anteilig durch den Bund, das Land und den derzeitigen Rechtsnachfolger der EEG finanziert. Die betreffende Haushaltsposition des Landes ist der Titel 892.21 MG 02 des Sondervermögens "Sanierung ökologischer Altlasten in Mecklenburg-Vorpommern“ in der Anlage 3 zum Einzelplan 08 des Geschäftsbereichs des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern. 6. Wie viele der Bohrschlammgruben aus DDR-Zeiten auf dem Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns sind inzwischen zurückgebaut und saniert? Nach der politischen Wende wurden insgesamt 112 Betriebspunkte untersucht und gesichert. Größtenteils war die Erforderlichkeit des Rückbaus der Schlammgruben an diesen Betriebspunkten erfüllt. Allein zwischen 2004 und 2015 wurden in Mecklenburg- Vorpommern 39 Schlammgruben zurückgebaut. Drucksache 6/5256 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 7. In welchem Umfang wurden in Mecklenburg-Vorpommern giftige Bohrschlämme, sowohl aus Mecklenburg-Vorpommern selbst, als auch aus anderen Bundesländern und Ländern auf die Sondermülldeponie Ihlenberg oder andere Deponien im Land verbracht? Sofern keine Verwertung des Bohrschlamms möglich war, erfolgte die allgemeinwohlverträgliche Beseitigung des Materials auf den dafür zugelassenen Deponien in Rosenow oder Ihlenberg. Im Jahr 2013 wurden 12.416 Tonnen gefährliche Bohrschlämme (Abfallschlüsselnummer 010505* und 010506*) auf der Deponie Ihlenberg umweltgerecht entsorgt. Die Abfälle stammen ausschließlich aus einem Sanierungsprojekt einer Bohrschlammgrube in Mecklenburg-Vorpommern. 8. Wurden die ehemals in Mecklenburg-Vorpommern betriebenen Bohrlöcher ebenfalls mit giftigen Bohrschlämmem verfüllt oder wie wurden bzw. werden diese Bohrlöcher gesichert? Eine Verwendung von Bohrschlämmen zur Verfüllung beziehungsweise zur Verwahrung von Tiefbohrungen in Mecklenburg-Vorpommern ist dem Bergamt Stralsund nicht bekannt. Die Verwahrung auflässiger Bohrungen wird im Bundesberggesetz (BBergG) vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310), zuletzt geändert durch Artikel 303 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474), und der Bergverordnung für Tiefbohrungen, Untergrundspeicher und für die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen im Land Mecklenburg-Vorpommern (Tiefbohrverordnung - TbVO M-V) vom 15. November 2011 (GVOBl. M-V, S. 1024) sowie durch entsprechende Richtlinien geregelt. Grundsätzlich wird gefordert, dass auflässige Bohrungen einerseits zum Schutz der Lagerstätten und andererseits zum Schutz der Grundwasserreservoire sowie aus Standsicherheitsgründen durch geeignete Maßnahmen abzudichten und zu verfüllen sind. Grundwasserspeicher- und Förderhorizonte sind gegenüber angrenzenden Schichten abzudichten und die Dichtheit durch entsprechende Kontrollmessungen nachzuweisen. Die Bohrlöcher werden mit einer geeigneten Rahmentechnologie, die vom Bergamt Stralsund gesondert zuzulassen ist, durch das Setzen von mehreren Zementbrücken verwahrt. Dafür sind entsprechende Betriebspläne beim Bergamt zur Zulassung zu beantragen. Anhand der Betriebspläne prüft das Bergamt die Tiefen und Mächtigkeiten der Betonbrücken in Abhängigkeit von der konkreten geologischen Situation und der Verrohrung der Bohrung. Eine ähnliche Technologie zur sicheren Verwahrung von Bohrungen wurde bereits zu DDR- Zeiten angewendet. Das Bergamt verfügt hier über entsprechende Verwahrungsberichte, die eine Beurteilung der sicheren Verwahrung ermöglichen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5256 7 9. Fallen derartige Bohrschlammabfälle weiterhin an? Heute werden Bohrschlämme direkt auf dem Bohrplatz in speziellen Aufbereitungsanlagen aufgefangen, aufgearbeitet und fachgerecht entsorgt. Beispielsweise sind bei den Bohrarbeiten der Bohrung Barth 11h/2011 im Bohrbetrieb etwa 4000 Tonnen Bohrschlämme angefallen, die einer ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt wurden. Im Rahmen der stattfindenden Erdölförderung der Gaz de France (GDF) Suez E&P an den Standorten Lütow und Mesekenhagen fallen keine Bohrschlämme zur Entsorgung an, da derzeit keine Tiefbohrarbeiten zum weiteren Aufschluss der Lagerstätte stattfinden oder geplant sind. Die letzten Schlammgruben aus DDR-Zeiten wurden in diesem Bereich 2015 zurückgebaut.